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La Pampa 2009 – Das bisschen Regen…

Im letzten Jahr die Premiere, 2009 der erste Geburtstag. Das La Pampa fiel mir zwar schon im ersten Jahr durch seine schick gestalteten Poster und ein gutes Programm (SIVA, BODI BILL, GIRLS IN HAWAII, I MIGHT BE WRONG, …) auf, es bedurfte aber 365 Tage Überlegung und ein Auto voll Begleitung bis wir uns auf den Weg machten, die 500 km von Hamburg bis Görlitz hinter uns zu lassen. Wusstet Ihr, dass Görlitz die östlichste Stadt Deutschlands ist? Wegen der weiten Anreise einen Zwischenstopp mit Übernachtung in Berlin bei Rilana, die mich eigentlich als Fotografin begleiten wollte, sich direkt vor der Fahrt aber eine unschöne Mittelohrentzündung eingehandelt hatte und daheim bleiben musste. Am nächsten Mittag dann also weiter, und ab Cottbus erklärte sich auf hundert Kilometern Landstraße so langsam auch der Name des Festivals. Hagenwerder – angekommen! 500 Meter von der polnischen Grenze entfernt. Dass man sein Auto zum Ausladen vorfahren durfte, war selbstverständlich, der „Zelten leiser“-Campingplatz im Nachhinein betrachtet eine weise Entscheidung. Hier verirrten sich zu unserer Ankunft nur eine Handvoll Zelte auf einer riesigen Wiese, spätestens am nächsten Tag dürften wir jedoch noch einige Nachbarn von „Zelten lauter“ hinzugewonnen haben. Ihr vorheriges Quartier lag zwar optisch attraktiver an einem See, allerdings schallte dort 24 Stunden lang die Strandlounge. Wohl eher etwas für elektronische Clubgänger, die auf einem Festival im Grunde gar kein Schlafzelt benötigen.
Doch zurück zu Tag 1. Zelte aufgebaut, dann erst mal zurück in die City von Hagenwerder und Naturalien für vier Personen eingekauft. Wer denn die ganzen Leute seien, die heute ihren Getränkemarkt fast in die Knie zwangen, wollte die nette Verkäuferin wissen. Vom La Pampa Festival hatte sie noch nichts gehört. Zurück am Zelt warfen Martin und Bianca zunächst den Grill an, Silke und ich durften uns den Opener THE FRIENDLINESS IS GOING HAPPY ansehen. Wenn ein Festival so beginnt, kann es nur noch gut werden! Drei eher unscheinbare Gestalten auf der Bühne, mit einem spannenden Instrumental-Gemisch aus Post-Rock und Postcore. Das erinnerte an TER HAAR ohne Loops und kam auch beim Publikum gut an, das sich fairerweise nicht erst zu THE NOTWIST vor der Bühne versammelte. ME SUCCEEDS fielen dann leider dem Grillen zum Opfer, während ich Martin noch von TFIGH vorschwärmte. Im Anschluss an die Bratwurst EXITS TO FREEWAYS. Hamburger treffen Hamburger. Tolle Band, das behaupte ich ja schon seit Ewigkeiten, und sie machten bei eintretender Dunkelheit auch im Rampenlicht eine gute Figur. Für eine Hauptbühne ist ihr Post-Punk-Metal-Noise-Rock-Experimentierkasten eigentlich viel zu verquer, aber auf dem La Pampa gelten andere Gesetze. Danach THE AUDIENCE in der Zeltbühne. Der ROBOCOP KRAUS-Ableger bewies nicht nur in Omas guter Stube seine Meisterkoch-Qualitäten, sondern ist auch live immer wieder ein Garant für energetischen und gleichzeitig tanzbaren New Wave mit Joe Cocker-Tanzeinlagen von Sänger Bernd.
