Es gibt Konzerte, die sind legendär. Damit meine ich nicht jene Abende, an denen eine Band plötzlich einen Major-Deal einsackt. Auch nicht die Shows, bei denen man unerwartet seine neue Lieblingsband entdeckt. Ich spreche von Auftritten, bei denen sich aus unerfindlichen Gründen eine Stimmung aufbaut, so phänomenal, dass sich beide Seiten – Publikum und Band – ungläubig fragen, woher diese greifbare Magie gerade kommt. Abende, an denen alle ohne große Erwartungen starten und am Ende nur noch denken: „Was war das denn gerade?“
Zu diesen Momenten zählt für mich definitiv das Konzert von THE HIVES, das am 08.06.2000 im alten Hamburger Molotow stattfand. Damals traten THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY als Hauptact auf, MONSTER (aus denen später MONEYBROTHER hervorging) eröffneten den Abend. Ein schwedischer Dreiklang, bei dem sich im Grunde zwei Hauptbands die Bühne teilten: T(I)NC hatten gerade ihr Debüt „Survival sickness“ veröffentlicht, THE HIVES ihr zweites und vielleicht stärkstes Album „Veni vidi vicious“. Das Molotow, damals noch der dunstige Keller am Anfang der Reeperbahn, war bis zum Anschlag gefüllt, die Stimmung unglaublich. Ich erinnere mich sogar, dass Bela B im Publikum stand. Smartphones gab es nicht, Videokameras schleppte niemand mit – entsprechend existieren kaum Schnipsel im Netz. Dass dieser Abend trotzdem unvergessen blieb, belegen zwei Indizien: Molotow-Chef Andi Schmidt nannte ihn bei detektor.fm eines der besten Konzerte des Clubs überhaupt. Und Sänger Pelle Almqvist erzählte 25 Jahre später, das zweite Hamburg-Konzert sei ihr „erfolgreichstes ever“ gewesen – inklusive ausverkauftem Tour-Merch. „Die T-Shirts: komplett weg!“
Bleibt die Frage: Würden THE HIVES im Jahr 2025 immer noch diese Energie entfachen können? Zumal in der weitläufigen Alsterdorfer Sporthalle, die bei ausverkauften Konzerten bis zu 7.000 Menschen fasst?

Zuvor durften zwei Support-Acts das Terrain vorbereiten. SPIRITUAL CRAMP aus San Francisco eröffneten – und bewiesen schon mit den ersten Takten, wie ideal sie in dieses Vorprogramm passen. Eine Mischung aus Garage Rock, Working-Class-Punk und britischen Mitsing-Chants, getragen von einem Sänger, der den Laufsteg vor der Bühne sofort zu seinem Territorium erklärte, von Boxen sprang und das Mikrofon kreisen ließ. Vieles erinnerte an Howlin’ Pelle anno 2000. Nur das Hemd hätte am Ende vielleicht nicht unbedingt fallen müssen.

Nach kurzem Umbau dann YARD ACT aus Leeds. Ich weiß heute nicht mehr genau, wann oder wie ich die Band entdeckt habe, aber seit ihrem sensationellen Debüt „Overload“ bin ich Fan. Von den frühen Postpunk-Anleihen haben sie sich längst gelöst. Ihr Sprechgesang – James Smith lässt die SLEAFORD MODS dabei fast alt aussehen – und die sarkastisch-ironischen Texte tragen viel dazu bei. Spätestens seit ihrem letzten Album „The overload“ strahlen sie zudem eine solche Lässigkeit aus, zitieren mal bei BECK, mal bei den BEASTIE BOYS und im nächsten Moment bei LCD SOUNDSYSTEM. Das Publikum brauchte zwar etwas, um warm zu werden, aber spätestens am Ende tanzten selbst die hinteren Reihen. Ein starker Auftritt.

Dann die Hauptband: THE HIVES.
Zunächst huschten ein paar schwarzgekleidete, sturmhaubenvermummte Roadies über die Bühne, klebten Kabel, checkten den Sound. Kurz keimte der Verdacht auf, ob nicht vielleicht die Band selbst inkognito Hand anlegte. Doch dann betraten THE HIVES im bekannten Look die Bühne: schicke schwarze Anzüge, diesmal ergänzt durch leuchtende Lichterketten. Sie legten sofort los – mit „Enough is enough“, dem Opener der neuen Platte. Wer bereits als zweiten Song „Walk idiot walk“ bringt und beim dritten Song ins Publikum steigt, hat offensichtlich nicht vor, die Höhepunkte für später aufzusparen. Wobei bei dieser Band ohnehin die Frage erlaubt sei, was hier eigentlich keine Höhepunkte sind. Meine Freundin staunte irgendwann, wie viele Hits die Schweden im Laufe ihrer Karriere eigentlich geschrieben haben.
Pelle Almqvist tat sein Übriges, die Stimmung weiter zu befeuern: „Ich möchte, dass nach dem nächsten Song jeder schreit – auch du mit dem Bier. Nein, nicht du – er hinter dir!“ Es folgten Kracher wie „Main offender“, das tanzbare „Born a rebel“ oder das großartige „Bogus operandi“ vom aktuellen Album, das so ziemlich alle überzeugte, die schon damals etwas für die Stockholmer übrighatten. Unser Autor Chris attestierte der neuen Platte ein „ähnliches Energielevel und gleichen Spaßfaktor wie ihrem Durchbruchsalbum ‚Veni vidi vicious‘“, während Molotow-Andi zufrieden feststellte, sie klinge „Gottseidank wieder so wie früher“.
Und genauso fühlte sich der Abend an: Alle wollten Spaß – die Band inklusive. Es war das vorletzte Konzert ihrer Europa-Tour, ehe nur noch das große Tourfinale in Stockholm wartete. Pelle hatte dafür eine einfache Ansage: „Ich weiß, heute ist Mittwoch – der Tag, der am weitesten vom Wochenende entfernt ist. Aber stellt euch ab jetzt einfach vor, dass heute Samstag ist. Und jetzt: ab dafür!“
Zwei Stunden und drei Zugaben später steht fest: THE HIVES haben mit „The Hives Forever Forever The Hives“ nicht nur ein starkes neues Album vorgelegt. Sie gehören auch 2025 noch zu den besten Live-Bands dieses Planeten.