Wenn man seinen Zivildienst nicht gerade in der Behindertenbetreuung abgestattet hat oder aber Menschen mit Handicaps im nahen Bekannten- oder Verwandtenkreis wohnen, ist einem die Welt der Behinderten oft fremd. Natürlich ist auch mir Trisomie 21 ein Begriff, aber in der realen Welt, die mich alltäglich umgibt, treffe ich nur selten mit Behinderten zusammen.
Marco Hanneken, derzeit Azubi zum Veranstaltungskaufmann, nebenbei DJ im Limit und Sänger von MODUS, ist derzeit hingegen täglich mit den Musikern der Band Station 17 und weiteren Behinderten der künstlerischen Werkstatt „barner 16/alsterarbeit“ umgeben. Er arbeitet zusammen mit ihnen, musiziert mit ihnen und kümmert sich aktuell auch um das Booking und die Promotion der „Goldstein Variationen“, dem neuen Album von STATION 17, auf dem sie Kollaborationen mit namhaften Bands wie FETTES BROT, THE ROBOCOP KRAUS, GUILDO HORN, STEREO TOTAL und VON SPAR eingehen, um nur einige zu nennen. Wobei STATION 17 natürlich auch selbst keine Unbekannten mehr sind, brachten sie es mittlerweile doch schon auf sieben Studio-Alben, diverse 12“ und zu Auftritten auf dem Jazz-Festival in Moers und dem allseits bekannten Hurricane-Festival in Scheeßel. Doch live gesehen habe ich die bunt gemischte Truppe aus behinderten und nicht behinderten Musikern trotz ihres mittlerweile 20jährigen Bestehens bisher noch nicht.
Umso gespannter waren wir, wie sich ein Konzert von ihnen anfühlt. Auf Kampnagel, in der kmh, sollte die Release-Show stattfinden, und insgesamt fanden sich etwa 200 Leute zum Konzert ein. Ein sehr bunt gemischtes Publikum übrigens, bestehend aus Nicht-Behinderten, Behinderten, Punks, Lehrern, Eltern der beteiligten Musiker – fast jede Coleur schien vertreten. Auf der Bühne wechselten sich im Laufe des Abends an die 20 verschiedenen Akteure ab, allesamt in weiße Oberteile gekleidet, Behinderte und Nichtbehinderte zunächst einmal nicht voneinander zu unterscheiden. Und es folgte ein anderthalbstündiges Programm, das eine ausgewogene Mischung aus Psychedelic, (Kraut-)Rock, Elektro, kleinen Anekdoten und einem Heiratsantrag ergab. Da keine allzu feste Songstruktur vorgegeben war, wurde größtenteils gejammt, und so spielten die beteiligten Musiker (beteiligt waren dabei u.a. Mitglieder von NEU! und KRAFTWERK, SCHNEIDER TM, PETERS und SABOTEUR) sich und das Publikum immer wieder in einen wahren Klangrausch. Kommuniziert wurde auf der Bühne durch Zunicken, Anzählen oder aber ad hoc, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Doch wer jetzt das reinste Chaos vermutet, liegt vollkommen falsch. Wir hatten hingegen den Eindruck, dass die Kommunikation besser nicht hätte klappen können, abgesehen davon waren wir von der Abwechslung des musikalischen Programms und von der Spielfreude der beteiligten Musiker überrascht. Das schlug sich natürlich auch aufs Publikum nieder, und so durfte die siebzehnte Station auch nach einer halbstündigen Zugabe noch nicht die Heimreise nach Altona antreten. Ein tolles Konzert und ganz sicher nicht unser letztes. Ich danke für die Einladung!