Na gut, ich erwähnte es vorhin schon: es ist sicher unzweifelhaft, dass THE NOTWIST als Headliner des Festivals galten und für viele Besucher von außerhalb bestimmt der Anlass waren, den Weg nach Görlitz auf sich zu nehmen. Wikipedia bezeichnet sie als „eine der bedeutendsten und erfolgreichsten Bands der deutschen Independent-Szene“ und hat damit sicherlich nicht ganz unrecht. Inzwischen feiert man das zwanzigjährige Bandjubiläum, und wo andere Bands sich nach zwei Dekaden auf ihren Lorbeeren ausruhen und die Fans eh nur noch „Klassiker“ hören wollen, zeichnen sich THE NOTWIST dadurch aus, sich stets weiterentwickelt zu haben. Auch der heutige Auftritt belegte wieder, dass sie zwischen den verschiedensten Stilen hin- und herwechseln und man selbst beim Zusehen nicht so recht versteht, wer da auf der Bühne eigentlich gerade für welche Klänge verantwortlich ist. Martin Gretschmann bedient seine Sounds inzwischen per Wii, vielleicht hat er aber auch Spiele gezockt. Man weiß es nicht. Und „Gravity“ scheint sich mittlerweile als kleiner Hit entwickelt zu haben und wurde erst zum Ende des Sets gespielt. Toller Auftritt, danke, dass es Euch gibt!
Das deutsch-japanische Elektro-LoFi-Rock-Trio PITCHTUNER läutete im Zelt anschließend langsam aber sicher die Clubnight ein. Im Anschluss daran die verrückten BONAPARTE, die sich erst gegen Ende des Gigs ihrer schweißtreibenden Verkleidungen entledigten und zum Schluss als Nackedeis über die Bühne flitzten. Auch wenn ich mich musikalisch nicht so recht für die Nerds begeistern und die allgemeine Euphorie nicht ganz nachvollziehen kann: dass „Anti anti“ und „Too much“ Hits sind und ihre Show unterhaltsam ist, kann auch ich nicht abstreiten. Danach ging es mit dem Pop-8 DJ Team im Zelt oder wahlweise mit den Scapade-Brüdern an der Strandlounge weiter, uns trieb die Erschöpfung aber schon bald in die Schlafsäcke. Ein toller erster Tag, bei dem auch der zwischenzeitliche Regen bei THE NOTWIST nicht weiter störte. Und: Bierpreise von 2,50€ für den halben Liter! Da ist ja die Tanke um die Ecke fast teurer.

Tag 2. Das Wetter sieht auch heute nicht viel besser aus, aber die Vorhersage war finsterer. Mal nicht beklagen, stattdessen lieber frische Lebensmittel besorgen und Görlitz begutachten. Eine idyllische Stadt mit unzähligen Gründerzeitvillen, die zwar zu einem großen Teil aufwendig restauriert wurden, zu einem nicht unbeträchtlichen Teil jedoch auch dem Verfall gewidmet scheinen. Eigentlich wollten wir auch noch nach Polen rüber, aber nach einem Kaffee und dem Bummel über einen deutsch-polnischen Wochenmarkt trieb uns die Zeit auch schon wieder zurück zum La Pampa.
Die erste Band, die wir sahen, waren ZEBU! Habe ich nicht eben noch behauptet, dass BONAPARTE Nerds seien? Ich nehme alles zurück, seitdem ich diese beiden Herren aus Amherst, Massachusetts gesehen habe. Letztes Jahr noch in der Strandlounge zugegen, durften die beiden Wahnsinnigen diesmal auf die Hauptbühne. Dreißig Minuten zwischen Punk, Noise, Improvisation und Spielfreude. Und ein bisschen Rückbesinnung auf die guten alten Zeiten von JESUS LIZARD und Konsorten. Angeblich ist der Mann in dem schwarzen Gewand, der am Ende des Sets seine Gitarre mit einer Axt zerlegte, im wahren Leben Lehrer. Und es wurde behauptet, dass die beiden Herren im Anschluss an das Festival wieder im ehemaligen Kraftwerk nebenan, dass wie eine bedrohliche, schwarze Ruine neben dem Festivalgelände weilt, ihr neues Album aufnehmen wollten. Und dass es dort sieben Sekunden Hall gäbe.
