Jahreswechsel. Zeit der guten Vorsätze. Aber was soll ich mir diesbezüglich für 2017 auf die Agenda schreiben? Mehr (bzw. überhaupt mal) Sport treiben? Hätte ich tatsächlich Lust zu, aber ich bin zugleich ehrlich genug, um mir einzugestehen, dass mir hierzu schlicht die Zeit fehlt. Weniger Alkohol trinken? Haha, guter Witz! Gesünder ernähren? Vergiss es, ich habe nun mal eine Schwäche für Junkfood und habe wirklich keine Lust, mir beim unverzichtbaren Verzehr zusätzlich zu den Kalorien auch noch ein schlechtes Gewissen aufzuladen. Und mit dem Rauchen kann ich auch nicht aufhören, denn hierzu müsste erst einmal mit dem Rauchen anfangen, und das erscheint mir nicht unbedingt sinnvoll. Was bleibt dann also noch an guten Vorsätzen übrig? Vielleicht die Blueprint-Artikel pünktlicher fertig zu stellen. Denn gerade unsere quartalsweise erscheinende Kurzreview-Rubrik „Kurz & schmerzlos“ fiel zuletzt vermehrt zeitlichen Verzögerungen zum Opfer. Also schauen wir mal, ob wir das Ding spätestens innerhalb der zweiten Januarwoche online kriegen. Falls nicht, hätte ich da schon einen guten Vorsatz für 2018…
ANDERS ENDA BARNET – I was quiet (popup-records, VÖ: 18.11.2016)
(so) Ja, das ist nett arrangierter, gut gespielter und durchaus auch interessanter Pop, den der Schwede ANDERS ENDA BARNET uns auf seinem Debüt darbietet. Pop, der mit Indieeinflüssen garniert wurde und seine Klänge teils den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entlehnt. Etwas anstrengend ist hierbei allerdings die Stimme des Musikers, die manchmal doch etwas zu quäkig aus den Boxen quillt. So ist es nicht immer ganz leicht, der Musik auf „I was quiet“ mit stetiger Begeisterung zu folgen. Dennoch zeigt dieses Album ein hohes Maß an Qualitäten, die nicht allen Musikern dieses Genres gegeben sind. (6,5)
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BABY KREUZBERG – “Twang twang” (Label: Timezone, VÖ: 04.11.2016)
(jg) MARCEESE heißt jetzt BABY KREUZBERG und hat sich auch musikalisch ein wenig verändert. Konnte man den Berliner bisher in die Schublade „Singer/Songwriter mit rauer Grunge-Stimme“ einordnen, tendiert BABY KREUZBERG mehr in Richtung Rockabilly à la BRIAN SETZER. Dazu ein Kontrabass und Schlagzeug, fertig ist der Roadtrip. Dabei besingt Marceese Trabus zerbrochene Beziehungen, kritisiert Gentrifizierung und schimpft auf Nazis. Auch wenn mir in den Texten ein wenig Tiefgang fehlt, könnte ein Abend im Pub mit BABY KREUZBERG als musikalische Begleitung und einem Bier in der Hand ein durchaus guter Abend werden. (6,5)
http://www.facebook.com/marceese73
BAD IMAGE COMPANY – „Dirty grunchez“ (Label: 7hard, VÖ: 28.10.2016)
(jg) Ein Album das klingt, als hätte man dem Sänger geraten, sich mal richtig auszukotzen. Musikalisch eingebettet zwischen ALICE COOPER, MÖTLEY CRÜE und den Anfängen von FAITH NO MORE. Achtziger Jahre Hair Metal mit jaulenden Gitarren, kritischen Texten (Songtitel wie „Fuck the police“, „Die sick nation“ und „Cocaine“) und einem Bäucherchen am Ende von „Drunk and alone“. Dass es das heute noch gibt… Huch, die Jungs sind ja erst Mitte zwanzig. Bitte aufhören oder zumindest etwas Anderes machen! (2)
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BRANDT BRAUER FRICK – „Joy” (Label: !K7/Warner, VÖ: 28.10.2016)
