10 Jahre Reeperbahn-Festival – Zeit für einen kleinen persönlichen Rückblick. Was hat sich in den Jahren bei dem Hamburger Club-Festival geändert? Was ist neu, was hat sich verbessert? Oder war früher sowieso alles besser? Was ist dran an Aussagen wie „Bei den guten Bands kommt man eh nie rein“, „Dort spielen ja nur Singer/Songwriter und Synthie-Bands“ oder „Ich kenne da so gut wie keine Band“?
Ich war seit 2006 tatsächlich jedes Mal dabei, nur in einem Jahr habe ich nur einen einzelnen Tag mitbekommen. Man kann mich also durchaus als erfahrenen Reeperbahn-Festival-Gänger bezeichnen. Verglichen mit dem Beginn, als an drei Tagen noch weniger als 100 Bands spielten, ist das Festival im Laufe der Jahre erheblich gewachsen. Dieses Jahr spielten insgesamt 352 Bands, einige von ihnen auch mehrfach. Inzwischen kann man sich zum Teil also aussuchen, ob man eine Band lieber nachmittags in intimer Atmosphäre oder abends auf der großen Bühne sehen möchte. Dies ist auch dann hilfreich, wenn es zu Überschneidungen im persönlichen Timetable kommt. Denn wenn der Veranstalter eines in den Jahren dazugelernt hat: penibel auf die Pünktlichkeit im Programm achten! Dafür wurden inzwischen sogenannte „Stage-Manager“ abgeordnet, denn nichts ist ärgerlicher, als wenn man zu einem Club hetzt, um dort noch eine Dreiviertelstunde zu warten, weil die Band vorher überzogen hat. Aber wie ich gerade in unserem Bericht aus dem Jahre 2007 las, wurde bereits im zweiten Jahr sehr genau auf die Einhaltung der Stage Times geachtet.
Entsprechend der Vergrößerung des Programms sind im Laufe der Jahre auch ständig neue Clubs hinzugekommen, wobei die Macher das Festival immer mehr auf zwei Hotspots konzentrierten: a) die Reeperbahn und b) die Umgebung ums Knust und den Feldbunker. Locations wie der neu hinzugekommene Hamburger Michel bilden die Ausnahme, während entfernter gelegene Plattenläden wie Saturn und Michelle vorrangig nachmittags bespielt wurden.
Im Laufe der Jahre wurde das Reeperbahn-Festival zudem programmatisch um die Bereiche Kunst, Literatur und vor allem Networking erweitert. Letzteres ist vor allem für die Leute interessant, die im Bereich Musik ihr Geld verdienen, um sich untereinander auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen. Dies ist naheliegend, wenn an einem Wochenende in Hamburg Tausende Leute aus der Branche anwesend sind, um neue Bands zu entdecken, ihre Acts zu präsentieren, zu diskutieren und zu überlegen, was die Zukunft mit sich bringt. Setzen wir weiterhin auf MP3s und Streaming-Dienste, oder kehren alte Medien wie Vinyl und Tapes zurück?
Der Konferenz-Bereich ist für den normalen Festivalgänger allerdings verschlossen, außer er ist bereit, noch mal bis zu 255€ zusätzlich auf den Tisch zu legen. Aber man muss gestehen: für den durchschnittlichen Musikliebhaber ist dieser Bereich auch nur bedingt spannend.
Bevor wir zum diesjährigen Festival kommen, hier noch mal eine persönliche Einschätzung zu den Gerüchten:
a) Wenn man rechtzeitig da ist, kommt man überall rein. Man sollte nur ein Gespür dafür entwickeln, bei welchen Bands es voll werden könnte und wer noch vollkommen unbekannt ist. Ein kleiner Tipp am Rande: geht am Mittwoch oder Donnerstag zu Rays Reeperbahn-Revue! Da muss man sich noch nicht so früh vor Schmidt´s Theater anstellen, während die Schlange am Wochenende schon eine Stunde vor Beginn bis zur Davidswache reicht.
b) Auch wenn 2015 tatsächlich viele Bands aus den Sparten Folk, Singer/Songwriter und Electronica dabei waren, gibt es mittlerweile für so ziemlich jeden Geschmack etwas zu finden. Wobei auch ich nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn die Sparten Postcore, Punk und Hardcore zukünftig etwas stärker vertreten wären.
c) Entweder Ihr hört Euch durch das gesamte Programm (was ich wirklich empfehlen kann, gerade wenn Ihr Lust habt, neue Bands zu entdecken), Ihr lasst Euch treiben, geht zu den Bands, die ihr kennt und mögt oder Ihr hängt Euch an jemanden dran, der sein Timetable bis ins letzte Detail ausgefeilt hat.
