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PORTUGAL. THE MAN – …kannten nur MTV und Radio

Das Debüt von PORTUGAL THE MAN ist eingeschlagen wie eine Bombe und wurde in allen Indie-, Post-HC-Gazetten über den grünen Klee gelobt und landete in den Jahrescharts nicht selten ganz oben auf dem Treppchen.
Mit „Church mouth“ ist just ihr neues Album erschienen, und da die Band für Promo-Zwecke bereits Ende Mai in Hamburg Halt machte, interviewten wir die Senkrechtstarter neben dem Knust bei strahlendem Sonnenschein kurz vor ihrem Gig. Dabei ging es um die Veränderungen seit dem Umzug von Alaska nach Portland, Myspace, Zacherys Ex-Band mit Cover-Songs von PANTERA und Co, Mails an die Mama, sowie Politik. Auch wenn die Meinungen von Bassist Zachery und Schlagzeuger Jason im politischen Bereich noch nicht so fundiert scheinen, fiel das Interview äußerst kurzweilig und amüsant aus:

[F] Seid ihr zum ersten Mal in Europa?
[A] Zachery: Nein, wir haben schon mal vor einem halben Jahr in Europa gespielt, aber diesmal ist alles weniger stressig. Als wir das letzte Mal hier waren, kamen wir direkt vom Flughafen zum Konzert nach Köln, haben zuvor etwa 36 Stunden lang keinen Schlaf gekriegt und waren entsprechend k.o. Wir sind abends noch losgezogen, am Ende wurde Jason aus einer Bar gekickt, weil er bei Weckversuchen dem Barkeeper seinen Mittelfinger zeigte. Er dachte, es sei jemand aus der Band.

[F] Wie sieht die jetzige Tour aus?
[A] Zachery: Hauptsächlich Deutschland und ein wenig Schweiz und Österreich. Diesmal ist alles wie Urlaub, weil Alex, unser Tourmanager, die Scheiße unter Kontrolle hat. Und außerdem fährt er den Van ziemlich gut.

[F] Wart ihr schon mal privat hier?
[A] Jason: Ja, ich habe hier für ein paar Wochen Urlaub gemacht, aber Kultur und Leute haben wir erst richtig auf der letzten Tour kennen gelernt.
Zachery: Für richtiges Sightseeing würde ich auf der nächsten Tour aber gerne noch eine Woche ohne Konzerte dranhängen, da man so viele Dinge sieht, die man gerne näher besichtigen würde.

[F] Das Debüt hat ja sehr gute Reviews eingefahren…
[A] Zachery: Komischerweise.

[F] War es für euch da schwierig, das zweite Album in Angriff zu nehmen?
[A] Zachery: Wir versuchen, nicht viel darüber nachzudenken, ob es den Leuten gefällt. Wir haben das Album für uns geschrieben und sind auf das Ergebnis sehr stolz, hoffen aber auch, dass es den Fans gefällt. Bisher haben wir aber gute Rückmeldungen bekommen.
Jason: Wir haben ein paar Elemente entfernt und dafür einige neu hinzugefügt. Im Mix ist viel Elektronik entfallen und durch analoge Instrumente ersetzt worden, während John seinen Gesang und Gitarrenspiel noch weiter ausgebaut hat.
Zachery: Dadurch klingt alles natürlicher. Wir sind in die Garage zurückgekehrt, haben echte Drums und keine Drum Machine benutzt und hatten bei der Aufnahme viel Spaß. Wenn wir uns zu viele Gedanken über die Reaktionen gemacht hätten, hätten wir am Ende noch zu viel geändert. Damit stresst man sich nur selbst. Ich denke, so steckt letztlich mehr Seele in der Platte.

[F] Wie lange habt ihr im Studio gebraucht?
[A] Zachery: Etwa einen Monat. Genauso lange wie beim Debüt, wo Jason noch gar nicht dabei war. Deshalb wussten wir damals nicht so recht, in welche Richtung wir eigentlich gehen wollen. Das Jahr davor waren wir als elektronische Band unterwegs, bevor wir uns dazu entschlossen, mehr „Rock & Roll“ zu sein und einen richtigen Drummer in die Band zu holen.
Jason: Wir waren zuvor alle in verschiedenen elektronischen Bands am Werke, aber da wir eigentlich Rockmusik ganz gerne mögen, wollten wir das auch umsetzen.

[F] Habt ihr die Produktion oder den Produzenten gewechselt?
[A] Zachery: Nein, es ist der gleiche Produzent. Aber wir haben viel Technik verändert. Darauf hatte Casey Bates (Produzent; Anm. d. Verf.) auch einen gewissen Einfluss, speziell, was die Drums angeht.
Jason: Ja, die klingen jetzt richtig alt.

