Unter dem Motto „Dirty thirty“ luden die RAZORS anlässlich ihres 30jährigen Bandbestehens zum gemütlichen Seniorenkränzchen ins Hamburger Knust ein und holten sich zur musikalischen Unterstützung noch eine Reihe alt gedienter Spielgefährten mit ins Boot. Und so beschlossen auch meine Begleiter und ich, unsere maroden Knochen zur Feier des Tages aus dem Haus zu bewegen. Beim Eintreffen im Knust wurden wir zunächst im Foyer von den exotischen Klängen von HULAPUNK empfangen. Wem diese Formation noch kein Begriff ist, der möge sich vier junge Männer in Hawaihemden, Blumenketten und Flipflops vorstellen, die mit Bass, Ukulele, Percussion und Steel-Guitar Punk-Klassiker im typischen Hawai-Sound nachspielen. Eine Band, die auf jeder Rentner-Kreuzfahrt eine gute Figur abgeben würde!
Kurze Zeit später ging dann auch das eigentliche Konzertprogramm mit den legendären PHANTASTIX los. Und das bedeutet: Ein wenig 77er Punk, ein wenig Rock’n’Roll und die volle Breitseite Hamburg! So durfte auch die legendäre Kiez-Hymne „Das Herz von St. Pauli“ nicht im Programm fehlen, und die Herzschrittmacher des Publikums mussten mindestens drei Frequenzen höher gestellt werden. Mit gut 400 Leuten war der Laden übrigens bis zum Bersten gefüllt, und dass sich bei dem Gedränge niemand einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen hat, grenzt wohl an ein Wunder.
Im Anschluss baten die RAMONEZ 77 zum Tanztee. Hamburgs beste und bekannteste RAMONES-Coverband hatte die Rentner-Meute ebenfalls bestens im Griff, und an allen Ecken und Enden wurde so sehr in Erinnerungen an die „Gute, alte Zeit“ geschwelgt, wie es das Langzeitgedächtnis noch hergab. Sofern auch Eigenkompositionen den Weg auf die Setlist fanden, wurden diese einfach als unbekannte B-Seitentracks der RAMONES interpretiert und es hieß plötzlich „Den Song habe ich ja seit 1976 nicht mehr live gehört!“ Jaja, damals…
Mit den BIG BALLS durfte anschließend eine von Deutschlands ältesten Punkbands (1975 gegründet!) auf die Bühne. Nach so einer langen Zeit darf einem gerne auch schon mal die Puste ausgehen: Irgendwie fehlte bei der musikalischen Mischung aus den RAMONES und PUR (sorry, aber ich habe bei einer Punkrock-Band noch nie so schlimme Gitarren-Soli gehört!) der Biss – da hat wohl jemand vergessen, das Gebiss einzulegen!
Zum krönenden Abschluss gaben sich dann die Geburtstagskinder die Ehre und spielten die größten Hits aus 30 Jahren RAZORS-Historie. Bei soviel Elan traute sich letztendlich auch niemand zu hinterfragen, wie legitim ein derartiges Jubiläum denn angesichts der Tatsache ist, dass die Band in diesen 30 Jahren über 20 Jahre lang pausiert hat… Eines ist jedoch sicher: Anstelle von „Bingo!“ war an diesem Samstagabend „Zugabe!“ der am meisten getätigte Ausruf der Anwesenden. Nachdem die RAZORS dieser Aufforderung mehrmals nachgekommen sind, verließen wir den Ort des Geschehens und ließen uns von einer Bekannten mit dem Auto nach Hause fahren. Wie alte Männer das nun mal so machen.