Zuallererst muss ich mal meckern. Nämlich über dieses wandelnde Ärgernis, dass das gesamte Konzert über alle zwei Minuten an einem vorbei patrouillierte, um schön aufzupassen, dass auch ja keiner ein Foto macht. Verächtliches Kopfschütteln in den gesamten ersten drei Reihen. Und wenn man dann doch verstohlen die Digicam auspackt, fühlt man sich, als ob man jeden Moment beim Schwarzfahren erwischt wird. So wie der junge Typ in der ersten Reihe, der dann auch gleich mal herauszitiert wird. Unfassbar.
Das zweite Ärgernis war auditiver Natur und wohl dem Live-Mischer anzulasten, womit wir bei THE MOST SERENE REPUBLIC angelangt wären. Die wussten ja bereits letzten Dezember im Vorprogramm von BROKEN SOCIAL SCENE zu überzeugen. Auch heute gibt es zusammen mit den STARS wieder ein saftiges Arts&Crafts Labelpackage, das schlaflose Vorfreude bescherte. Leider wurde diese dann wie erwähnt dadurch gemindert, dass man zu Beginn so gut wie gar nichts von Adrian Jewetts Stimme zu hören bekommt. Was bleibt, ist ein hyperaktiver Frontmann, der mit weit aufgerissenen manischen Augen scheinbar viel zu wenig Raum auf der Bühne hat, die er sich immerhin mit seinen sechs Mitmusikern teilen muss. Gut, dass es mit Emma Ditchburn an der Gitarre und zweiten (fantastischen!) Stimme so etwas wie einen ruhenden Gegenpol zu Adrians hektischem Treiben gibt. Leider geht wegen der schlechten Abmischung auch die Kommunikation mit dem Publikum daneben, da es nun mal schwierig ist, euphorisch zu reagieren, wenn man partout nicht versteht, was der Typ auf der Bühne eigentlich gerade zum Besten gegeben hat. Gespielt wird ein Querschnitt aus „Underwater cinematographer“ und der brandneuen Tour-EP „Phages“. Insgesamt wirkt der Auftritt jedoch etwas chaotisch, was daran liegen könnte, dass man vor der Tour mal eben aufs Proben verzichtet hat. Führt allerdings auch dazu, dass THE MOST SERENE REPUBLIC diesmal nicht in letzter Konsequenz überzeugen können. Schade.
Ganz anders die STARS. Die Soundprobleme haben sich plötzlich in Luft aufgelöst, und auf der Bühne steht eine perfekt eingespielte Band. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Da hätten wir den Versicherungsvertreter an der Gitarre, den Freak-Drummer, das Country-Violinen-Girl, den schrulligen Dandy am Bass und Chris Seligman an den Tasten. Fehlen noch Torquil Campbell und Amy Millan, das Traumpaar im Widerhaken-Pop. Er, der Teilzeit-Schauspieler, lebt regelrecht in seinen Songs, geht fühlbar darin auf, so dass die durchlebte Emotionalität einem selbst schauerartig den Rücken runter kriecht. Sie, bewaffnet mit Gitarre, ist die distanzierte Nüchternheit, die mit ihrer minimalen Gestik und der gehaucht mädchenhaften Stimme ganz eigene und ebenso große Akzente setzt. Zusammen performen sie ihre als Pop-Perlen getarnten bittersüßen Zwischenmenschlichkeiten, dass einem fast das Herz aus der seufzenden Brust plumpsen möchte. Wenn „Calender girl“ als letzter Song sich zu seinem tosenden Finale erhebt und Torquil am Rand der Bühne ohne Mikrofon, aber trotzdem unüberhörbar voller Kraft die letzte Zeile „I’m alive!“ dem Publikum entgegenschleudert, dann kann man einfach nur noch eine Ganzkörper-Gänsehaut kriegen.
Dass so was nicht jedermanns Geschmack ist (z.B. nicht der von Kollege Burat, der dem Auftritt der STARS letzten Sommer in Hamburg nicht wirklich etwas abgewinnen konnte), ist klar. Aber ich will hier jetzt auf keinen Fall das böse Wort „Frauenmusik“ hören. Denn das hier ist kein depressiver weinerlicher Wimp-Pop, sondern ganz großes Kino. Das bestätigen bestimmt auch die zahlreichen begeisterten jungen Männer, die ebenfalls im Publikum standen.