Mittwoch
Der erste Tag begann für mich sehr entspannt zur Primetime. ABBY spielten bereits vor zwei Jahren auf dem Reeperbahn-Festival, damals im Imperial-Theater. Ich erinnere mich an die ewig lange Schlange, die mich dazu veranlasste, eine andere Band zu gucken. Aber ins Mojo passen etwa dreimal so viele Zuschauer, und die Berliner Jungs schafften es ohne Probleme, auch diesen Club ziemlich gut zu füllen. Jedoch beschlich mich das Gefühl, das mich auch bei einem Konzert von HALF MOON RUN überkam: die Singles sind spannend, der Rest ist gefälliger Poprock. Man muss der Band zugute halten, dass sie mit Cello, Gitarren, Synthies und Drums für eine ungewöhnliche Instrumentierung sorgen, aber insgesamt ordnet sich die Musik doch zu sehr dem ausdrucksstarken Gesang von Sänger Filou unter.
LYLIT im Jazz Café nebenan versprach großen Pop, arbeitete zuvor bereits mit Bands wie BLUMENTOF zusammen, war nun aber mit ihrem Solowerk unterwegs. Die klassische Musikausbildung hörte man dem souligen Gesang durchaus an, die Songs plätscherten allerdings relativ belanglos an mir vorbei.
Also rüber ins Kukuun, zu finden im neu eröffneten Klubhaus St. Pauli. Deshalb wohl auch die roten Teppiche und unzähligen Kameras. Die galten gar nicht mir. Das Klubhaus ist im wahrsten Sinne des Wortes ein neumodischer Partytempel mit sechs Clubs und einem Theater unter einem Dach – wahrscheinlich ein Vorgeschmack auf das, was dank der Bayerischen Hausbau zwischen Operettenhaus und der ehemaligen Esso-Tanke noch folgen wird.
Das Kukuun selbst ist einer der dort beheimateten Clubs mit dem Charme einer sporadisch eingerichten Loft im schlichten Weiß, das zugehörige Tresenpersonal trug merkwürdige schwarze Uniformen. Auch wenn der Wohlfühlfaktor anscheinend noch in einem der Umzugkartons steckte, kehrten wir aufgrund der guten Bands mehrfach zurück und genossen den Blick vom Balkon über den Spielbudenplatz. Heute Abend spielte hier MARTIN KOHLSTEDT, den ich vor einigen Jahren schon mal in der Astrastube gesehen hatte. Sein Set hat er allerdings inzwischen ereitert: wenn KOHLSTEDT vom Flügel an die Rhodes wechselte, folgte auch ein stilistischer Wandel. Dort wurden Sounds geloopt, die anschließend als elektronisches Element fungierten, bevor er wieder zurück an den Flügel wechselte und dies mit Modern Classic zusammenbrachte. Toll! Ich wäre gerne länger geblieben, aber das Molotow rief, weil im kleinen Karatekeller ein Rapper aus Slowenien spielte. Doch war ich hier richtig? Der Bühnenaufbau ähnelte eher einem Versuchslabor mit medizinischen Apparaturen aus der Vergangenheit. Spätestens als N´TOKO die Bühne betrat, aus den Geräten seine Sounds entlockte und die Operationsleuchten als Strobo-Ersatz dienten, fühlte ich mich an Dr. Jekyll & Mr. Hyde erinnert. Dazu rappte N´TOKO teils auf slowenisch, teils auf englisch, wobei ich mich fragte, wieso ein Slowene so akzentfrei und schnell im Stil eines 80er Ami-HipHoppers rappen konnte. Die Auflösung folgte bald: Er sei in den USA aufgewachsen, bevor er wieder in seine Heimat zurückkehrte. Toller Auftritt, in dem er auch den aufkeimenden Rechtsextremismus gegenüber der Flüchtlingskrise in seiner Heimat anprangerte.