(jg) Vielleicht war der Grund das Alleinstellungsmerkmal, was BRANDT BRAUER FRICK ursprünglich auszeichnete und von immer mehr Bands adaptiert wurde: mit analogen Instrumenten elektronisch klingende Musik zu machen. Es musste also etwas Neues her und man entschloss sich dazu, das vierte Album zwar mit Gesang als rotem Faden zu versehen, ansonsten aber möglichst viele andere Stile einzubauen und mit nicht allzu eingängigen Melodien zu versehen. Das Ergebnis heißt „Joy“, ist aber alles andere als einfach zu hören. Und fröhlich ist es schon mal gar nicht. Zwischen EBM, New Wave, Elektronik und Acid Jazz schaffen BRANDT BRAUER FRICK ein verkopftes neues Album, das im Info nicht zu Unrecht als Nietzsche-Album bezeichnet wird. Ein bisschen mehr Pop-Appeal wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen. (6)
http://www.facebook.com/BrandtBrauerFrick
CALLIN TOMMY – „Sweet toxin“ (Label: Eigenregie, VÖ: 2.12.2016)
(jg) Unser Schreiber Bernd erkannte ja kürzlich vollkommen richtig, dass Mofa-Punk momentan im Kommen ist. CALLIN TOMMY spielen aber in einer Klasse mit größerem Hubraum: Biker Rock. Jedenfalls ist das die Optik mit der sie kokettieren. Tatsächlich kommen hier mit Sängerin Inga, ein paar ganz coolen ROCKET FROM THE CRYPT-ähnlichen Bläsern und Ska-Ansätzen auch andere Stile genauso zum Zuge, so dass sich am Tresen der Biker problemlos mit dem Punkrocker zuprosten kann. (6)
http://www.facebook.com/callintommy/
CHAPTER 5 – „Ages“ (Among Clouds Records, VÖ: 11.11.2016)
(so) Würzburg hat nicht nur den erfolgreichsten deutschen Basketballer hervorgebracht, sondern immer wieder auch tolle Bands. So wie CHAPTER 5, die mit ihrer EP „Ages“ in flirrende Höhen aufsteigen, ohne dass man Angst haben müsste, sie könnten fallen. Und von einem DAMIEN RICE als Vergleichspunkt ist die Absturzhöhe doch schon beträchtlich. CHAPTER 5 halten hier aber mit jeder Menge Qualität und musikalischer Schönheit dagegen, überzeugen vom ersten Ton an mit Musik, die man schlicht in die Arme schließen und nie mehr loslassen möchte. Leider handelt es sich hier nur um eine EP, ich will das Album. Schnell. Irgendwo zwischen Indie, Americana und Singer/Songwriter spielt sich das ab, was uns hier angeboten wird, ist aber eigentlich auch egal. Hören, hören, hören! (8,5)
http://www.facebook.com/chptr5/
DUTCHESS SAYS – „Sciences nouvelles“ (Label: Slovenly, VÖ: 14.10.2016)
(jg) Die Moogklänge, die manchmal an Casio-Sounds erinnern, kommen gelegentlich ein wenig überraschend. Ansonsten lassen sich DUTCHESS SAYS aus Montreal schnell in der Riot-Girl-Szene verorten. Bis plötzlich New Wave-Songs folgen, die von Surf-Gitarren und NDW-Drumbeats abgelöst werden und schließlich ausufernde Parts à la THE LOW FREQUENCY IN STEREO folgen. Ganz so einfach lässt sich das Gebräu, das DUTCHESS SAYS hier zusammengemengt haben, wohl doch nicht einsortieren. (5,5)
http://www.facebook.com/duchesssays
FEEDER – „All bright electric“ (Label: Cooking Vinyl, VÖ: 07.10.2016)
(jg) Nach den ersten Takten schreckte ich ob des fetten Sounds ungelogen ein ganzes Stück von der Anlage zurück. Dabei meinen FEEDER es gar nicht böse. Die Harmonien sind so zugänglich, dass die Massen bedenkenlos zugreifen können. Das Ganze versehen mit einem Hauch Stoner Rock im Gitarrensound, und fertig ist ein ordentliches Album britischer Rockmusik. Das klingt so, als wollte man die QUEENS OF THE STONE AGE ein wenig glätten und das alles mit einer bombastischen Produktion versehen. Experiment geglückt, dürfte sich verkaufen wie geschnittenes Brot. Ich finde es öde. (4,5)
