POLITE SLEEPER – Seens

Ihr fragt euch, was dieses blaue Klebebandgewusel auf dem Foto bedeuten soll? Ich verrate es euch: Darin befindet sich das Album „Seens“ von POLITE SLEEPER. Den Gedanken dahinter, die CD in einen kleinen Pappkarton zu verpacken und dann wüst mit blauem Kreppband einzutapen, erläutert die Band im Inneren des Kartons wie folgt: „CDs are dead. But you are not. The blue tape project is a gesture to community and D.I.Y. Each disk is taped by someone we know or met on tour. There are no sweat shops, manufacturers, or machines involved.“ Eine interessante Idee.
Das Nebenprojekt von YELLOW PRESS-Mitgliedern fiel schon in der Vergangenheit durch äußerst liebevolle und individuelle Gestaltung von Tonträgern und Merchandiseartikeln auf, und auch die Tatsache, dass die Band letztens im Rahmen ihrer Europa-Tour einfach mal ganz unspektakulär im Keller eines alternativen Wohnprojektes in Hamburg-Wilhelmsburg gespielt hat, macht deutlich, dass es bei POLITE SLEEPER nicht nur um Musik, sondern vor allem auch um die richtige Einstellung geht. Wie schon auf ihrer selbstbetitelten EP erwartet den geneigten Hörer auf „Seens“ ein Haufen eigenständiger akustischer Indie-Folk-Songs mit nachdenklichen bis engagierten Texten. Das mittlerweile zum Trio angewachsene Ensemble aus New York schafft es, lediglich mit Akustik-Gitarre, Keyboard/ Piano und minimalistisch eingesetztem Schlagzeug eine unglaubliche Intensität zu entfalten, bei der viele vermeintliche Rock-Bands einpacken können. So entpuppen sich die zehn Songs folglich als angenehmes, kurzweiliges Hörvergnügen.
Zuguterletzt hat die Band sogar noch einen ganz persönlichen Tipp für mich parat: „Keep yer mind sharp“ steht handgeschrieben auf einem der Papphülle beigelegten Zettel. Ich werde den Ratschlag beherzigen. Und auch, wenn das Befreien der CD aus ihrem Klebebandgefängnis einen ungeduldigen Menschen wie mich an den Rand des Wahnsinns treiben kann, bleibt festzuhalten: Man muss diese Band einfach gern haben.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.