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RANCID – Honor is all we know

Fünf lange Jahre sind seit dem letzten RANCID-Album vergangen. Fünf Jahre, in denen sich der eine oder andere sicherlich gefragt hat, ob es überhaupt nochmal ein neues RANCID-Album geben wird, denn das 2009er Werk "Let the dominoes fall" wirkte stellenweise ziemlich kraftlos und schürte mitunter die Vermutung, dass die kalifornischen Streetpunk-Könige ihr Pulver eventuell schon verschossen haben könnten. Nun also ein neuer Anlauf, und nach wenigen Minuten kann ich getrost Entwarnung geben: "Honor is all we know" ist wirklich gut geworden! Zwar kein Jahrhundert-Werk wie "…And out come the wolves", aber mindestens (!) wieder so gut wie "Indestructible".
Bereits der Opener "Back where I belong" nährt nicht nur aufgrund seines Titels die Hoffnung zur Rückbesinnung auf alte Stärken, sondern beinhaltet auch musikalisch sämtliche Attribute, die RANCID in der Vergangenheit ausgezeichnet haben. Will heißen: Tim Armstrong nölt sich in altbewährter Manier zu abgeranzten Gitarrenriffs und Matt Freemans unverwechselbaren Bassläufen in einen regelrechten Streetpunk-Rausch. Das darauffolgende "Raise your fist" ist im direkten Vergleich dazu deutlich scharfkantiger und beschwört mit einem ebenso simplen wie prägnanten Refrain den Aufstand herauf. Nächstes Highlight: "Evil´s my friend"! Klar kann man diesem Ska-Punk-Smasher unterstellen, dass er im Endeffekt nur ein Abklatsch des früheren Hits "Old friend" darstellt, aber das Stück ist im Endeffekt einfach zu gut, um ihm allein aufgrund seiner Ähnlichkeit die Existenzberechtigung abzusprechen. Mit "A power inside" und "In the streets" liefern RANCID derweil die von vielen Fans heiß ersehnten Singalong-Hymnen ab, die den Zusammenhalt beschwören und auf zukünftigen Konzerten für Endorphin-Schübe und heisere Kehlen sorgen dürften. Und dann wäre da auch noch der Titeltrack, der mit seiner aufmüpfigen Lead-Gitarre direkt an aktuelle britische Oi!-Bands der Marke BOOZE & GLORY erinnert. Erst zum Ende hin rücken RANCID ein wenig von ihrer bis dato klaren Linie ab: So könnte die schmutzige Reggae-Nummer "Everybody´s sufferin´" glatt eine Nachwehe von Tim Armstrongs Soloalbum "A poet´s life" sein, das er vor einigen Jahren mit Unterstützung der AGGROLITES aufgenommen hat. Und der Rausschmeißer "Grave digger" bedient sich nicht nur textlich, sondern auch musikalisch an Elementen des Psychobilly und erinnert somit am ehesten an die experimentelle "Life won´t wait"-Phase.
In der Gesamtbetrachtung ist "Honor is all we know" eine sehr gute Platte geworden, mit der RANCID erfolgreich den Bogen zurück zu ihrer Hochphase Mitte der 90er Jahre schlagen. Ihnen dabei eine Stagnation vorzuwerfen, wäre meines Erachtens unfair, denn die Kalifornier haben in den vergangenen Jahren mehrmals versucht, ihren Sound weiterzuentwickeln, sind aber offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass ihnen der melodisch-rotzige Streetpunk einfach am besten steht. Wer dies ähnlich sieht, wird "Honor is all we know" garantiert in sein Herz schließen.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.