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S.I.G – „Wir machen gern Punkrock, trinken gerne mal ein Bierchen und haben Spaß an der Sache“

Von der österreichischen Punkrock-Szene bekommt man in Deutschland nicht allzu viel mit, doch wenn uns hin und wieder mal entsprechendes Review-Material aus unserem südlichen Nachbarland erreicht, bewegt sich dieses zumeist auf einen qualitativ ziemlich ansprechenden Niveau. So auch im Fall von S.I.G aus Graz, die melodischen Street-Punk spielen und auf dem renommierten Label SBÄM Records jüngst ihr Debütwerk „Take what you get“ herausgebracht haben. Wir haben diese Veröffentlichung zum Anlass genommen, Sänger & Gitarrist Peda per E-Mail ein paar Fragen zu stellen.

Bevor wir auf euer Album zu sprechen kommen, müsst ihr bitte zunächst mal ein Geheimnis lüften: Wofür steht die Abkürzung S.I.G?
Tja, das leidige Thema mit den Abkürzungen! Natürlich hat S.I.G für uns als Band eine Bedeutung, aber wenn es eben kein Geheimnis wäre, hätten wir es auch ausschreiben können. Aber keine Angst, du bist nicht der einzige, der sich diese Frage stellt. Sollten wir uns mal bei einem Konzert und einem Bierchen treffen, verrate ich es dir. Versprochen!

Ihr habt euch erst vor vier Jahren gegründet, ich nehme jedoch an, dass ihr vorher bereits in anderen Bands aktiv wart. Klärt uns doch bitte einmal auf, mit welchen Formationen ihr vorher bereits in Erscheinung getreten seid!
Um es genau zu nehmen, gibt es uns ohne Schlagzeuger eigentlich schon einige Jahre länger. Doch erst 2016 fanden wir den passenden Mann an den Drums, und auch von da an begannen wir Konzerte zu spielen. Davor wurde nur eifrig geprobt. Kurze Vorstellungsrunde: Schmiedi (Vocals/Leadgitarre), Hauns (Bass), Dave (Schlagzeug), Peda (Vocals/Rhythmusgitarre).
Hauns und ich waren in Jugendjahren mit Freunden unseres Heimatdörfchens in einer Band namens BAIT BUSTERS. Heute sind wir auch langjährige Bandkollegen in Österreichs längstdienender Streetpunkband (das wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für ein weiteres Interview…). David war in diversen Pop-Gruppierungen tätig und spielt auch heute noch bei der Grazer Band PANDORAS KLEINE SCHWESTER. Schmiedi ist der einzige ohne jegliche Nebenaktivität. Kaum zu glauben, und auch, wenn ich es ihm niemals sagen würde, ich mag seine Riffs, und seine Stimme geht ins Ohr.

Euer Debüt-Album „Take what you get“ ist auf dem österreichischen Label SBÄM Records erschienen. Dieses ist normalerweise eher für kalifornisch geprägten Skate- und Pop-Punk bekannt und hat Bands wie GET DEAD, CONSUMED, THE BOMBPOPS oder NOT ON TOUR unter ihren Fittichen. Da fallt ihr mit eurem melodischen Streetpunk ein wenig aus dem Raster. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit dem Label ergeben, und wie fühlt ihr euch in eurer Exoten-Rolle?
Erst mal nehme ich es als Kompliment, dass du unsere Musik als melodischen Streetpunk bezeichnest. Darauf haben wir nicht abgezielt – es zu hören, tut jedoch gut! Als dieses Album entstand, habe ich Stefan (SBÄM) einfach mal angeschrieben und vorsichtig gefragt, wie er unsere bis dahin aufgenommenen Tracks findet, und was wir tun müssen, um in seinem Boot (mittlerweile ist es ja ein Schiff mit vielen großartigen Bands) mitfahren zu dürfen. Da Stefan und sein Team immer wieder auch die heimische Szene supporten und er unsere Musik wohl auch gut fand, hat er uns einen Deal vorgeschlagen. Etliche Mails und ein paar Telefonate später war sie da, unsere erste Platte, auf einem geilen Label. Wir haben nicht das Gefühl, in der Exotenrolle zu stecken. Wir machen gern Punkrock, trinken gerne mal ein Bierchen und haben Spaß an der Sache – das verbindet uns doch alle!

Eine Besonderheit auf „Take what you get“ ist, dass ihr neben englischen Stücken auch einige Lieder mit deutschen Texten habt. War das von Anfang an so geplant, oder hat sich das eher zufällig so ergeben? Und in welcher Sprache ist es eurer Meinung nach leichter, Texte zu verfassen?
Wie ich schon erwähnt habe, spielen wir zu dritt schon beinahe seit unserer Jugend zusammen. Daher gibt es auch den einen oder anderen Song, der ebenfalls so lange besteht und über die Jahre einfach immer etwas verändert bzw. adaptiert wurde. Schmiedi und ich schreiben die Texte so, wie sie kommen – viele werden es kennen – man setzt sich hin, hat eine Idee, vielleicht eine Melodie im Ohr und möchte zu einem gewissen Thema Stellung beziehen oder einfach etwas loswerden. Das eine Mal in Englisch, das andere Mal in Deutsch. Ist wahrscheinlich nicht die Frage, was einem einfacher fällt, sondern in welcher Stimmung man sich gerade befindet bzw. was der jeweilige Song ausdrücken soll.

