You are currently viewing POLAROID LIQUIDE – s/t

POLAROID LIQUIDE – s/t

Manchmal sagen Presse-Infos bereits mehr, als man über eine Band schreiben kann:
„Dabei schwingt so viel New York mit, dass man unwillkürlich an späte SONIC YOUTH erinnert wird.“

Fertig. Über so kurze Reviews freuen sich Redaktion und Rezipient, da hat man doch mal eine Kernaussage mit greifbarem Inhalt. Oder?
Das Debüt der vier Berliner erinnert mich sogar sehr willkürlich an das Spätwerk der Herren um Kim Gordon. Schleppenden Schrittes umgarnen sich cleane Gitarrenfiguren über die gerade Straße aus Bass und Schlagzeug. Singen? Ja, machen wir auch. Musik für nächtliche Großstadtstraßen, für verlorene Partygänger im Morgengrauen, für das traurige, schamerfüllte Katergefühl beim Erwachen auf dem Wohnzimmerboden.
Bemerkenswert ist, dass POLAROID LIQUIDE ihr fragiles Soundgebilde nicht künstlich aufblasen, nicht größer machen wollen als es ist – nackt klingen sie, und in ihrem elegischen Vorwärtsschleichen auch ein wenig ziellos. Den Referenzen zu TELEVISION oder VELVET UNDERGROUND entzieht die Zerbrechlichkeit dieser Songs zwar den Boden, fängt sich jedoch in positiven Assoziationen zu den TELSTAR PONIES. Denn auch die Berliner schaffen es, eine Atmosphäre der Raum- und Zeitlosigkeit zu kreieren. Ein endloses Geradeausgehen, das zwar seine ganz eigene Schönheit, aber auch Fallen offenbart: Irgendwo in der Mitte des Albums macht sich das Gefühl breit, jede Gitarre, jede Gesangshookline, jede Idee schon einmal gehört zu haben. Und zwar in den vorangegangenen Songs. So wird POLAROID LIQUIDE ihre eigene Stärke, der eigenbrötlerische Sound nämlich, bereits auf halber Strecke zum Verhängnis.
Darüber hinaus sollte, wer sich Unverwechselbarkeit auf die Fahnen schreibt, auch den Mut besitzen, sich ein wenig mehr von den offensichtlichen Vorbildern zu emanzipieren. Wenn LEE RANALDO und THURSTON MOORE in wirklich jedem Takt durch die Saiten blinzeln, ist das sicher nicht die schlechteste Referenz, aber warum sollte der gemeine SONIC YOUTH-Fan sich ein Album dieser Epigonen zulegen? Weil er alles andere schon besitzt. Und weil diese CD sicher ein verdammt guter Begleiter auf späten Autobahnfahrten ist.