MOTHER TONGUE auf Tour – die Helden von damals! Es werden Erinnerungen wach, als ich die Band erstmals vor 14 Jahren live gesehen habe. Ihr Debütalbum, das ich eine Zeitlang rauf und runter gehört habe, lag damals schon acht Jahre zurück. Dummerweise lösten sich MOTHER TONGUE ja direkt danach auf, um sich aber 2002 neu zu gründen und mit „Streetlight“ sogar ein neues Album nachzulegen. Das waren Momente der persönlichen Glückseligkeit.
Es folgten zwei weitere Alben in den Jahren 2003 und 2008 und eine Best-Of als Beilage in der Visions. Warum das alles an mir vorbeiging, weiß ich heute gar nicht mehr. Vielleicht konnte ich mich zu dem Zeitpunkt eher für andere Bands begeistern, aber anno 2016 fühle ich mich manchmal etwas emotionslos, was neue Musik betrifft. Insbesondere, wenn ich das zum Beispiel mit meiner Begeisterungsfähigkeit für das Debütalbum von MOTHER TONGUE vergleiche.
Umso mehr freute ich mich auf eine Konzertreise in die Vergangenheit. Und da standen sie nun also wieder auf der Bühne. 22 Jahre nach dem Debüt, 14 Jahre nach meinem persönlichen Live-Debüt. War das die Originalbesetzung? Der Schlagzeuger schien mir noch recht jung, der wird damals nicht dabei gewesen sein, aber die übrigen Musiker konnte ich wiedererkennen. Zwar hatten die Gitarristen damals noch lange Haare und David „Davo“ Gould keinen Bart, aber sonst schien sich nicht sonderlich viel geändert zu haben. Und nach und nach fielen mir immer mehr Dinge auf, die mich auch 2002 so beeindruckt hatten. Während sich die Gitarristen Christian Leibfried und Bryan Tulo gerne in ausufernden Jam-Passagen bewegten, schien Davo, der optisch fast als Kopie von Rotze Santos durchging, als Kopf der Band die Songs zusammenzuhalten. Zugleich merkte man vor allem Davo in jedem Moment seine absolute Spielfreude an, sei es am Strahlen in seinen Augen, im Groove beim Bassspielen oder in seiner kommunikativen Art beim Umgang mit dem Publikum. Im Laufe des Auftritts holte er nach und nach diverse Zuschauer auf die Bühne, fragte sie nach ihrem Namen und baute sie irgendwie ins Set mit ein. Dass diese dort oben oft nicht wussten, was sie machen sollten – Schwamm drüber. An der Euphorie im Publikum merkte man, dass es an diesem Abend einzig und allein um die Musik ging. In rund anderthalb Stunden wurde ein bunter Querschnitt aus allen Alben geboten, mein persönlicher Favorit der Song „Damage“ – mehr Groove kann ein Song nicht haben.
Zum Finale gesellten sich alle involvierten Zuschauer des Abends noch mal auf die Bühne dazu, plus die Leute, die auch Lust hatten, mal dort oben zu stehen.
Es folgten fünf Minuten euphorischer Applaus und eine zweite Zugabe, die, wie die Band schließlich einräumte, eigentlich nicht eingeplant gewesen war. So wurden die letzten zwanzig Minuten eben frei improvisiert. In diesem Moment konnte man daran teilhaben, wie der kreative Prozess der Kalifornier im Proberaum ablaufen muss. Ein tolles, unvorbereitetes Zusammenspiel, in dem immer wieder mit wechselnden Dynamiken gearbeitet wurde. Guckt Euch diese Band an! Es lohnt sich!