Weil die U-Bahnen an Wochentagen nicht durchfahren, machte ich mich auf den Weg zur U3, schaute aber zwischendurch noch in Angie´s Nightclub, wo SOMEDAY JACOB für die passende Musik zum Ausklang des Abends sorgten. Mit unspektakulärem Folkrock mit Americana-Einflüssen schaffte die Band aus Hamburg und Bremen eine wohlige Stimmung, fernab von jeglichem prätentiösen Gehabe. Als kleines Highlight baten sie zum Ende noch Lilly von LILLY AMONG CLOUDS auf die Bühne, die vor ihnen aufgetreten ist und stimmlich perfekt dazu passte. Nun schnell nach Hause und ab ins Bett!
Donnerstag:
Wenn bei mir an diesem Tag etwas ganz dick markiert war, dann PAPER BEAT SCISSORS aus Kanada, einzuordnen in den Schubladen „Singer/Songwriter“ und „Folk“. Klingt öde? Hört es inzwischen und gerade auf dem Reeperbahn-Festival sowieso viel zu oft? Siehe oben. Zudem gibt es in jeder Sparte gute und schlechte Bands, und Tim Crabtree steht mit seiner warmen Stimme dabei ganz weit oben. Gespannt sein durfte man jedoch auf die Begleitung. Bei youtube sah man, dass bei PAPER BEAT SCISSORS in Sachen Besetzung so ziemlich alles möglich ist. Alleine mit Gitarre oder zusammen mit einer Tuba, einem Cello oder einem kleinen Orchester. Weil der Auftritt bereits am frühen Nachmittag stattfand, rechnete ich mit einem personell reduzierten Gig, doch überraschenderweise standen sie sogar zu sechst auf der vergleichsbar kleinen Bühne im Kukuun. Zwischen ruhigen Stellen, wo die Stimme klar im Vordergrund stand, wechselten die Kanadier genauso gern zu hypnotischen Wall of Sound-Momenten, und nicht selten kamen mir die guten alten Zeiten von Bands wie LAST DAYS OF APRIL und THE WEAKERTHANS in den Sinn. Nach einer halben Stunde leider schon vorbei, konnte er das Publikum immerhin damit zufrieden stellen, dass er schon zweieinhalb Wochen später erneut in Hamburg auftreten würde, in der Bar im Knust. Gleich vormerken!
Anschließend beobachtete ich eher beiläufig den Einlass bei Ray´s Reeperbahn Revue und stellte überrascht fest, dass die gesamte Schlange, die vorhin noch bis zur Davidswache reichte, im Schmidt´s Theater verschwand. So nutzte ich die Gunst der Stunde, saß bereits ein paar Minuten später auf den oberen Rängen und sah zum ersten Mal in zehn Jahren der Show des Ex-MTV-Moderators zu, die mir schon so oft empfohlen wurde. Es lohnte sich wirklich. In seiner einstündigen Show werden vier bis fünf Bands vorgestellt, die in der Regel am selben Abend auf dem Reeperbahn-Festival auf größerer Bühne auftreten. Das Ganze dient insgesamt eher als Appetizer und lebt vor allem von Ray Cokes´ trockenem britischen Humor. Viel gelacht und zugleich noch eine Planänderung vorgenommen. Aber dazu komme ich später.
Vorher legten wir nämlich noch einen Zwischenstopp im Uebel & Gefährlich bei SÓLEY ein. Von der Musik der Isländerin schwärmten einige Freunde von mir schon seit langem, doch ich brauchte eine gewisse Zeit, bis die düster-minimalistischen Songs ihre wahre Schönheit offenbarten. Das gehört beim Reeperbahn-Festival aber auch dazu: während sich bei manchen Acts ein Konzert-Hopping lohnt, benötigt die Musik von anderen Künstlern eine gewisse Zeit, um nachhaltig zu wirken. Zum Ende des Sets verkündete die Isländerin, dass sie zusammen mit ihrem Mann plane, nach Hamburg zu ziehen, weil ihr die Stadt so gut gefiele. Vielleicht sieht man SÓLEY auf den heimischen Bühnen demnächst also häufiger – es würde sich auf jeden Fall lohnen.
Doch nun zu der Reeperbahn-Revue bedingten Planänderung: bei mir wurde HipHop mit den QUEEN CITY STOOP KIDS zugunsten von ruhigem Indierock mit SEAFRET gestrichen, weil die Stimme von Jack Sedman wirklich zu gefallen wusste. Den nachmittäglichen Jack Daniels merkte man dem jungen New Yorker in seinen Ansagen zwischen den Songs durchaus an, möglicherweise war dies aber auch seiner Nervosität geschuldet, denn sein Gesang funktionierte einwandfrei. Da hätte ich mir gerade in der Kulisse und besonderen Akustik der St. Pauli-Kirche einen A-capella-Gig gewünscht, zumal Sedman eh recht laut singt. Schade auch, dass die übrigen drei Musiker (Keys, Elektrodrums und Akustikgitarre) ausschließlich als Begleitung dienten – songwriterisch wäre hier sicherlich mehr möglich gewesen.
