David Bazan ist ein Mensch, der viel hinterfragt, sowohl gesamtgesellschaftliche Missstände als auch das zwischenmenschliche Verhalten. Einer der viel zweifelt, vor allem an sich selbst. Diese Eigenschaft zieht sich wie ein roter Faden durch all seine Songs, die er mit PEDRO THE LION aber auch unter seinem eigenen Namen veröffentlicht hat. Zu Beginn waren seine Texte noch christlich geprägt, aber irgendwann brach er mit dem Christentum. Es folgten Alben, die sich thematisch mit Kriegen oder den Folgen der Kernkraft auseinandersetzten, bisweilen drifteten Bazans Gedanken auch in eine esoterische Richtung ab. Dass es ihm wichtig war, seine Ansichten mit anderen Leuten zu teilen, ließ sich auch daran erkennen, dass er Konzerte zwischendurch unterbrach, um Fragen der Zuschauer zu jedweden Themen zu beantworten.
Dass Bazan kein einfacher Typ ist, liegt auf der Hand und äußerte sich auch in unzähligen Bandbesetzungswechseln. Doch eines blieb in Bazans musikalischer Biographie durchaus konstant: sein regelmäßiger kreativer Output. Und der war keineswegs monoton: manche Alben verzerrt, andere (insbesondere seine Solosachen) „stripped down“ nur minimal instrumentiert, vor fünf Jahren wagte er mit dem Album „Care“ gar den Ausflug in Richtung Synthpop.
Nach diversen Solo- und Nebenprojekten folgte 2019 das erste Album von PEDRO THE LION nach 15 Jahren. Es wurde als erster Teil einer fünfteiligen Serie angekündigt, die sich mit prägenden Orten seines Lebens auseinandersetzt, namentlich mit „Phoenix“, so auch der Albumtitel. Auf diesem Werk verarbeitete er seine Kindheit, die er zuvor aus seinen Gedanken verbannt hatte. Mit „Havasu“ ist er nun in der kleinen Gemeinde Lake Havasu angekommen, wo er im Alter von zwölf Jahren für ein Jahr lebte. Dass er in den letzten Jahren viermal nach Havasu reiste und dies große Emotionen bei ihm auslösten, hört man diesem Album an. Anscheinend ist es Bazan aber gelungen, das damalige sentimentale, emotionale Kind zu akzeptieren. Und man muss annehmen, dass auch die Corona-Zeit dazu beitrug, in der Bazan anfing, seinen Backkatalog wertzuschätzen, den er in wöchentlichen Streaming-Konzerten vortrug und dafür von seinen Anhängern viel positives Feedback erhielt.
So ist „Havasu“ letztendlich ein sehr melancholisches Album geworden, dem die feine Gratwanderung zwischen Schönheit und Wehmut vortrefflich gelingt. Dazu trägt wahrscheinlich auch bei, dass Bazan seine ursprüngliche Idee verwarf und die mit Synthies und Drumcomputer entworfenen Songs letztendlich doch analog einspielte bzw. einspielen ließ. Dass Bazan eine angenehm warme Stimme hat und in seinen Lyrics die schönsten Geschichten erzählt, macht „Havasu“ am Ende zu einem der schönsten Alben in der Geschichte von PEDRO THE LION. Man darf gespannt sein, in welche Richtung die drei kommenden Alben gehen werden. Weiter so!