In der Veranstaltungsbranche kennt man eigentlich nur die Hochverlegung von Konzerten, wenn die Vorverkäufe durch die Decke gehen, oder komplette Tourabsagen, wenn es gegenteilig läuft. Dass ein Konzert downgegradet wird, passiert eher selten. Wahrscheinlich zu unvorteilhaft für die Promotion. Im Falle von SHAME, wo eine Verlegung von der großen Markthalle ins enge Molotow erfolgte, dürfte das die meisten Fans aber erfreut haben. Vielleicht hatte man mit der Markthalle doch ein wenig zu hoch gepokert, vielleicht waren die Ticketpreis mit 39€ im Vorverkauf doch etwas zu hoch. Aber ein kleiner Club wie das Molotow passt zu einer Post-Punk/Noise-Band wie SHAME eh tausendmal besser als eine Halle mit hoher Bühne und einer Kapazität von 1.000 Zuschauern.
Als Support durfte das HipHop-Duo THEY HATE CHANGE aus Florida schon mal die Stimmung anheizen. Man mag sich wundern, wie man auf die Idee kommt, HipHop mit Post-Punk zu kombinieren, aber THEY HATE CHANGE brachen gerne mit den üblichen Genregrenzen. Hier war genauso gut Jungle, Dubsteb und Drum ‘n‘ Bass auszumachen, vielleicht sogar einzelne Psychedelic-Momente. In der Summe sehr eigenständig und eher radikal als zurückgelehnt.
Das passt zu SHAME wie Faust auf Auge, schließlich kommen auch die Briten eher konfrontativ rüber, allen voran Sänger Charlie Steen, der sich gerne seiner Oberbekleidung entledigt und mit großer Schnauze den Londoner Vorstadtproll mimt. Das Bild, das sich mir seit dem Reeperbahnfestival 2016 eingebrannt hatte, als sie zum ersten Mal in Hamburg auftraten und bereits zur Mittagszeit für ordentlich Furore sorgten, hatte nach wie vor in meiner Wahrnehmung Bestand.
Doch die Band ist in der Zwischenzeit gereift, hat es auf drei reguläre Alben und mehr als 500 Konzerte gebracht und sich in Sachen Bühnenpräsenz und Live-Qualität merklich weiterentwickelt. Da blieb das Hemd von Charlie zur Abwechslung auch mal an, ohne dass die Performance an Dringlichkeit einbüßte. Es hatte eher etwas von Abgeklärtheit, passend dazu hat seine Stimme auch an Resonanz gewonnen. Überhaupt die Stimmen: ich habe selten ein raues Punkrockkonzert erlebt, wo die Mehrstimmigkeit so perfekt saß und gleichzeitig eher den Charme einer Hafenkneipe als einer Studioperformance versprühte. Dazu der druckvolle Bass-Sound, die filigranen Gitarren, alles zusammengehalten von Charlie Forbes‘ abwechslungsreichem Schlagzeugspiel. Die gute Performance auf der Bühne wurde vom Publikum entsprechend honoriert. Wer schubsen wollte, fand seinen Platz in den ersten zehn Reihen, weiter hinten ging es etwas gemäßigter, aber keineswegs ruhig zu – perfekte Bedingungen im gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Molotow. Zum Ende ihres Sets gab es noch ihren kleinen Hit „One rizla“, mit dem die ganze Story für die fünf Jungs aus South London ihren Start nahm. Ein toller Abend, gerne bald wieder! Am liebsten natürlich im Molotow!