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SWISS & DIE ANDERN – Große Freiheit

Der Hamburger Rapper SWISS beackert bereits seit gut zehn Jahren Mikrophone und hat in der Vergangenheit vor allem durch einen Amoklauf-Text einem Stück namens "Der letzte Schultag" für ein wenig Sturm im medialen Wasserglas gesorgt. Seit letztem Jahr tritt er nun allerdings mit einer Begleitband in Erscheinung, was zur Folge hat, dass sich der Sound vom typischen Deutschrap weg entwickelt hat und SWISS & DIE ANDERN stattdessen eine Art modernen Crossover aufbieten, der in dieser Form aktuell wohl seinesgleichen sucht. So blitzen auf "Große Freiheit" neben den obligatorischen Rock- und Punk-Einflüssen auch vereinzelte Ska-, Pop-, und NDW-Elemente auf, und mit "Der Traum ist aus" ist auch ein TON STEINE SCHERBEN-Cover vertreten. Der melancholische Titeltrack hingegen erinnert mich an die düsteren Rock-Hymnen von ERIK COHEN, ähnlich wie das Stück "Für dich kämpfen", dem der hier mitwirkende JOACHIM WITT unverkennbar seinen Stempel aufdrückt. Dass diese Vielfalt im Endeffekt unter einen Hut zu bringen ist, dürfte in erster Linie den Jungs an den Instrumenten geschuldet sein, die es wunderbar verstehen, die unterschiedlichen Stile und Stimmungen der einzelnen Lieder umzusetzen. Weniger reibungslos gehen diese ständigen Gefühlswechsel allerdings bei den Texten von SWISS vonstatten, denn obwohl diese in der Regel sehr persönlich gehalten sind, schafft es der Junge aus dem Schanzenviertel nicht, dem Hörer ein authentisches Bild seiner Perönlichkeit zu vermitteln, sondern hinterlässt einen eher ambivalenten Eindruck. Denn auf der einen Seite zeichnet er in Liedern wie "Der Scheiß is´ live", "Punk zurück" oder "Generation Tablette" das Selbstbild eines pillenschmeißenden Straßenstreuners mit Punk-Attitüde und einer konsequenten antifaschistischen Grundhaltung. Auf der anderen Seite zeigt er sich in Liedern wie "Claire" oder "Herz aus Gold" hingegen als sensibler Mensch mit adoleszenten Alltagsproblemen und einer sehr engen Familienbindung, der davon träumt, eine goldenen Schallplatte abzuräumen, um auf diese Weise seine Mutter stolz zu machen. In diesen Momenten erinnert SWISS eher an die infantile Art eines EKO FRESH als beispielsweise an eine selbstbewusste Rapper-Rampensau der Marke CASPER. Dies bleibt allerdings der einzige fade Beigeschmack eines ansonsten guten Albums, das gerade deswegen so interessant ist, weil es sich zwischen verschiedene Stühle setzt.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.