A HEART IS AN AIRPORT klangen auf dem La Pampa Player schon ganz schön, für so einen frühen Nachmittag war mir das aber doch ein wenig zu viel Pathos-Pop. Wer aber OKKERVIL RÌVER und SLUT zu seinen Lieblingsbands zählt, könnte hier fündig werden. Gleiche subjektive Kritik geht an GARDA, die mit Streichern, akustischer Gitarre und tiefer Stimme eine orchestrale Ernsthaftigkeit kreierten, die mir auch bei SOPHIA zuletzt zu aufgesetzt erschien. Dann doch schon lieber die Tschechen mit dem merkwürdigen Namen PAVILON M2, die im Anschluss auf der Zeltbühne irgendwo zwischen RADIOHEAD, altem Indierock und komplexen Beats agierten. Kriton von EXITS TO FREEWAYS brachte es auf den Punkt: „Bei den besten Bands schaut mal wieder keiner zu.“ Gut möglich, dass das aber auch an der Sonne lag, die sich endlich blicken ließ oder an dem auf die Dauer doch etwas anstrengenden Gesang von Sejky.
Aber die Sonne hielt auch noch bis zu den GREAT BERTHOLINIS, die kurzfristig die erkrankte Clara Luzia ersetzten. Indie-Pop/Folk mit leichten Einflüssen aus osteuropäische Folklore und Klezmer, die mit ihren zahlreichen Musikern ideal für die große Bühne geeignet schien. Auch wenn sie auf myspace behaupten, aus Ungarn zu kommen und ich es ihnen fast abgenommen hätte: Das tun sie zwar nicht, aber ihre Musik sorgte bei schönen Wetter für gute Laune und Müßiggang.
Bei wieder einsetzendem Nieselregen zogen wir uns zurück zu unserem Pavillon und kehrten erst zu PORTUGAL.THE MAN wieder zurück. Dem Post-Punk entsprungen hat ihre Musik mittlerweile kaum noch etwas mit den BLOOD BROTHERS zu tun, mit denen sie zu Beginn gerne verglichen wurden. Inzwischen sind in dem einen Moment Parallelen zu CURTIS MAYFIELD zu erkennen, dann macht man einen kleinen Abstecher in progrockartige Jam-Geschichten, bedient sich am Psychedelic, dann wieder am Folk, Soul, Gospel. Grenzen scheint diese Band aus Alaska jedenfalls nicht zu kennen.
Wie auch gestern PITCHTUNER, sorgte die letzte Band im Zelt wieder für eine Einstimmung auf die anschließende Disco. POPULAR DAMAGE machten es aber auch leicht, die vom Regen genässten Klamotten wieder zu trocknen und anschließend mit Schweiß zu tränken. Das hatte was von ZOOT WOMAN und PHOENIX, von SITUATION LECLERQ, vor allem aber auch aus den Achtzigern. Und die Frau an den Synthies sah mit ihrem Cap unter dem Kapu ein wenig wie ein HipHop-Ghetto-Mädchen aus Berlin, Neukölln aus. Sweet.
Den Abschluss auf der Hauptbühne bildeten +/- (PLUS/MINUS), die einen perfekten Spagat zwischen zartem Pop à la DEATH CAB FOR CUTIE und POSTAL SERVICE auf der einen und Old School Indierock à la FLAMING LIPS auf der anderen Seite vollführten. Und dass die New Yorker bei aller Eingängigkeit äußerst komplex agieren, muss ihn erst mal jemand nachmachen.
Fazit: Die Reise nach Görlitz hat sich trotz mäßigem Wetters aus Sicht aller Beteiligten gelohnt. Das Programm hätte für Freunde des Indiepop, Postcore, Elektro und Skurrilem kaum besser sein können, und die charmante Größe des Festival mit einer Begrenzung auf 2.500 Besucher ist optimal. Hatte ich kürzlich auf dem Immergut festgestellt, das die anfängliche Begeisterung für das Festival langsam nachlässt, hat sich hier mehr als eine adäquate Alternative aufgetan. Schade, dass das La Pampa für unsere Verhältnisse so weit entfernt liegt, aber wir sind sicherlich auch 2010 wieder dabei.