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NEONSCHWARZ – Fliegende Fische

Dass deutschsprachiger HipHop auch politisch sein kann, ist durchaus kein neues Phänomen. Bereits in den frühen 90er Jahren haben Crews wie ADVANCED CHEMISTRY, FRESH FAMILEE oder die TCA MICROPHONE MAFIA auf Deutsch gegen Rassismus getextet, wobei die politische Ausrichtung der meisten dieser Rap-Gruppen aus den eigenen migrantischen Alltagserfahrungen resultierte und nur selten – wie beispielsweise im Fall von ANARCHIST ACADEMY – aus einer klaren linken Weltanschauung hervorging. In der linken Szene selber spielte HipHop dementsprechend in den vergangenen Jahrzehnten lediglich eine Nebenrolle, was sich seit einigen Jahren Dank sich explizit als linkspolitisch positionierender Künstler wie CHAOZE ONE, HOLGER BURNER, SOKEE oder SCHLAGZEILN geändert hat. Mittendrin in diesem "Zeckenrap"-Getümmel mischen auch NEONSCHWARZ mit, deren neues Output "Fliegende Fische" ohne Übertreibung zu den besten Veröffentlichungen gehört, die ich bislang aus dieser Ecke vernommen habe. Das beginnt bereits mit den ebenso gelungenen wie abwechslungsreichen Instrumentals, bei denen neben typischen HipHop-Beats und Elektro-Einschüben auch schon mal ergänzende Instrumente wie Saxophon oder Gitarre zum Einsatz kommen. Bei den Raps ergänzen sich Rapperin Marie Curry und ihre beiden männlichen Kollegen Captain Gips und Johnny Mauser zu einem perfekten Trio, dass mit Tracks wie "Verwandelt", "Outta control" oder der Squatter-Hymne "Unser Haus" ideales Liedgut für die nächste Antifa-Party abliefert, auf der sich Spaß, Lebensfreude und politischer Aktivismus keineswegs ausschließen, sondern vielmehr ergänzen. Andere Stücke wie "2014" oder "Neonschwarzer Block" sind thematisch ernster gehalten, sprechen mit unmissverständlichen Worten Themen wie Rassismus, Neonazis oder die kapitalistische Verwertungslogik an und rufen zum Widerstand gegen diese Missstände auf. Wem das alles zu politisch ist, der kann gerne weiterhin zu den Platten des netten Pandamasken-Rappers von nebenan greifen. Wer hingegen gerne den Finger in die Wunden des "deutschen Normalzustandes" legt, findet in NEONSCHWARZ vielleicht seine persönliche Lieblingsfarbe der Saison.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.