http://www.facebook.com/feederweb
FIGHTING CHANCE – “Lightsout” (Label: Horror Business Records, VÖ: 07.10.2016)
(jg) FIGHTING CHANCE machen im Prinzip alles richtig: kompromissloser Hardcore mit einem ordentlichen Shouter, technisch sehr versierten Musikern und einer kraftvollen Produktion, die aber gleichzeitig nicht Gefahr läuft, steril zu klingen. Dazu gesellt sich ein zweiter Sänger, der in den melodischen Screamo-Momenten zur Geltung kommt, wo die Dortmunder stellenweise sogar an THE USED erinnern. Dies alles ist insbesondere beachtenswert, weil es sich bei „Lightsout“ um das Debütalbum von ihnen handelt. Nur ein einziges Manko hat dieses Album – allzu innovativ ist das im Jahre 2016 leider nicht mehr. (6,5)
http://www.facebook.com/fightingchanceofficial
HALOROID – „Repeat repeat repeat“ (Finest Noise, VÖ: 30.12.2016)
(so) „Nicht allzu nostalgischer Indierock“? Nun ja, liebe Presseinfo, da müssen wir aber noch mal über die Bedeutung des Wortes nostalgisch reden. Denn die CD klingt doch derbe nach SMASHING PUMPKINS, SOUNDGARDEN und ähnlichen Größen, dass hier durchaus ein leicht rückwärts gewandter Blick durchscheint. Wenn nicht sogar alles andere überstrahlt. Das macht die Musik von HALOROID jetzt nicht schlechter, aber ist eben auch kein Alleinstellungsmerkmal. Gut gemachter Gitarrenindie, der sicherlich seine Anhänger hat und haben wird. Leider aber nichts, was aus der Masse hervorsticht. (5)
http://www.facebook.com/haloroid/
JOHN McDONOUGH – „Surrounding colors“ (Eigenvertrieb, VÖ 28.10.2016)
(bc) JOHN McDONOUGH kommt aus Texas und macht Americana-beeinflusste Singer/Songwriter-Musik, wie man sie zuletzt an jeder Milchkanne gehört hat. Dass er mir mit seinem Album „Surrounding colors“ dennoch kein müdes Gähnen entlockt, liegt zum einen an der Qualität seiner Songs, die durchaus oberhalb des Durchschnitts angesiedelt ist, und zum anderen an seinen Texten, mit denen er weit über den Tellerrand seiner eher konservativ geprägten Heimat hinausschaut. So positioniert er sich in seinen Liedern beispielsweise klar gegen Antisemitismus und setzt sich für die Gleichbehandlung der LGBT-Community ein. Alleine schon aus diesen Gründen sollte man ihm Gehör schenken. (6,5)
http://www.facebook.com/johnmcdonoughlive
LINT – “Then they came for us” (Label: Popup-Records, VÖ: 11.11.2016)
(jg) Post-Rock aus Norwegen, irgendwo zwischen EXPLOSIONS IN THE SKY, MOGWAI und JUNIUS. Bei allen hypnotischen Momenten und sphärischen Sounds bleibt hier überraschend viel Platz für eingängige Melodien. Und was im Post-Rock ja nicht selbstverständlich ist und mich positiv stimmt, ist die Entscheidung, auch mit Gesang zu arbeiten. Schade ist nur, dass das Schlagzeug sehr dumpf und matschig aufgenommen wurde, gerade in den Wall-of-Sound-Momenten völlig untergeht. (5)
http://www.facebook.com/lintmusic
LITTLE CHILDREN – „f.f“ (Label: Cosmos Music, VÖ: 21.10.2016)
(jg) Bevor Linus Lutti unter dem Namen LITTLE CHILDREN anfing, Musik zu machen, arbeitete er in Schweden als Barkeeper und Therapeut. Gute Kombi! Die ihn zuletzt allerdings selbst runterzog, bis ihm die Musik neuen Halt gab. Als Gäste lud er sich u.a. Musiker von ANNA TERNHEM und LYKKE LI ein und macht nun selbst Musik, die etwas an THE WAR ON DRUGS, vor allem aber an die ruhigeren Songs von TIGER LOU erinnert. Manchmal tatsächlich sogar an BRUCE SPRINGSTEEN. Insgesamt vielleicht ein wenig zu gefällig, aber ein gutes Gespür für Melodien hat Lutti ohne Zweifel. (6,5)