[F] Was für ein Schlagzeug habt ihr denn benutzt?
[A] Zachery: Keine Ahnung.
Jason: Wir nennen es „The mystery kit“.
Zachery: Die HipHop-Einflüsse des Debüts sind zwar auch auf dem neuen Album vorhanden, nur klingen sie jetzt so, als ob man sie über ein 60ies Rock & Roll-Kit spielt. Ein lustiger Mix!

[F] Geographische Namen tauchen ja inzwischen nicht selten in Bandnamen auf (WASHINGTON, NORTH OF AMERICA, …). Was war damals bei der Namenswahl für euch ausschlaggebend?
[A] Zachery: Wir wollten eigentlich einen Personennamen wählen. Wie zum Beispiel JAMES BROWN. Nur hatten wir keine Lust, ein Bandmitglied als Namensgeber auszuwählen, und so dachten wir über eine Namenskreation nach wie „Ziggy Stardust“ von DAVID BOWIE oder „Sgt. Pepper“ von den BEATLES. Und da dieser Name als Bandname eine ganze Gruppe von Menschen benennen musste, dachten wir drüber nach, dass auch ein Ländername diese Funktion hat. Portugal haben wir wegen seines coolen Sounds dann eher zufällig ausgewählt. Außerdem ist es cool, wenn Bandnamen schon lange geläufig sind.

[F] Also kein Verwirrspiel mit eurer eigentlichen Herkunft Alaska.
[A] Zachery: Nee, obwohl es Sinn machen würde. Aber das fiel uns erst später auf.

[F] Denkt ihr, dass ihr mit Alaska als Heimat auch einen Exoten-Bonus genießt?
[A] Jason: Ja, das ist wahrscheinlich ähnlich wie bei SIGUR RÒS und Island, wo man aufgrund der künstlerischen Umgebung über neue Musik-Szenen spekulieren kann.

[F] In Europa sind isländische Bands mittlerweile allerdings keine Seltenheit mehr. Im Gegensatz zu Alaska.
[A] Zachery: JEWEL kommen ebenfalls aus Alaska.
Jason: Aber inzwischen wohnen wir in Amerika.

[F] Gibt es in Alaska denn überhaupt irgendeine musikalische Szene?
[A] Zachery: Eine ganz kleine. Viele High School-Kids spielen dort in Punk-Bands, aber es gab zu der Zeit, als wir weggezogen sind, noch kaum Clubs. Inzwischen hat sich das aber ein wenig gebessert. In Wasilla, meiner Heimatstadt, gab es damals drei Bands, ich spielte in einer davon: THE DEPENDABLE LETDOWNS. Wir waren fürchterlich, hatten nie geprobt, hatten etwa zwölf eigene und dreißig Cover-Songs.

[F] Von?
[A] Zachery: RAGE AGAINST THE MACHINE, NIRVANA, TOOL, PANTERA, SEPULTURA…
Jason: Sie coverten Bands, die dieselben Songs derzeit noch spielten.
Zachery: Oh ja! Das war keine gute Idee. Aber wir kannten uns damals noch nicht mit Musik aus und hörten auch noch keine kleineren Bands. Das war noch vorm Internet. Ich kannte nur MTV und Radio. Aber es hatte auch seine Vorteile: weil es nichts anderes zu tun gab, kamen zu unseren Shows alle Kids aus der ganzen Stadt.
Mit PORTUGAL. THE MAN haben wir allerdings noch nie in Alaska gespielt. Wir haben uns dort zwar gegründet, sind dann aber nach Portland gezogen, bevor wir unsere erste Show spielten. Nach dieser Tour spielen wir zum ersten Mal in Alaska. Darauf freue ich mich.

[F] Fühlt ihr euch mehr Amerika, speziell Alaska oder theoretisch eher Kanada zugehörig?
[A] Zachery: Alaska ist zur einen Hälfte eher kanadisch, zur anderen eher rechts, konservativ, red oder Hillbilly. Letzteres scheint eher amerikanisch, aber die Landschaft erinnert mehr an Kanada. Ich selbst fühle mich nach wie vor Alaska zugehörig, seit dem Umzug aber auch amerikanisch. Der Umzug nach Portland war zunächst ein kultureller Schock. Portland ist sehr cool, modern, hat eine richtige Indierock-Szene, und mir war das alles sehr fremd. Aber es hat mir die Augen geöffnet, ich fühle mich dort nun sehr wohl.

