SANKT OTTEN – Wunden gibt es immer wieder

„Wer sich schneller entspannt, ist besser als jemand, der sich nicht so schnell entspannt, der aber immer noch besser ist als jemand, der sich überhaupt nicht entspannt und verdientermaßen verdientermaßen unentspannt ist. Da kann man nichts machen.“ Fällt mir ein. PETER LICHT sang das. Warum mir das einfällt? Weil im myspace-Profil von SANKT OTTEN unter anderem das Wort „Ambient“ steht. Angesichts dessen ich wohl eindeutig zu den Unentspannten gehöre. Oder aber die richtigen Platten nie zu Gehör bekommen habe. Wie diese zum Beispiel.
Für dieses Album sollte man sich Zeit nehmen und zwar ganz genau so lange, wie es dauert und sämtliche Nebenbeschäftigungen beiseite legen. Denn die Musik von Stephan Otten und Oliver Klemm, der seine Brötchen ansonsten als Gitarrist von PENDIKEL verdient, braucht ungeteilte Aufmerksamkeit.
Und ja, Ambient ist schon eines der ersten Worte, die einem in den Sinn kämen, selbst wenn man es auf ihrem Profil nicht längst gelesen hätte. Da breiten sich groß angelegte Flächen aus, da ist viel Sound und noch mehr Raum und das alles ohne Ausnahme in einem sehr moderaten Tempo. Schlimmste Befürchtungen hatte ich noch nach dem ersten Hören ihrer „Taschensyphonie“, dass dies für meinen Geschmack zu sehr ins Esoterische abfällt. Tut es aber nicht, denn schon beim starken zweiten Stück, dem Titellied, gesellen sich zu den genannten Flächen ein entspannter Beat, verhaltene Gitarrenklänge und eine wunderbare Streichermelodie. Spätestens hier fällt auf, mit wie viel Liebe und Umsicht Stephan Otten seine Sounds auswählt. „Festplattenliebling“ beginnt mit verstimmten Piano-Klängen, und das anschließende „Der Groove des guten Gewissens“ ist ein düsterer, aber wunderschöner Elektro-Track, mein liebster auf diesem Album. „Auf Sünde folgt Strafe“ ist ein weiterer Höhepunkt, ein jazzig angehauchtes Stück mit lockerer, von Besen gestreichelter Snarefigur und mit einer Ruhe vorgetragen, die man auch dem KAMMERFLIMMER KOLLEKTIEF häufiger wünschen würde.
Ein Schwachpunkt des Albums ist nach meiner Ansicht das Schlussstück „Stille Wasser“, das zwar seinem Namen gerecht wird, aber mit einer derart kitschigen Gitarre daher kommt, dass es mir beim Hören ein enges Gefühl in der Brust verursacht. Ebenso verhält es sich bei „Mit guter Laune ins Elysium“, dem ich mir auch nach dem siebten oder achten Hördurchgang einfach nichts abgewinnen kann. Alles in allem ist „Wunden gibt es immer wieder“ ein gutes Stück Kunst geworden, dem es gelingt, mit minimalen, aber geschickt eingesetzten Mitteln verschiedenste Stimmungen zu transportieren. Schade, dass es bislang lediglich als Download, wenn auch zu einem sehr fairen Preis, zu haben ist. Eine Vinyl-Version wird aber wohl sehr bald folgen. Ich halte euch auf dem Laufenden. Und schließlich wäre da auch noch die Frage zu klären, wie denn diese Band zu einem australischen Plattenlabel kommt.