Ja, wir kennen das. Jemand hat viel Gefühl für Musik, aber nicht genug, um ein Instrument zu spielen. Und wenn, dann reicht es nicht, um alleine das auszudrücken, was es auszudrücken gilt. Zum Glück gibt es heute elektronische Musik und die Möglichkeit, alles ganz alleine zu machen, sonst hätten wir vielleicht niemals etwas von APHEX TWIN gehört! Wir müssten auf diese großartigen diabolisch-liebevollen, auch abgrundtief hässlichen Geräusche und bezaubernden Klangwelten verzichten, in denen wir uns so gut wiederfinden, wenn wir an grauen Häuserschluchten vorbeischleichen, rennen, mit Schienenquietschen kämpfen, die Augen schließen vor fremdem Lichtgeflimmer. Und am Ende irgendwo liegen bleiben, wenn nichts mehr an uns zerrt, nur unser Innen endlich nach draußen will und der Welt zeigen, wie sie bei uns ankommt: groß, schwer, hell-dunkel und schön.
Tonia Reeh ist alleine und macht elektronische Musik. Tonia Reeh kennen wir vielleicht von der Gruppe MASONNE, und Tonia Reeh hat jetzt als MONOTEKKTONI ihr zweites Album aufgenommen. Dieses Album ist auch all das, was ich über APHEX TWIN geschrieben habe. Es ist nicht so klar, insgesamt nicht ganz so kühl, jedoch vielschichtiger und kratziger. Tonia Reeh gelingt es, der Welt, wie sie sie sieht, ihr Wesen vor Augen zu halten und gleichzeitig Musik zum laut Hören und Abtanzen zu produzieren. Sie erschafft eine Musik, die nicht nur elektronisch, also „ziemlich cool“, sondern auch von einem gewissen „zarten“ Faden durchwebt ist, ganz subtil unter kalten Beats verborgen, doch immer wieder in den kleinen Extra-Tönen zu finden, die MONOTEKKTONI von anderen Elektro-Solo-Menschen unterscheidet. Es zeigt sich hier für mich eine Art Liebe zum Leben – obwohl sich die Stücke 10, 11 und 12 extrem düster und grausam im Raum ausbreiten. Dann ist es wohl eher die Liebe zu einem anderen Leben als diesem hier, und Tonia Reeh sucht danach, will uns sagen, dass sie es sucht, und vor allem: warum. Der Hörer wird in seiner Einsamkeit zurück gelassen, wenn er die Antwort kennt, denn MONOTEKKTONIs Spiegel der Welt hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack von Isolation und Leere.
Doch all das ist wunderbar! Ich höre die CD dann einfach nochmal und nochmal, es wird nicht langweilig. Mir wird keine falsche Stimmung aufgezwungen, ich bin ganz da drin, ein Teil von dem, was sie mir vorführt, Tonia Reeh, MONOTEKKTONI, Stadtfrau auf dem Weg nach draußen.