Älteren Hamburgern wird die „Nacht der Clubs“ möglicherweise noch ein Begriff sein – von 1988 bis zum Jahr 2000 fand dieses Event jährlich in der Hansestadt statt und ermöglichte es einem, die ganze Nacht lang mit nur einem Ticket zwischen zahlreichen Clubs hin und her zu pendeln und sich dabei dutzende Bands unterschiedlichster Stilrichtungen anzuschauen. Nachdem diese Veranstaltungsreihe mit der Jahrtausendwende leider eingestampft wurde, gab es nun endlich ein längst überfälliges Revival, das mit Performances von über 100 Live- und DJ-Acts in insgesamt 28 Clubs für so ziemlich jeden Geschmack etwas zu bieten hatte. Es bedurfte also einer umfangreichen Spielplan-Recherche sowie eines ausgeklügelten Logistik-Konzeptes, wenn man dieses Überangebot möglichst effizient nutzen wollte…
Da die Clubs erst ab 20 Uhr die Tore öffneten, begann für uns der Abend zunächst auf dem Rathausmarkt, wo das alljährliche Rockspektakel stattfand. Dort schickten sich GALAXY SPACE MAN an, das zu dieser Zeit schon relativ zahlreich vorhandene Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen. Die vier Hamburger fühlten sich auf der großen Bühne augenscheinlich wohl und lieferten eine satte Packung Alternative Rock ab, der vor allem durch den häufigen Wechsel zwischen melodischen Parts und harten Gitarrenriffs geprägt war. Die im Anschluss spielenden LA CONFIANZA konnten wir uns aufgrund unseres ambitionierten Zeitplans leider nicht mehr anschauen, da es uns Richtung Kiez zog, um im Nochtspeicher den Auftritt der Singer/Songwriterin MIU und ihrer Band zu verfolgen. Leider schien deren Terminkalender im Gegensatz zu unseren an diesem Abend weniger prall gefüllt gewesen zu sein, denn unsere Hoffnungen auf einen pünktlichen Beginn erfüllten sich leider nicht. MIU begannen stattdessen mit einer halbstündigen Verspätung, wodurch unsere minutiös durchgetimete Abendplanung bereits bei der ersten Station ins Wanken geriet. Dementsprechend brachen wir bereits nach wenigen Songs wieder auf, zumal der soulige Pop-Sound mich nicht wirklich ansprach.
Der nächste Zwischenstopp fiel ebenfalls recht kurz aus und hatte vorwiegend Unterhaltungswert: Im Rock Café in der Silbersackstraße spielte mit CHALICE eine Melodic-Rock-Truppe, wobei sowohl die in die Jahre gekommenen Bandmitglieder, als auch das Publikum vor der Bühne voll und ganz dem gängigen Klischee des gemeinen Feierabend-Rockers entsprachen. Wo die Kombination aus Totenkopf-Pullis und Leopardenfell-Leggins en vogue ist, da darf man auch zu altbackenen Hardrock-Riffs die mittlerweile deutlich gelichtete Matte im Takt kreisen lassen… Ernsthaft beeindrucken konnte dagegen die Location, die trotz des etwas gewöhnungsbedürftigen Schnittes sehr gemütlich ist und obendrein durch eine richtig gute Akustik positiv in Erinnerung blieb.
Als nächstes stand bei uns der Cotton-Club auf dem Programm, ein geschichtsträchtiger Keller-Club, in dem ansonsten überwiegend Jazz gespielt wird und in den ich mich folglich unter normalen Umständen nicht rein verirren würde. Zur „Nacht der Clubs“ spielte hier mit THE LINE WALKERS eine JOHNNY CASH-Coverband, was zwar normalerweise auch nicht meine erste Wahl wäre, aber in Kombination mit der Location doch den Ausschlag gab, diesen Programmpunkt musikalisch vermeintlich ansprechenderen Alternativen wie LE FLY im Gruenspan oder den SKATOONS im Logo vorzuziehen. Der Cotton-Club selbst versprüht mit seinen Tischen und der schummrigen Beleuchtung eher den Charme einer in die Jahre gekommenen Speisewirtschaft als eines typischen Live-Clubs, konnte jedoch durch seine erlesene Bierkarte überzeugen und hielt uns somit sogar letztendlich länger als geplant in seinen Gemächern. Dafür verzichteten wir sogar auf den eigentlich geplanten Abstecher zu TIM VANTOL ins Headcrash, was aber insofern zu verschmerzen ist, da der frühere ANTILLECTUAL-Bassist derzeit sowieso unermüdlich durch die Weltgeschichte tourt und einem mit Sicherheit in absehbarer Zeit wieder über den Weg läuft.
Stattdessen ging es gegen 23.30 Uhr direkt weiter zur Markthalle, da ERIK COHEN meinen persönlicher Höhepunkt des Abends darstellten. Zu meiner Überraschung verirrten sich gerade mal geschätzte 150 Personen in die normalerweise gut sechsmal so viele Leute fassende Location, was auch der Sänger und ehemalige SMOKE BLOW-Frontmann Jack Letten etwas enttäuscht zur Kenntnis nahm. Nichtsdestotrotz machte er das Beste aus der Situation und verlagerte seinen Aktionsradius vornehmlich in den Zuschauerraum, um auf diese Weise eine Nähe zum Publikum zu schaffen. Dieses nahm die etwas düsteren Rock-Songs dankbar an und bedachte Stücke wie „Dirigent“, „Chrom“ oder „Kapitän“ mit reichlich Applaus. Letzte Station des Abends war dann das Klubsen im Hammerbrooker Industriegebiet, wo DUBTARI ihren „Intercontinental Offbeat“ zum Besten gaben. Die Hamburger sind in ihrer Heimatstadt schon längst kein Geheimtipp mehr und brachten das Publikum mit ihrer Mischung aus Reggae, Ska und HipHop einmal mehr um Tanzen. Egal, ob mit eigenen Stücken wie „Funky Reggae“ und „Dancing shoes“ oder Cover-Songs wie „One step beyond“ von MADNESS – DUBTARI setzten ein stimmungsvolles Ausrufezeichen hinter einen gelungenen Abend, der wie kaum ein anderer die Möglichkeit bot, sich stilübergreifend in Hamburgs Musik-Clubs auszutoben. Eindeutig zur Nachahmung empfohlen!