Es gibt gewisse Meldungen, die verbreiten sich einfach wie ein Lauffeuer. So war es auch, als SAMIAM ein neues Studioalbum ankündigten. Bei myspace.com haben die beiden neuen Stücke jeweils immerhin schon über 16.000 Plays erreicht. Im September erscheint „Whatever’s got you down“ bei Burning Heart, und vorab kommen die Jungs für die Sally’s Sound Festivals für wenige Konzerte nach Deutschland. Grund genug, vorab mit Sergie ein Interview zu führen, wie es zu der Reunion kam.
[F]Was war der Hauptgrund, weshalb ihr euch entschlossen habt, nach „Astray“ jetzt doch wieder ein neues Studioalbum zu machen?
[A]Es gab keinen wirklichen Grund, außer dass wir wieder zusammen spielen wollten und gemeinsam Spaß haben. Die anderen haben mich schon seit der letzten Tour gefragt, ob ich nicht Lust dazu hätte, aber ich wollte eigentlich ein zweites SOLEA-Album machen. Als es dort dann Probleme gab und ich die Zeit hatte, habe ich gedacht, solange es sich richtig anfühlt und jeder etwas zum Album beiträgt, so dass es ein gutes Album wird – warum nicht!? Über Monate hin haben wir viele Songs geschrieben, und alles fügte sich irgendwie zusammen. Knapp ein Jahr später haben wir jetzt ein Album, auf das wir richtig stolz sind, und das den früheren Releases in nichts nachsteht.
[F]War es einer von euch, der mit den Ideen zu den Songs die anderen anrief und dann in den Proberaum kam, oder war das Sondwriting ein gemeinsamer Prozess, der erst nach den ersten Proben begann?
[A]Ein wenig von beidem. Auf der CD werden zwölf Songs sein, aber wir haben etwa 21 Stücke geschrieben. Viele wurden auch gar nicht fertig, weil sie sich nicht gut anfühlten. Als wir ins Studio gingen, hatten wir letztendlich 16 Songs, die wir aufnehmen wollten. Wegen zeitlicher Beschränkungen schafften wir dann zwölf, die auch auf die Platte kamen und einen Cover-Song, der vermutlich als iTunes-Bonus enden wird. Das Cover ist von dem ZOMBIES-Song „this will be our year“.
[F]Ist es nicht ein gewissen Risiko, jetzt nach all den Jahren noch einmal zurückzukommen, wo jeder euch bisher nur in guter Erinnerung behalten hat und die alten Sachen vergöttert?
[A]Ich verstehe die Frage nicht ganz, aber es ist eigentlich kein Risiko für uns. Wir schreiben Songs, nehmen diese auf und performen sie live. Wir haben keine Kontrolle, was unsere Fans denken und hoffen einfach nur, dass die alten Fans unsere neue CD mögen werden.
Wenn deine Fragen darauf abzielt, dass sie unsere neuen Songs ablehnen, kann ich dazu nur sagen, dass, wenn man Musik nur macht, um die Erwartungen anderer zu erfüllen, dann kann man es zu nichts Wichtigem bringen. Klar, man wird mehr Platten verkaufen, wenn du den Sound machst, der gerade angesagt ist, sich z.B. einfach anhört wie FRANZ FERDINAND. Aber wenn ich in einer Band wäre, um Geld zu verdienen, wäre ich ein Idiot. Man kann so viel mehr Geld mit weniger Arbeit verdienen, wenn ich zu Hause als Grafik-Designer arbeite.
[F]Warum habt ihr euch erneut für Burning Heart entschieden?
[A]Sie waren sehr gut zu uns, und wir respektieren, was Burning Heart und Epitaph für uns getan haben. Natürlich hätten wir auch ein Demo machen können und schauen, welches Label uns will, aber an so etwas haben wir nie wirklich gedacht. Auch wenn ich mich wiederhole: wir wollen nicht haufenweise Geld mit unserer Musik verdienen und denken auch nicht, dass ein Label uns plötzlich zu Pop-Stars machen könnte. Das ist ein sinnloses Konzept.. Ich kann nur für mich sagen, dass ich nicht mehr an einer Karriere im Musik-Business interessiert bin.
