Ihr möchtet gerne in einer coolen Band spielen, wollt aber auch nicht nur eine männliche Zielgruppe haben, die etwa doppelt so alt ist wie ihr selbst? Des Rätsels Lösung: Balladen! Natürlich nicht im Stil von „Nothing else matters“, sondern in einer rauen Schale verpackt.
Dass das klappen kann, haben zuletzt unter anderem FONTAINES D.C. auf ihrem letzten Album mit „Jackie down the line“ und „I love you“ (kein Scherz!) bewiesen. Auch SHAME wagen diesen Versuch. Vielleicht nicht ganz so offensichtlich, aber „Orchid“ betritt mit seiner Akustikgitarre (und mit einer gewissen JOY DIVISION-Referenz) ziemlich neue Gefilde. Wenn ich mich nicht vertue, hört man im Hintergrund sogar dezent noch ein Klavier. Auch andere Stücke, wie „Adderall“, „All the people“ und „Different person“ klingen ungewöhnlich ruhig, verdecken das Balladeske aber durch verstimmte Gitarren, Hafenkneipen-Chöre, überraschende Disharmonien und andere ausgefallene Ideen. Apropos ausgefallene Ideen: wer hätte den Londonern jemals den Einsatz von Wah-Wahs und Bikerrock-ähnlichen Gitarrenriffs zugetraut? Darf man das überhaupt? Den Londonern ist so eine Frage schnuppe. Sie machen’s einfach! Auch die schiefen Gitarrenklänge im Opener „Fingers of steel“ sind anfangs sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, täuschen aber nur kurzfristig darüber hinweg, dass es sich bei diesem Song um einen ziemlich eingängigen Hit handelt.
Insgesamt bleibt „Food for worms“ sicherlich das abwechslungsreichste Album von SHAME, das mit den Anfängen im Post-Rock und Noiserock nur noch bedingt zu tun hat. Das ist einerseits schade, andererseits ist die ständige Weiterentwicklung der Londoner aber auch anerkennenswert. Von Beginn an eingängig ist ihr drittes Album sicherlich nicht, wächst aber mit jedem Hördurchgang. Und mit der Devise „Never change a running system“ können sich ja gerne die anderen Bands befassen.