http://www.facebook.com/littlechildrenmusic
LITTLE EYE – “Dreamers”-EP (Label: Finest Noise, VÖ: 30.12.2016)
(jg) Kennt jemand den „Clyde 1 in demand Band of the year award“? Ich nicht. Scheint aber eine Info wert zu sein, den dortigen ersten Platz im Promozettel zu erwähnen. Dann vielleicht doch eher, dass die Schotten bereits dreimal auf dem Isle of Wight-Festival spielen durften. Ihre Musik ist jedenfalls sehr auf Erfolg ausgerichteter Alternative Rock, irgendwo zwischen BIFFY CLYRO und CASABIAN zu verordnen, natürlich perfekt produziert, im Songwriting aber wenig überraschend. (3)
http://www.facebook.com/LittleEyeOfficial
LONG TALL JEFFERSON – „I want my honey back“ (Analogsoul, VÖ: 28.10.2016)
(so) LONG TALL JEFFERSON klingt ganz wunderbar nach spätabends im Pub, nach dem einen oder anderen Glas zu viel, viel Melancholie, ohne dabei die Farben des Lebens allzu grau zu färben. Einfach wirklich schöne Singer/Songwriter-Musik, die sich aber aufgrund ihrer Schwere und Ernsthaftigkeit nicht so nebenbei genießen lässt, sondern schon den ganzen Hörer erfordert. Und gibt man dem Album diese Aufmerksamkeit, so zahlt es der Musiker schnell zurück, denn man lehnt sich zurück und genießt, wie man es vielleicht sonst von den guten Platten WILLIAM FITZSIMMONS‘ oder auch CONOR OBERSTs gewohnt ist. Zarte Musik, gute Stimmung, warme, intime Atmosphäre, dieses Album kann wirklich was. (7,5)
http://www.facebook.com/longtalljefferson
MARC O’REILLY – „Morality mortality“ (Fintage Music, VÖ: 28.10.2016)
(so) Psychedelischer Gitarrenrock der 70er-Jahre-Schule, eingebettet in irgendwie folkige Nummern, gemischt mit Country- und Songwriter-Elementen, die nicht genau erschließen lassen, wohin der Weg von MARC O’REILLY nun eigentlich führen soll. Und so wirkt das Gesamtwerk auch etwas durcheinander und unschlüssig. Eigentlich schade, denn Potential ist in jedem Falle da. (4)
http://www.facebook.com/marcoreillymusic
MASQUES – „Stumble, then rise“ (Bekassine Records, VÖ: 25.11.2016)
(so) Was ist denn dieses Mal los? Was habe ich falsch gemacht, dass ich mit anstrengender Musik überschüttet werde? MASQUES machen es dem Hörer nicht leicht, klingen sie mal nach zartbesaiteten Songwritern, dann wieder nach wavegeschwängerten, fast schon DEINE LAKAIEN-mäßigen Gothics. Das Wort „skurril“, das in der Presseinfo auftaucht, trifft ganz gut das, was hier passiert. Denn so ganz zu packen, geschweige denn zu beschreiben ist „Stumble, then rise“ nicht wirklich. Ach, egal, hinfallen, Krone richten, aufstehen. So interpretiere ich jetzt einfach mal den Albumtitel, nachdem ich mir das Album zu Gemüte geführt habe. (4,5)
http://www.facebook.com/masquesmusic
MUCH BETTER – THANK YOU 😉 – “… just a dream” (Label: Finest Noise, VÖ: 18.11.2016)
(jg) Et voilà – der erste Bandname mit einem eingebauten Smiley! Und hoffentlich der letzte… Wobei man sagen muss, dass hier wirklich alles stimmt. Für einen Verriss. Das Artwork mies, das Booklet sieht aus, wie wahllos aus einem Fotoalbum zusammengeschustert, und für die Musik gilt dasselbe: Kirchenchor-Sopran trifft auf einen meist dünnen Bass und wechselnde, aber nie gut klingende Gitarrensounds. Gelegentlich gesellt sich noch eine Geige dazu, und musikalisch heißt es: alles kann, was irgendwie passt. Slapbass: klar!, Psychedelic-Sounds: why not? Rhythmisch sieht es nicht anders aus, und es wird munter vom Dreiviertel-Takt in den Offbeat gewechselt und wieder zurück. Was in anderen Fällen vielleicht nach Math Rock klingt, wirkt hier eher wie Konzeptlosigkeit. (2)