[F]Was erwartet ihr von den Sally’s Sound Shows, die ihr mit BILLY TALENT und THE SUBWAYS spielen werdet? Viele Leute dort werden euch nicht mal kennen.
[A]In Hamburg, Berlin und Köln läuft es für uns eigentlich immer sehr gut, ich denke also, auch wenn viele sich nicht für uns interessieren, einige werden es tun. Und wenn nicht, können wir immer noch unsere Songs spielen und eine Menge Spaß haben. In einer Band zu sein, für die sich keiner interessiert, ist für uns nichts Neues, das geht uns schon seit Jahren so. Wenn wir im Oktober für eine Headliner-Tour zurückkommen, dann sieht die Sache natürlich anders aus. Da kommen Leute, die uns kennen und mögen, und das ist dann natürlich deutlich interessanter.
[F]Wenn du Bands siehst, die aus einem vermeintlichen Indie-Umfeld plötzlich die Charts stürmen, denkst du dann daran, auch solch ein Leben zu leben, nur für Musik und Touren?
[A]Nicht wirklich. Als SAMIAM damals in den 90ern bekannter wurde, war die Band Arbeit und kein Spaß mehr. Es war natürlich immer noch sehr viel Spaß, aber plötzlich auch Geld und der Druck, Geld zu verdienen und berühmt zu werden. Druck ist kein Spaß, besonders in der Musikindustrie. Eine Band kann heute das größte Ding sein und in drei Jahren komplett vergessen. Ich könnte so viele Bands nennen, die 2003 groß waren und heute komplett vergessen sind… Das ist einfach zu hart und stressig, damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Musik machen, ist auch nicht gerade die intellektuell befriedigendste Karriere… Man hängt in Kneipen mit Betrunkenen rum. Manchmal ist es einfach schön, zu 100% von der Rock-Musik entfernt zu sein.
[F]Wie schwer fällt es dir heute, Freunde und Familie für eine Tour zurück zu lassen? Wie hat sich dein Leben in dieser Hinsicht in den letzten Jahren geändert?
[A]Ich hab keine Frau und auch keine Kinder, also ist mein Leben in dieser Hinsicht nicht viel anders als mit 22. Der größte Unterschied ist, dass ich ein Haus habe und etwas Geld, und ich bin nicht mehr so unzufrieden mit mir und meinem Platz in der Welt. Ich will damit nicht sagen, dass ich jetzt alles im Lot habe, jetzt, da ich ein alter Mann bin. Ich bin nur einfach viel entspannter über meine Fehler und nicht erreichten Ziele im Leben. Ich glaube, für Menschen mit Frauen und Kinder ist es da schlimmer, besonders dann, wenn sie sich beschweren, dass du weg bist. Ich streite mich während einer Tour dann mit meiner Freundin, wenn ich zu der Zeit eine habe. Es wäre so viel schlimmer, wenn man verheiratet wäre.
[F]Wird es im Herbst eine große Tour durch Europa geben?
[A]Ja, auf jeden Fall im Oktober/ November zusammen mit THE DRAFT, die ja 3/4 von HOT WATER MUSIC sind. Wie ich schon gesagt habe, ich freue mich sehr darauf. Aber ich freue mich auch sehr, Japan und Südamerika zu betouren. Wir werden auch ein wenig in den USA spielen, aber ich bin nicht wirklich davon begeistert, irgendwo mehr als drei Wochen am Stück zu spielen. Es ist irgendwie so furchtbar langweilig, einen Monat durch Amerika zu touren, was wir die letzten 16 Jahre immer wieder und wieder und wieder getan haben.