Contra: PENDIKEL gibt es ja schon ein paar Tage länger, doch auch, wenn sie ihre Musik in den letzten zehn Jahren stilistisch bereits mehrfach verändert haben, ist eines nach wie vor geblieben: die Komplexität und die Sperrigkeit, die PENDIKEL für die Masse stets unzugänglich machte. Da wird sich, trotz einer Menge poppiger Melodien und des schon länger anhaltenden Hypes um deutschsprachige Bands, auch bei „Don’t cry Mondgesicht“ wohl nichts ändern. Wobei „Falsche Freunde“ ein wahrer Hit ist…
Denn irgendwie scheinen PENDIKEL ein Problem mit der Einfachheit zu haben, zumindest wird in vielen Songs dafür gesorgt, dass das eventuelle Hitpotential durch schräge Einfälle wieder zunichte gemacht wird. Im Gegensatz zu anderen Bands ist jedoch zumeist nicht die musikalische Seite dafür verantwortlich, sondern der Gesang von Carsten Sandkämper, der von der Zeilenlänge oft nicht in den vorgegebenen musikalischen Kontext reinpasst und sich lyrisch und technisch („Nach dem Piepton“) in Gefilde wagt, die die Platte teilweise wirklich unhörbar machen. Dabei hat der Mann im Grunde eine wahrlich gute Stimme, die gekonnt zwischen normalem Gesang und Kopfstimme wechselt.
Schade, dass hier versucht wurde, der musikalischen Vielfalt durch eine adäquate Abwechslung im Gesang zu entsprechen. Dies wäre überhaupt nicht nötig gewesen, hätte die Platte am Ende vielleicht sogar noch viel besser gemacht. So bleibt zum Schluss aber der Eindruck, dass hier die philosophische Absicht nicht nur streckenweise der Sophistik zum Opfer fiel. Leider. (6,5)
Pro: Nein, nein. Glauben Sie das nicht, glauben Sie das ja nicht. Tun Sie stattdessen folgendes: Gehen Sie in den Plattenladen Ihres Vertrauens und suchen Sie nach diesem Album! Fragen Sie notfalls danach, und wenn Sie es haben, gehen sie damit zur Kasse und dann schnell nach Hause! Kein Antesten im Laden, das ist nicht nötig, kein Gejammer wegen zu teuer, seien Sie im Gegenteil dankbar, dass es sowas für Geld gibt. Eine CD wie diese:
Ein Dutzend Songs finden sich hier, die sich der unterschiedlichsten Stile von Pop, Rock, Prog, (Post-) HC etc. nach Belieben bedienen, selten stringent verlaufen, jedoch niemals übertrieben verkünstelt werden. Schon der Opener „Dead city“ macht es vor: Zu Anfang denkt man fast an ein Bühnenstück, wenn der Sänger voller Inbrunst Textzeilen zu leisen Piano-Noten vorträgt. Schließlich mündet das ganze in eine Art Singalong und wandelt sich von dorthin mehr und mehr Richtung Rocksong. Großartig. Bis auf das von Jens angesprochene „Nach dem Piepton“, das nur gegen Ende etwas schwächelt, gibt es auf dieser Platte keine einzige Schwachstelle, keine Längen. Ganz im Gegenteil haben es PENDIKEL hinbekommen, ein durchweg anspruchsvolles, spannendes, aber niemals zu verkopftes Album zu schaffen, das sich nie entscheiden kann zwischen Herz ergreifend und zügellos rockend und auf dem tatsächlich ein Hit den nächsten jagt. Nach dem Opener kommt das zauberhafte „Handbuch“ gefolgt von dem ungestümen „Zitatmaschine“, gefolgt von dem Super-Hit „Falsche Freunde“ und so geht es weiter bis zum gigantischen Titelstück und schließlich dem finalen „Bis zum letzen Mal“. Atemberaubend! Das sind im übrigen auch die Texte und das oft sogar im wahrsten Sinn des Wortes, wo doch nicht selten die Zeilen viel zu lang scheinen, was aber rhythmisch hervorragend gelöst wird. Die Sprache ist schnörkellos, direkt und erzählend. Behandelt werden sowohl gesellschaftliche als auch persönliche Dinge, und Carsten Sandkämper erweist sich nicht nur als ein uneingeschränkt hervorragender Sänger, sondern auch als ein sensibler Beobachter.
Diese CD ist nicht einfach nur nicht schlecht, nein, sie ist so gut, dass ich heulen könnte vor Freude. Ein verdammter Geniestreich ist das. Alle Punkte, aber dicke! Und nun schau ich mal nach, was denn Sophistik eigentlich ist.(10)