[F] Eure neue Platte wird hierzulande ja wieder auf Defiance erscheinen. Hattet ihr eigentlich auch Angebote von den Majors?
[A] Zachery: Ähm… nee. Noch nicht. Aber wir sind mit Defiance und dem, was sie hier für uns auf die Beine stellen, total zufrieden. In Amerika veröffentlichen wir auf Fearless.

[F] Was hat es eigentlich mit dieser Ein-Track-EP auf sich?
[A] Zachery: Das sind eigentlich sechs Songs, die zu einem verbunden wurden. Sehr elektronisch…
Jason: Das wurde während einer Session zu „Waiter: ‚you vultures!‘ aufgenommen.

[F] Wie wichtig war MySpace für eure Bekanntheit?
[A] Zachery: Leider sehr wichtig. Nein, erstes Wort bitte wieder streichen! MySpace hilft einem als Band auf alle Fälle. Wenn man von einer Band hört, aber kein Geld ausgeben kann oder will, kann man sich dort sehr gut umhören. Inzwischen guckt ja keiner mehr auf anderen Websites.

[F] Habt ihr dort auch eigene Profile?
[A] Zachery: Ja, das ist super für die vielen Leute, die man auf einer Tour kennenlernt.
Jason: Ich habe dort nur meine richtigen Freunde. Zur Konversation.
Zachery: Mir ist das egal, auf meiner Seite sind auch unsere Fans.
Jason: Wie viele? 1700?
Zachery: Ungefähr.
Jason: Ich habe nur vier.

[F] Ich nur Tom.
[A] Jason + Zachery: Haha.

[F] Fragt ihr auch bei Bands nach, ob sie euch als Freunde adden?
[A] Jason: Ja, z.B. bei WEEN und TOOL.
Zachery: Am Anfang habe ich gedacht, dass ich als Musiker allen Bands, die bei uns anfragten, helfen müsse, aber das wurde irgendwann verrückt. Aber in eine Band musst Du mal reinhören. Sie heißen THE BUILDERS AND THE BUTCHERS, kommen ebenfalls aus Portland und sind großartig! Klingen wie eine Mischung aus den DECEMBERISTS und den MOUNTAIN GOATS und suchen derzeit noch ein Label.

(Die Aufmerksamkeit wurde plötzlich auf einen akrobatischen BMX-Fahrer gelenkt, von da aus weiter auf Beck’s Lemon und Orange.)
[A] Jason: Gibt’s diese Mischgetränke hier schon lange?
[F] Puh… seit zwei, drei Jahren? Mögt ihr sie?
[A] Zachery: Einige. Aber Beck’s ist ein fantastisches Bier. Gibt’s auch in Amerika. Trinken wir dort immer, wenn wir von der Tour wiederkommen. Als Erinnerung…

[F] Verfolgt Ihr derzeit den G8-Gipfel?
[A] Zachery: Um ehrlich zu sein, kriegen wir auf Tour nur wenig mit, was sonst so in der Welt passiert.
Jason: Es ist ein wenig wie Urlaub ohne News.
Zachery: Ich habe nur einen Anruf getan und zwei Mails verschickt: eine an meine Ma, dass wir gut angekommen sind, die andere an einen Freund, dem ich hier Vinyl besorgen soll.

[F] Direkt um die Ecke, im Schanzenviertel, gab es kürzlich linksautonome Proteste, die mit Hausdurchsuchungen in Bezug auf den G8-Gipfel zu tun hatten.
[A] Jason: Das einzige, was ich dazu sagen kann: noch ein Jahr, dann sind wir ihn los!
Zachery: Bush ist ein Clown. Viele unsere Texte handeln von ihm. Ich finde es schrecklich, wie er die Welt zu gestalten versucht. Dabei stehen so viele Amerikaner keineswegs hinter ihm. In Portland gibt es vielfache Protestaktionen.

[F] Was denkt ihr, wer die nächste Wahl gewinnt?
[A] Jason: Ich wünschte, mir fiel sein Name wieder ein.
Zachery: Ich denke, die Demokraten werden das Rennen machen, wobei mir kein Kandidat gefällt. Ich bin der Meinung, dass sich die Welt zwar ändern muss, aber die Veränderungen nicht zu drastisch ausfallen dürfen. Mann muss das ganz ruhig angehen.
Jason: Ein zartes Gemüt wäre gut. Vielleicht eine Frau?

[F] Hillary?
[A] Jason + Zachery: Ja, genau. Oder noch mal Bill Clinton. Der ist jetzt zu alt für Praktikantinnen. Haha!

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