SOCALLED – Ghettoblaster

Eine ganz neue Art von „Weltmusik“, die uns da aus Montreal mit fünfjähriger Verspätung entgegenschwappt. Ob nun jiddische Klezmermusik, klassische HipHop-Beats, Broadway-Klassiker oder Großstadtballade und Shaft-Rhythmen, SOCALLED bietet von allem etwas und pickt sich dabei die Rosinen aus dem gut durchgekneteten Musikteig. Ein bisschen so, als wäre er das lang verschwiegene Kind einer Liaison von GOGOL BORDELLO und EMINEM.
Einen Song wie „Let’s get wet“, der an Schlüpfrigkeit seinen amerikanischen Mainstreamkollegen in nichts nachsteht, unterlegt der Frankokanadier eben nicht mit stumpfem Beat à la 50 CENT, sondern Bläsersequenzen, Klezmerklängen und verdrehten Frauenstimmen. Und er kann noch ganz anders: „Slaughter on 10th Avenue“ aus dem Musical „On your toes“ spielt er mal eben solo am Piano. Mit SOCALLED tritt ein wahrer Künstler in Erscheinung, der aus allem, was ihm begegnet, Musik macht, viel Unsinn im Kopf hat (Intro von „Ich bin a border by mayn vayb“, eine jiddische Erzählung), einen enormen Plattenschrank haben muss und eine Musik bietet, die schlicht eines ist: interessant und das nicht im Sinne von „nett“.
Dass er durchaus das Ohr fürs Traditionelle hat, zeigt „Rock the belz“, wo der jiddische Sänger Theodore Bikel mit fast neunzig Jahren zu Wort kommt und sich das Mikrofon mit Sans Pression, einem aktuellen französischen Rapper, teilt. Auch das serbische Volkslied kommt nicht zu kurz.
Ist das hier HipHop, dann werde ich glatt noch Fan dieser Musikrichtung. Mal wieder ein toller Fang von Haldern Pop. „Ghettoblaster“, Album Nummer drei von SOCALLED, sollte in keinem gut sortierten DJ-Set fehlen.

Simon-Dominik Otte

Mensch. Musiker (#Nullmorphem). Schauspieler (#BUSC). Rezensent (#blueprintfanzine). Come on, @effzeh! AFP-Fan. (#Amandapalmer). Lehrer. Und überhaupt. Und so.