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MELT!-Festival – Alles schmilzt…

Alles schmilzt oder verschmilzt, wird eins oder verbindet sich zumindest untrennbar miteinander. Rock und Elektronik, Gitarren und Plattenteller, Körper, Schweiß und Technik. Menschen vor oder in ihren Zelten, auf ihren Liegen. Oder auf einer der vielen Tanzflächen, vor den Bühnen, man kann es so oder so nennen. Musik, Bass, Bass und Sinneseindrücke bis zum Schwindel. Auch DAS BO war da. Leider nur sein Mikro kaputt. Nicht ärgern… MELT! Zum zehnten Mal. Herzlichen Glückwunsch. Welch ein Wochenende.
Ein Festival, bei dem so vieles anders ist. Eines ganz ohne Matsch, ohne Alkoholleichen (entweder, oder sie werden früh genug abtransportiert), eines, bei dem sich die Frauen schick machen, bevor sie tanzen gehen. Was man eben gerade für schick hält. Bereits auf dem Campingplatz ist die Musik besser als andernorts. Nirgendwo TURONEGRO oder ähnliches. Und erst das Gelände. Ach, es ist ein Traum: Unmittelbar am Gremminer See, umgeben von bis zu hundert Meter langen Maschinen ist man. Nachts mit Beleuchtung. Besser geht es definitiv nicht. Überall kann man sitzen, wenn man will. Trocken. Ohne Müllsack unter dem Hintern.
Das Wetter meint es gut. 35 Grad werden an beiden Tagen angezeigt. Das ist eine Menge, insbesondere, wenn man sich nicht die Mühe gemacht hat, einen Pavillon einzupacken. „Lieber mehr Getränke mit“. Die braucht man auch, wenngleich sich am zweiten Tag die Freude darüber nicht mehr so richtig einstellen will. „Eine gewisse Kühle hat es ja noch“ höre ich meine Begleitung sagen. Positiv denken! Und weiter schwitzen.
Auf das Gelände kommt man bei Tag und geht erst, wenn es schon wieder warm wird. Und hell ist. Was nicht sehr dienlich ist für manche Bands. Aber auch nicht viele Menschen stört. Apropos Bands. Oder Acts. Sagen wir Künstler: Die gab es zuhauf. Gute, glückliche, dankbare. Niemand von ihnen braucht Stimmung zu machen, denn die ist schon da. Überall. Alles läuft von allein. Nur spielen und sich freuen heißt es. Für die einen. Und das tun sie scheinbar alle. Die anderen dürfen sich nur freuen. Und tanzen. Überall. Wo sie gerade sind. Wenigstens mitwippen. Beim JEANS TEAM zum Beispiel. Manchmal auch nur dastehen, mit offenem Mund, wie bei FINAL FANTASY, der mit nur einer Geige und seiner herrlich klaren Stimme Schicht um Schicht aufeinander stapelt. Man kann auch einfach nur gut unterhalten werden, zum Beispiel von OLLI SCHULZ. Der ist ja zwischen den Liedern fast besser als während derselben. Das ist natürlich nicht böse gemeint. Auch Schwelgen kann man. Zu den schönsten CURE-Stücken, seit Robert Smith keine mehr schreibt. Die SHOUT OUT LOUDS waren auch da. Am Samstag. Herrlich. Und noch mehr…
Auch wenn ich hier schon angefangen habe; das übliche „erst ging ich hierhin und sah den und dann dorthin, um den zu sehen“ funktioniert hier nicht. Ich habe so viele gesehen, mal hier und mal dort und manchmal auch nicht länger als eine Viertelstunde. Überall ist Musik. Und fast überall gute. Die eine oder andere Band sehe ich doch zu Ende. Wie THE NOTWIST. Sie waren wunderschön. Ein wenig mögen sie wieder rocken, natürlich filigraner als früher, auch neue tolle Songs haben sie. Danach MOTORPSYCHO. Und dieses unmenschliche, dreiminütige Brummen in einem ihrer neuen Stücke. Danach ist es fast zu Ende für mich, das Melt! Lautstärke am Rande zur Körperverletzung. Die Band, die ich heute das 14. Mal sehe, klingt über weite Strecken nach doofem Stoner Rock. Doch auch „Vortex surfer“ kommt mal wieder. Aber nicht mehr für mich. Ich bin schon weg. Mein Ohr brummt. Sogar jetzt noch. Zehn Tage danach. Kein Scherz. Und nicht witzig.