http://www.facebook.com/MuchBetterThankYou
MYLES SANKO – „Just being me“ (Label: Légère Recordings, VÖ: 28.10.2016)
(jg) Schön, wenn wir bei blueprint gelegentlich Alben zugeschickt bekommen, die den sonst üblichen Genres von Indie, Punk und Hardcore nicht entsprechen. MYLES SANKO ist so ein Fall. Musikalisch würde ich den Briten am ehesten dem Mojo Club zuordnen. Irgendwo zwischen Soul, ein wenig Funk und R&B klingt MYLES SANKO wie der kleine Bruder von GREGORY PORTER. Leider aber eben nur wie der kleine. Ecken und Kanten sucht man hier vergeblich, die Stimme nicht so tief und warm wie von Mr. Porter, dann schon eher in Richtung CRAIG DAVID tendierend. Zum Frühstück am Samstagmorgen ist dieses Album aber allemal schön zu hören. (6)
http://www.facebook.com/mylessanko
ØL – “Decades” (Label: Art Development Productions, VÖ: 21.10.2016)
(jg) Haben ØL nicht im Sommer auf dem Dockville gespielt? Ach, nee. Das war MØ aus Dänemark. Bei den ganzen Durchschnittszeichen kommt man ja völlig durcheinander. ØL machen jedenfalls etwas unspektakulären Emorock, der mich ein wenig an alte JIMMY EAT WORLD und GET UP KIDS erinnert. Als die noch schief klangen und nicht so gut waren wie zu ihrer Hochphase. Nicht gerade modern, aber zum 20jährigen Bandjubiläum muss man sich ja auch nicht unbedingt neu erfinden. (4)
http://www.facebook.com/OELROX
PASCAL GAMBONI & REES CORAY – „Veta gloriusa“ (R-Tunes, VÖ: 02.12.2016)
(so) Okay, das ist also rätoromanische Musik. So vielfältig wie die Sprachen in der Schweiz, so vielfältig ist auch die Musik dieser beiden Herren. Sicherlich sehr interessant, dabei aber auch sehr anstrengend. Denn all die vielen Einflüsse wollen erst einmal verarbeitet werden, und das ist nicht immer ganz leicht, da man mit den Gedanken kaum hinterher kommt. Vom Grundsatz her ist das sicherlich Singer/Songwriter-Musik, aber manchmal hat man das Gefühl, ein versteckter Hinweis weniger wäre durchaus mehr gewesen. File under: anstrengend schön. (6)
http://www.facebook.com/PascalGamboni
PRETTY MERY K – „Big brown eyes“ (In Bloom Records, VÖ: 14.10.2016)
(so) Bei den ersten Takten denkt man, es handelt sich um eine Fehlpressung und eigentlich ist das ein PLACEBO-Album. Leider ist dieser Eindruck nur sehr kurzfristig, denn hernach ergehen sich die Berliner PRETTY MERY K in elegischen Songs mit Hipster-Anteilen, die einfach so nach Berliner Boheme klingen, dass einem schnell die Lust am Weiterhören vergeht. Mir ist das zu gewollt, zu aufgesetzt und zu wenig ehrlich. Schade. (3)
http://www.facebook.com/prettymeryk
SEDUCERS – „The singles“ (Label: Flight 13, VÖ 09.12.2016)
(bc) Vorsicht, der Titel ist irreführend! Bei diesem Longplayer handelt es sich nämlich keineswegs um eine Single-Compilation, sondern um das zweite reguläre Album der Band aus Freiburg. Amtlicher Retro-Sound zwischen Garagenrock, Rock´n´Roll, Proto-Punk und Surfgitarren. Ein paar typische BEATLES-Chöre kann man ebenfalls ausfindig machen, wie beispielsweise in „Explosion“. Insgesamt zwölf abwechslungsreiche Songs, die spieltechnisch sehr gut in Szene gesetzt wurden. Ein heißer Tipp für Fans der LOMBEGO SURFERS, mit denen sich die SEDUCERS im Übrigen auch das Label teilen. (6,5)
http://de-de.facebook.com/The-Seducers-174778359003/
STEILFLUG – „Startbahn Trier West“ (Label: D7, VÖ: 28.10.2016)