Deshalb schnell weiter in die Skybar im Molotow. Dort spielten THE MIGRANT aus Dänemark, die vor kurzem noch in unserer Rubrik „Album-Tipp“ zu finden waren. Wie auch PAPER BEAT SCISSORS ist Songwriter Bjarke Bendtsens mal solo, mal zu zweit oder wie heute mit seiner Band unterwegs. Dass man alleine mit einer Akustikgitarre anders klingt, ist klar, aber selbst verglichen mit dem Gig beim „About Songs-Festival“ vor vier Monaten lagen Welten zwischen den beiden Konzerten. Heute klangen THE MIGRANT wie eine 60ies Indiepop-Band mit einem ruhigen Jazz-Schlagzeug. Das hatte auch was, doch der bombastische Rocksound im Knust gefiel mir sogar noch besser – gerade weil er so perfekt im Kontrast zur poppigen Melodieführung der Songs stand.
Zum Abschluss des Abends schauten wir noch bei TOM LIWA & FLOWERPORNOES im Feldbunker vorbei, doch sein Auftritt stimmte uns ungewollt traurig. War dies nicht der Mann, der in den Achtzigern und Neunzigern mit einer Mischung aus Liedermaching und Hamburger Schule für Aufbruch stand? Doch wie er dort mit umgehängter Gitarre, Jutebeutel und Schlabberklamotten im viel zu großen Terrace Hill vor im Raum verteilten 30 Zuschauern performte, wirkte Liwa nicht nur optisch wie aus der Zeit gefallen. Ich hoffe, dass der Auftritt auf dem Reeperbahn-Festival nicht examplarisch für seine sonstigen Konzerte steht. Das sei dem guten, alten Tom Liwa nicht gegönnt.
Freitag:
Eigentlich ging mein Programm heute bereits mittags los, aber weil der Besuch aus München noch essen und mittagsschlafen musste, begannen wir den Freitag erst am Abend mit CUB & WOLF in der Hasenschaukel. Doch auch die Schweden sorgten aufgrund von Stau und verspätetem Soundcheck für weitere Verzögerungen. In der Zwischenzeit verköstigte das Hasenschaukel-Personal seine Gäste eben auf dem Bürgersteig vor dem Laden mit Bier, und als der Einlass endlich stattfand, war der Laden binnen fünf Minuten pickepackevoll. Das verwundert nicht wirklich, denn hinter CUB & WOLF befinden sich Musiker von GRANT CREON und GOLDEN KANINE, die inzwischen leider schon viel zu groß für die Hasenschaukel sind. Umso schöner, wenn Musiker an alte Wirkstätten zurückkehren. Musikalisch sind CUB & WOLF gar nicht so weit weg von GOLDEN KANINE, wobei mit der kleineren Band stilistisch noch mehr Ausflüge gewagt werden, und man neben Folk auch klassischen Indierock zu hören bekommt. Ihr Debütalbum ist Anfang des Jahres erschienen, nach der Tour geht es allerdings mit dem Songwriting seiner Hauptband weiter, versicherte Sänger Linus Lindvall nach dem Konzert.
Danach hatten wir die Qual der Wahl: Entweder THE LYTICS aus Winnipeg im Kukuun oder ODDISEE aus Washington im Mojo. Beides HipHop, beides eher zurückgelehnt. Wir entschieden uns aus wegtechnischen Gründen zunächst für das Kukuun, und weil die fünf Kanadier für entspanntes Mitwippen zu klassischen HipHop-Beats, kombiniert mit souligen Gesangsparts sorgten, waren wir zu müde, den Ort zu wechseln. Und wie heißt es außerdem? Never change a winning horse. Wobei mir im Nachhinein berichtet wurde, dass auch ODDISEE ziemlich gut gewesen sein sollen.