Glücklich ist, wer schlafen kann. Die Hitze. Noch nicht Mittag. Ich glitsche aus dem Zelt. Döse draußen weiter. Bis zur zweiten Runde. Ich erinnere mich an die Worte von Frau Dr. Wolter in ihrem Blueprint-Bericht über das Hurricane Festival: Es ist ein Jammer, was man alles verpassen muss. Wie recht sie doch immer hat. Ich denke das, als ich von sehr guten GOOSE an TOCOTRONIC vorbei zu HEY WILLPOWER laufe. Dirk von Lotzow ist sehr präsent, was ich sehe, gefällt mir sehr. Eine halbe Stunde später gehe ich von umwerfenden HEY WILLPOWER wieder zurück, an TOCOTRONIC vorbei, die immer noch spielen und gerade mein liebstes Stück „Hi Freaks“ ansagen, das ich zu Ende sehe, zu MOUSE ON MARS. Und verpasse dabei auf der hinteren Bühne fast die mir bis dahin unbekannten BOOKA SHADE, von denen ich noch zehn großartige Minuten mitbekomme. Zu diesem Zeitpunkt haben HOT CHIP schon lange gespielt. Auch die habe ich gesehen. Ganz. Auch sie waren toll.
Der Höhepunkt der gesamten Tage für mich ist Anders Trentemoeller. Noch während des ersten seiner Stücke entscheide ich mich für Sitzen und kann in der folgenden Stunde kaum fassen, was der Mann, der sich Verstärkung an Bass und Schlagzeug mitgebracht hat, da veranstaltet. In angenehmem Wechsel werden Stücke des eher ruhigen „Last Resort“-Albums mit knalligen Techno-, Elektro- oder Drum´n´ Bass-Stücken vermischt. Untermalt wird das Ganze durch sehr stimmige Visualisierungen.
Warten auf das DEICHKIND. Und SNAP. Und was auch immer FRAKTUS sei. Ab jetzt geht alles ganz schnell. Ich löse mein Versprechen ein und sehe DIGITALISM. Ich höre UNKLE „Rabbit in your headlights“ anspielen, bevor sie ein fulminantes Konzertende hinlegen. Und ich danke JAN DELAY, den ich mir nicht lange ansehe, weil mir schon nach zwei seiner Ansagen schlecht ist. Dafür, dass er so lange macht, so dass ich noch ein bisschen SIMIAN MOBILE DISCO sehen kann. Ich höre kurz die PRESETS und denke, dass ich die unbedingt mal auf Platte testen muss. Auch wenn sie da bestimmt nicht den Anfang von „It´s a sin“ spielen. Oder doch? Gegen Ende bin ich ganz schön geschafft.
DEICHKIND spielt nach einem Lied von FRAKTUS, einer fiktiven Band aus einem Studio-Braun-Film, der irgendwann in die Kinos kommen soll. Die „Buh-Szene“ wird in einer Pause im DEICHKIND-Auftritt gedreht. Wir sind nun alle Statisten. Als DEICHKIND spielt, ist es schon wieder hell, und als DAS BO die Band in „Prost“ begleiten will, wie er das auf dem Album tut, ist sein Mikro kaputt. Er ärgert sich. Und für SNAP schließlich fehlt mir um sechs Uhr morgens die Geduld. Aber eine witzige Geschichte bleibt es dennoch. Für einige Zeit. Bis zum elften Melt!
Zum Schluss möchte ich nochmal Frau Dr. Wolter zitieren und „gute Rekonvaleszenz“ wünschen. Ich habe das nachgesehen, es bedeutet soviel wie Genesung. Mir und den anderen Hörgeschädigten.