(jg) Ich zitiere aus dem Info: „Klassischer Hardrock mit Texten kluger deutscher Liedermacher von Wolfgang Niedecken bis Klaus Lage“. Ich kenne mich nicht allzu sehr mit BAP und KLAUS LAGE aus, aber haben die beiden auch in der Hälfte ihrer Texte vom Verlassen werden gesungen und gegen „die da oben“ gewettert? Dieses schlichte Denken, dass das Volk gut ist und die Politiker und Mächtigen böse und korrupt sind, hatte ich bisher eher Pegida und den Onkelz zugeordnet. (2)
http://www.facebook.com/SteilFlug
TAKEN BY GIANTS – s/t (out now)
(bc) Keine Ahnung, warum man ausgerechnet mir diese MCD unter den Promo-Stapel geschoben hat. Vielleicht weil ich A.F.I. mag, an die der Opener „T.Y.T.T.T.S.“ (sorry, der Song heißt wirklich so…) entfernt erinnert. Allerdings an die A.F.I. aus der „Burials“-Ära, die ich persönlich als die schwächere Phase der Band betrachte. Ansonsten fallen mir bei dem Alternative Rock von TAKEN BY GIANTS noch BIFFY CLYRO ein, an deren Klasse dieses Trio jedoch nicht heranreicht. Bleibt als kurzes Fazit: Gut, aber nicht berauschend. (6)
http://www.facebook.com/takenbygiantsofficial/
THE DEADNOTES – „I’ll kiss all fears out of your face“ (Label: KROD Records, VÖ: 07.10.2016)
(jg) Die DEADNOTES aus Freiburg habe ich im Sommer eher zufällig in einem kleinen Club in Cuxhaven gesehen. Die drei Jungs kamen gerade aus Schweden, die dortige Tour hatten sie selbst organisiert. Weil sie Lust drauf hatten. Bewundernswert auch deshalb, weil die Jungs schätzungsweise Anfang zwanzig waren und zudem sehr sympathisch rüberkamen. Zwar waren sie an diesem Abend nur Vorband, räumten aber mit ihrem melodischen Emopunk und gutem Gesang alles ab. Ich fühlte mich an THE CRIBS erinnert. Aus den wird mal was.
Leider kann ihr Debütalbum diese Erwartungen aber nicht erfüllen. Die Produktion klingt mehr nach Proberaum als Studio, der Gesang merkwürdig gepresst und die Songs nach Emo der Neunziger, die Texte ebenso. Aber live würde ich sie mir trotzdem wieder angucken. (5)
http://www.facebook.com/thedeadnotesofficial
TSCHAIKA 21/16 – „Tante Crystal uff Crack am Reck“ (Noisolution, 11.11.2016)
(so) Zum Glück ist dieses Album an einem 11.11. veröffentlicht worden. Denn so ganz ernst zu nehmen ist es eigentlich nicht. Völlig verspult, laut, verrückt und schlicht nervenaufreibend ist das, was uns diese Tante auf Crack hier anbietet. Metalgitarren vereinigen sich mit Bläsern, um sich im Ska zu treffen und doch unvereinbar zu bleiben. Für diese CD braucht man Nerven wie Drahtseile, ich kann mir vorstellen, dass selbst Chuck Norris hier an seine Grenzen kommt. Wer ein bisschen mehr Stress in seinem Leben braucht, sollte hier dringend zugreifen! (2,5)
http://www.facebook.com/tschaika2116
WAYNE GRAHAM – „Mexico“ (K&F Records, VÖ: 07.10.2016)
(so) PAUL SIMON etwas zu langsam abgespielt. Das war der erste Gedanke, den ich zu „Mexico“ im Kopf hatte. Der nächste ist „verdammt gute, vom Country besuchte Musik, die schnell überzeugt.“ Da merkt man, dass hier bereits seit vielen Jahren gemeinsam musiziert wird, handgemacht und für ihren Herkunftsort durchaus besonders. Ein wirklich überzeugendes, irgendwie vertraut klingendes Album, das WAYNE GRAHAM hier vorgelegt haben. So, als hätte es schon länger im eigenen Kopf gewohnt, sich nur noch nicht vor die Tür getraut. Im besten Sinne des Wortes zurückhaltend. (6,5)
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