Bei uns in Deutschland gibt es bereits seit Mitte der 90er Jahre eine mal mehr, mal weniger intensiv geführte Debatte zum Thema „Grauzonen-Bands“, die naturgemäß überwiegend Bands aus den traditionell Skinhead-nahen Bereichen Streetpunk, Oi! und Deutschrock betrifft. Finden diese Diskussionen in ähnlicher Form auch bei euch in Österreich statt, oder ist bei euch die Szene generell etwas unpolitischer? Wie ist eure eigene Position zu diesem Thema?
Zugegeben, wir sind nicht die politischste Band, aber natürlich verfolgen wir diese Thematik sehr aufmerksam. Egal, ob in Deutschland, Österreich oder anderswo auf der Welt – Rassismus, Faschismus und Antisemitismus sollte keinen Millimeter Platz gewährt werden. Gerade unsere jüngsten Entscheidungsträger, die sich ja glücklicherweise allesamt (mehr oder weniger – H.C. ist auf Ibiza angeblich immer noch am feiern (Anm.: Gemeint ist der frühere rechte Vizekanzler Hein-Christian Strache, der durch die sogenannte „Ibiza-Affäre“ den Bruch der Regierungskoalition zwischen ÖVP und FPÖ herbeigeführt hat)) in Luft aufgelöst haben, bekleckerten unsere Republik ja nicht gerade mit Ruhm. Aber auch die aktuelle Regierungsriege lässt unter anderem in der Integrationspolitik sehr viele Fragen offen bzw. ungelöst. Diesem ganzen Thema haben wir mit „Cause of you“ auch einen Song gewidmet.

In eurem Song „D.I.Y.“ ruft ihr quasi dazu auf, sich selber Freiräume zu schaffen. Vor allem die Punk-Szene profitiert ja seit jeher von selbst verwalteten Strukturen, bzw. könnte ohne diese in ihrer gewohnten Form überhaupt nicht existieren. Durch die aktuelle COVID-19-Situation sind aber viele alternative Projekte in ihrer Existenz gefährdet, da sie im Gegensatz zu kommerziellen Clubs auf keinerlei staatliche Unterstützung hoffen können, beziehungsweise diese auch gar nicht in Anspruch nehmen würden, da es ihrem Selbstverständnis widerstrebt. Wie bedrohlich schätzt ihr die aktuelle Situation für die Szene in Österreich ein? Gab es bereits alternative Läden und Projekte, die in den letzten Monaten die Segel streichen mussten?
Alles in allem ist die ganze Situation natürlich ein Riesendesaster. Viele Clubs und Veranstalter kämpfen ums Überleben und versuchen, sich in welcher Form auch immer über Wasser zu halten. Sei es, Konzerte in eingeschränkter Form durchzuziehen oder mit Soli-Projekten die monatliche Miete zusammenzubekommen. Ja, ich kenne einen Club der dichtgemacht hat, und auch Privatpersonen, die diese Situation gezwungen hat, klein beizugeben. Bleibt zu hoffen, dass alles so rasch wie möglich zur Normalität zurückkehrt.

Auch auf Bands hat die aktuelle Pandemie-bedingte Ausnahmesituation natürlich immense Auswirkungen. In unserem Interview mit PROTOMARTYR sagte deren Sänger Joe Casey im Hinblick auf ihre aktuelle Veröffentlichung, es fühle sich so an, als ob man ein Album herausbringt und es sofort in den Müll schmeißt. Empfindet ihr das ähnlich, oder steht ihr der Situation etwas positiver gegenüber?
Da hat er im Ansatz vielleicht Recht, ganz so schlimm empfinden wir es allerdings nicht! Wir haben die Lage natürlich gemeinsam durchgekaut und überlegt, ob es momentan sinnvoll ist (auch als junge und kleine Kapelle, die kaum jemand kennt), ein Album zu veröffentlichen. Der Entschluss kam, es durchzuziehen – unsere Songs waren und sind reif, auch von anderen als von uns und unseren engen Freunden gehört zu werden. Es hätte uns zermürbt, sie fertig produziert und Corona abwartend neben uns am Nachttisch liegen zu haben. Nebenbei hatten wir einen Handschlag-Deal mit SBÄM – so etwas bekommt man als unbekannte Band nicht jeden Tag. Wir hatten also auch was zurückzugeben!

An dieser Stelle vielen Dank für das Interview! Gibt es abschließend noch etwas, das ihr unseren LeserInnen mitteilen möchtet?
Erstmal danke, Bernd, für das Interview und dass du dir die Zeit für uns genommen hast. Sollte da draußen jemand dabei sein, der auf (gelbes) Vinyl steht: am besten direkt bei uns melden oder über SBÄM Records nachfragen! Einige wenige Exemplare sind noch zu haben. Womöglich gibt es heuer noch ein, zwei Konzerte – nächstes Jahr sollte eine offizielle Release-Tour folgen. Ich hoffe, ihr habt Spaß mit unseren Songs! Bleibt dran, wir sehen/hören uns!!

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.