Nach HipHop ging es weiter mit Punk: HUMAN ABFALL spielten im Indra, in dem anno dazumal die BEATLES ihr erstes Hamburg-Konzert gaben. Ihr erstes Hamburg-Konzert gaben die Schwaben zwar schon vor gut einem Jahr auf der MS Hedi, doch nach dem journaillistischen Hype um die Stuttgarter Punk-Szene füllten sie auf dem Reeperbahn-Festival sogar den Klub neben dem Grünspan, in dem die Hafenbarkasse gut dreimal reingepasst hätte. Doch als leicht zugänglich kann man HUMAN ABFALL trotz der medialen Aufmerksamkeit nicht bezeichnen, dafür ist ihre Musik zu kantig und die Performance von Sänger Flávio Baconm zu theatralisch. Von Punk bis Dadaismus, Neue Deutsche Welle bis Krach und Texten zwischen Alltag und Wahnsinn – wenn man die Band als anstrengend bezeichnen würde, wäre ihnen das wahrscheinlich nur recht.
Wir gingen weiter ins Molotow, um die Band mit dem merkwürdigen Namen BLAENAVON zu sehen. Beim flüchtigen Reinhören erinnerte mich das zwar an Sachen wie THE CADS oder die neueren FOALS, aber live wollte hier nicht wirklich Stimmung aufkommen. Vielleicht sind die jungen Briten doch noch zu sehr im Grunge verwurzelt.
Macht aber nichts, denn das Molotow Backyard hatte ja noch geöffnet, und wie auch im letzten Jahr ist es auf dem Reeperbahnfestival im clubeigenen Biergarten immer noch am schönsten. Wir blieben lange. Und schafften es am nächsten Tag erst zu
Samstag:
THE LYTICS. Schon wieder? Das stand doch gar nicht auf dem Plan. Aber sie spielten trotzdem auf einem Platz, Ecke Reeperbahn/Hein-Hoyer-Straße, wo zugunsten von Viva Con Agua gesammelt wurde. Dies schien nicht offiziell zum Reeperbahn-Festival zu gehören, aber wurde nicht weniger frequentiert. Gute Sache!
Danach rief das Imperial-Theater zur „Zeit für Zorn“-Lesung der Hamburger Türsteher. Dass es sich bei Viktor Hacker, Mark Büttner und Henning Geisler keineswegs um stumpfe Rocker mit ordentlich Bizeps handelt, belegen nicht nur ihre Hauptberufe als Lateinlehrer, Synchronsprecher und Politologe. Ihre Berichte aus dem Türsteher-Alltag sind sehr gut beobachtet und erzählen von absurden Situationen, amüsanten Dialogen und melancholischen Momenten zwischen pubertären Teenies und betrunkenen Kiez-Touristen.
SAFIA aus Canberra sorgten anschließend für Synthie-Elektropop im kukuun. Wobei der Fokus ganz klar auf Pop lag und ihre Show im Grunde so überzogen und fast kitschig war, dass man sich fragen musste, wie weit das stilistisch eigentlich noch vom Eurovision Song Contest entfernt war. Nicht allzu weit, würde ich sagen.
Bei GOGO PENGUIN im Resonanzraum dann ein ganz anderes Bild: Bestuhlung, gedämpftes Licht und eine Anmoderation von Mischa Kreiskott vom NDR Kultur, der ihre Musik sehr passend „mit Einflüssen von Elektronik bis Debussy“ umschrieb. Faszinierend finde ich, dass das Trio aus Manchester in den verschiedensten Lagern zu funktionieren scheint: im letzten Jahr waren GOGO PENGUIN beim Überjazz dabei, im Sommer beim eher alternativen Dour Festival in Belgien, und nach dem Beethoven-Fest in Bonn nun also das Reeperbahn-Festival. Das Publikum war zwar im Durchschnitt etwas älter als bei anderen Konzerten, die Begeisterungsstürme nach jedem Stück aber enthusiastischer als bei so mancher Indiepop-Band. Bis ein neues Album der Briten erscheint, muss man sich noch ein wenig gedulden.
Im Frühjahr folgt ihr drittes Album, einen ersten Höreindruck findet ihr hier:
http://www.ndr.de/ndrkultur/GoGo-Penguinmov,gogopenguin106.html
Im Imbiss neben der U-Bahn-Station Feldstraße begegneten uns zum Abschluss des Reeperbahn-Festivals noch die Musiker von METZ, die sich nach ihrem Auftritt im Uebel & Gefährlich noch einen Mitternachtssnack gönnten. Die hätten wir auch noch gerne gesehen, aber ihr Gig überschnitt sich leider mit GOGO PENGUIN. Ihr Auftritt schien jedenfalls recht energiegeladen und schweißtreibend gewesen zu sein. Wir wünschen eine erholsame Nacht!