Die SLIME-Reunion war bekanntlich nicht ganz unumstritten. Immerhin gilt die Hamburger Deutschpunk-Institution bis heute als eine der wichtigsten und aussagekräftigsten Bands ihres Fachs, wodurch sich bei Skeptikern im Vorwege einige Fragen aufdrängten: Können die Bandmitglieder dem hart erspielten Ruf als radikalpolitische Band nach all den Jahren noch gerecht werden, ohne sich dabei selbst zu karikieren und ihren eigenen Mythos zu zerstören? Was ist aus der früheren Aussage der Band geworden, nie wieder unter ihrem alten Namen auftreten zu wollen, zumal mit Sänger Dirk und Gitarrist Elf auch nur noch zwei Leute aus der Originalbesetzung auf der Bühne stehen? Und dann war da ja auch noch zu guter Letzt dieses zwischenzeitliche Intermezzo mit dem Projekt RUBBERSLIME, das im Nachhinein den Großteil der alten SLIME-Fans auch nicht wirklich überzeugen konnte… Die Ausgangslage, unter der sich SLIME vor nunmehr knapp drei Jahren wieder zusammen taten, war also zugegebenermaßen nicht ganz einfach. Sieht man allerdings einmal von der hohen Credibility-Messlatte ab, die sich die Band mehr oder weniger selber auferlegt hat, kann der gemeine Punkrocker jedoch mit der Rückkehr der Deutschpunk-Legende durchaus zufrieden sein. Denn Fakt ist: Die Lieder von damals haben nichts an Relevanz verloren, und die Band hat sich auch in der neuen Besetzung als eingespieltes Team bewiesen und befindet sich spieltechnisch vielleicht sogar auf einem höheren Niveau als jemals zuvor. Dazu kommt noch, dass sie mit "Sich fügen heißt lügen" auch eine neue Platte vorweisen können, die zumindest streckenweise an die alten Zeiten anknüpft und denjenigen den Wind aus den Segeln nimmt, die anfangs noch rumgemault hatten, SLIME würden ja nur noch lustlos die alten Kamellen runterzocken.
All dies hat letztendlich dazu geführt, dass die Wiedervereinigung von SLIME trotz anfänglicher Skepsis mittlerweile eine breite Akzeptanz in der Punkszene erfährt. Gerade in Hamburg hat man seine Punkrock-Ziehväter nach wie vor außerordentlich lieb und sorgt stets dafür, dass an den Konzerthallen der Hansestadt regelmäßig das "Ausverkauft!"-Schild an der Tür baumelt. Dies war natürlich auch beim Knust so, einem Laden, der gerade mal 450 Zuschauer fasst. Diese machten zunächst Bekanntschaft der Supportband THE LETYOUDOWNS. Die noch recht frische Band um Promi-Tätowierer Charly Jungbluth passte mit ihrem rotzigen Punkrock samt dezentem Rockabilly-Einschlag zwar nicht wirklich zum Hauptact, machte ihre Sache aber recht gut und erntete entsprechenden Applaus.
Nicht jedermanns Sache war hingegen das pompöse Rockstarposer-Intro, zu dem sich SLIME nach einer kurzen Umbaupause auf die Bühne begaben. Als einige Augenblicke später jedoch die ersten Takte von "A.C.A.B." ertönten, gab es erwartungsgemäß kein Halten mehr. Das Publikum gierte vor allem nach alten Klassikern wie "Störtebeker", "Linke Spießer", "Alle gegen alle" oder "Legal, illegal, scheißegal" und bekamen diese auch zuhauf geboten, wurde aber zugleich mit neuen Stücken wie beispielsweise "Freiheit in Ketten" oder "Wir geben nicht nach" bedient. Von dem phänomenalen "Schweineherbst"-Album fanden neben dem Titelstück immerhin die Songs "Gewalt" und "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" ins Programm, und auch der Uralt-Song "Artificial" wurde tief unten aus der Mottenkiste gefischt. SLIME selber schienen dabei ebenso viel Spaß wie das Publikum zu haben. Sänger Dirk zeigte sich zwischen den Liedern in Plauderlaune, erzählte beispielsweise augenzwinkernderweise von seinem Rausschmiss aus dem Kommunistischen Bund in den frühen 80er Jahren aufgrund ungebührlichem Verhaltens (sprich: Bier trinken und SEX PISTOLS hören!) oder verteilte als alter Celtic-Fan schadenfrohe Seitenhiebe an den insolvenzbedingt abgestiegenen Lokalrivalen Glasgow Rangers. Nachdem zwangsläufig auch noch mit "Deutschland" der SLIME-Klassiker schlechthin gespielt wurde, wurden die Zuschauer mit der Kiez-Hymne "St. Pauli leuchtet nur hier" direkt in die anschließend stattfindende Aftershow-Party entlassen, bei der sich auch diverse Bandmitglieder noch das ein oder andere Bierchen genehmigten. Also fast alles so wie früher – nur halt ohne Karlsquell.