„Wir machen keine Gefangenen!“, scheinen MINOH uns von der ersten Sekunde an lauthals ins Gesicht zu brüllen. Schon der Opener „Lick me where it bleeds“ kracht schonungslos über die Hörer:in herein, lässt vom Titel und auch textlich tausend Fragen offen und beantwortet sie gleich mit. Jamin und Guido haben sich zu einem Duo zusammengefunden, das weiß, wie die Stimmung angeheizt werden kann.
Auf „Where it bleeds“ wird’s mal wavig, dann krachend punkig, selbst dem Metal gegenüber ist man nicht abgeneigt und die Disco schimmert nicht nur wegen der massiven Tanzbarkeit des Albums durch. Einigen Songs merkt man die Isolation an, in der sie entstanden sind, während die Pandemie auf ihrem Höhepunkt war.
Die Wucht und die Dynamik von BLOC PARTY, aber auch die Songwriterkunst von beispielsweise PLACEBO oder die neonhellen Sounds der 80er drücken den Songs ihre Stempel auf und vermischen sich zu musikalischen Höhepunkten. Wenn dann nebenher die Gitarre noch kratzt und kracht, die Drums sich vom Programmieren fast überschlagen und dann noch nahezu zart die Streicher einsetzen, dann endlich sind MINOH auch mit ihrem Song zufrieden.
„Where it bleeds“ ist ein Kaleidoskop der Musikrichtungen, bleibt sich selbst aber stets treu und verliert nie seine leicht melancholische Grundlage, auf der wir uns alle einfinden, um gemeinsam dieses Album zu zelebrieren. Ob in der Kälte des Wavepops, der verschwitzten ersten Reihe des Punkkonzerts oder der luftigen Freiheit der Arena: Ein ziemlich imponierender Erstling, was aber auch nicht zu verwunderlich ist, nahm das Album doch sieben Jahre in Anspruch und haben die beiden Musiker:innen doch auch schon einige Jahre auf dem Buckel, was ihre musikalische Erfahrung angeht.
