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SHEARWATER – Palo santo

Ursprünglich gedacht als Sidekick von OKKERVIL RIVER, gründeten Jonathan Meiburg und Will Sheff 2001 SHEARWATER, um ihre Vorliebe für ruhigere Songs auszuleben. Nur hat der Wonneproppen inzwischen laufen gelernt, Freunde gefunden und seinen eigenen Kopf durchgesetzt. Fünf Jahre und drei Alben später sind sie nun bei „Palo santo“ und sich selbst angekommen. Um es gleich einmal vorweg zu nehmen, mit diesem Album ist SHEARWATER ein kleiner Meilenstein des emotional durchgeschüttelten Aufruhrs im melodietrunkenen, gar nicht so ruhigen Behutsam-Pop gelungen.
Man sollte sich aber Zeit nehmen und nicht nur flüchtig vorbei hören, sonst erschließt sich einem diese schier unendliche Detailfülle nicht. Andererseits lässt einem dieses Album auch gar keine Wahl, als alles beiseite zu legen, um in der Musik zu versinken. Da beginnt „La dame et la licorne“ mit Hintergrundrauschen und einer verhaltenen Pianomelodie, die sich so unwiderstehlich aufbaut und mit Meiburgs eindringlicher Stimme verbündet, die sich immer höher schraubt und schließlich droht, umzukippen, dass man fast hemmungslos in Tränen ausbrechen möchte. Aber nicht, weil das hier todtraurig wäre. Nein, da gibt es reichlich blau zwischen den Wolkenfetzen. Überhaupt lebt „Palo santo“ zwischen an frühere Zeiten gemahnende, wärmende Folk-Pickings wie dem entrückten Titelsong und aufrüttelnden Semi-Attacken. „Hail, Mary“ lässt dich gar in einem Distortion-Gewitter zurück, ohne sich in eine versöhnliche Auflösung zu ergeben. Mag daran liegen, dass Jonathan Meiburg diesmal hauptverantwortlich das Songwriting übernommen hat, SHEARWATER somit immer mehr sein Baby wird, während Will Sheff sich weiterhin um OKKERVIL RIVER kümmert. Soll uns recht sein, bleibt mehr für den versonnenen Hörer.
Eine weitere Eigenheit von „Palo santo“ ist die ungemeine Assoziationsdichte. Sei es Meiburgs einnehmende Stimme oder die rastlosen Strukturen seiner Songs – unablässig schwirren einem Vergleiche durch den Kopf, die aber nie zu direkt oder auch nur genannt werden wollen. Vielleicht fühlt man sich auch deshalb so wohl in diesem kleinen ganz großen Album. Fantastisch.