Vor kurzem entdeckte ich in Hamburg einen Friseur, der sich offensichtlich unserer Quartalsrubrik der Kurzreviews verschrieben hatte (siehe Foto). Da fiel mir ein Text von Max Goldt ein, in dem er die Kreativität von Haarschneidern bei der Findung eines Namens für ihren Laden thematisierte. Den unrühmlichen Spitzenplatz belegte ein Barbier mit dem Namen „Kaiserschnitt“.
Mir wurde nun ein Coiffeuer zugetragen, der anscheinend auf die Pole Position drängt. Sein Salon heißt „Viel zu lange hair“.
In diesem Sinne!
1. FUTUROLOGISCHER CONGRESS – „Crash!“ (Label: FUEGO, VÖ: 02.09.2016)
(jg) Wie klingt es, wenn ein Studiomusiker ein politisch-ökonomisches Album machen will? Nicht gut. Hier stimmt einfach nichts. Hässliches Artwork, dämliche Texte, und stilistisch werden alle möglichen Stile zwischen SEEED, HERBERT GRÖNEMEYER und Oper angeschnitten. Man hätte es bereits bei der Wahl des Band-/Projektnamens erahnen können. Ach ja, der Comedian Hans-Werner Olm hat hier auch noch seinen Gastauftritt… (2)
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COJONES – „Resonate“ (Label: Noisolution, VÖ: 09.2016)
(so) Wenn ich „Heavy-Rock-Band“ lese, lege ich die CD eigentlich sofort wieder weg (siehe VENDERKAST). Im Falle von COJONES war ich jedoch überrascht, klingt „Resonate“ doch nicht nur nach extremen Gitarren und deren Soli, sondern hat recht viele Einflüsse aus den Bereichen Wave, Psychedelic und Alternative, heißt: lässt sich durchaus hören, dieses Werk. Gerade, weil es sich nicht strikt an die Genregrenzen hält, sie vielmehr häufig überschreitet und den Hörer immer wieder zu überraschen versteht. Teilweise werden Erinnerungen an MARILLION wach, fast schon natürlich rufen auch die 70er laut nach ihrem Recht. Aber den COJONES ist hier ein wirklich interessantes Hardrock-Album gelungen, das nicht nur langhaarige Metalheads überzeugen könnte. (6,5)
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GROUNDSWIMMER – „Rocket“ (Eigenvertrieb, VÖ 16.07.2016)
(bc) Aaaaaalter, ist das langweilig!!! GROUNDSWIMMER machen absolut belanglose Rockmusik, der sich zwar einerseits an vielen Töpfen bedient, aber trotzdem zu keinem Zeitpunkt spannend erscheint. Ein bisschen Folk hier, ein wenig Hardrock da, ein bisschen Songwriter dort. Lediglich der stellenweise engagierte Gesang haucht dem Ganzen ein wenig Leben ein, ansonsten gibt es hier nichts, was man nicht schon tausendmal besser gehört hat. (3,5)
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GYPSY SOUL – „True“ (Label: Off The Beaten Track, VÖ 17.06.2016)
(bc) Ein weiteres gemischtgeschlechtliches Songer/Songwriter-Duo, diesmal aus dem schottischen Edinburgh. Sie singt, er ist für die Instrumentierung zuständig. Laut Info ist „True“ bereits das 13. Album der beiden, entsprechend versiert und eingespielt klingen auch die Lieder, die sie auf diesem Werk abliefern. Dass GYPSY SOUL jedoch trotz aller Professionalität sehr vorhersehbar sind, beweist der Umstand, dass sie sich bei der Auswahl des Quoten-Coversongs ausgerechnet mit LEONARD COHENs „Hallelujah“ den am öftesten gecoverten Song der Musikgeschichte rausgepickt haben. Einen Kreativpreis gibt es dafür jedenfalls nicht. (5,5)
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JENAI HUFF – „Color wheel“ (Label: Eigenregie, VÖ: 07.2016)
(so) Das Genre „Singer/Songwriter“ löst bei mir einen Pawlowschen Reflex aus: Lese ich davon in CD-Ankündigungen, muss ich eigentlich zugreifen. Natürlich kann man dabei nicht immer Glück haben. Was nicht heißen soll, dass „Color wheel“ von JENAI HUFF ein schlechtes Album ist, aber… es ist eben nur eines unter sehr, sehr vielen besseren. Ob das nun die Stimme, die teilweise nicht ganz auf der Gesangslinie bleibt, die eher langweilige Instrumentierung oder die Abmischung betrifft, bei diesem Album gibt es noch ganz viel Raum nach oben. Dass der genutzt werden kann, dafür gibt es eine gute Grundlage. Mehr aber auch noch nicht. (4)
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METEORS – „The power of 3“ (Label: Mutant Rock Records, VÖ 29.07.2016)
(bc) Tja, was soll man zu THE METEORS noch groß schreiben? Auch nach 37 Jahren Bandgeschichte und über 30 Alben haben es die Altmeister des Psychobilly immer noch drauf. Dass man auf „The power of 3“ keine großen Neuerungen oder Überraschungen erwarten darf, sollte eigentlich klar sein, dafür gibt es die gewohnt explosive Mischung aus treibendem Rock´n´Roll und verstörenden Horror-Stories zu hören. Welcome on the Devil´s side! (666)
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NOCEAN – „Nothing to hide“ (Label: Attitude Recordings, VÖ 01.04.2016)
(bc) NOCEAN kommen aus Schweden und huldigen dem Hardrock der 70er und 80er Jahre, wobei sie sich stellenweise ziemlich nah an der Grenze zum Metal bewegen. Im Gegensatz zu den recht erdigen Riffs steht dabei die helle und melodische Stimme der Frontfrau, die ein wenig an Gwen Stefani erinnert. Dennoch dürfte „Nothing to hide“ vor allem für die Langhaar-Fraktion interessant sein, die beim Blueprint bekanntermaßen eher selten anzutreffen ist. (4,5)
http://www.facebook.com/noceantheband
ROMAN WREDEN – „Let go & drift“ (Label: Timezone, VÖ: 30.09.2016)
(jg) „ROMAN WREDEN bewegt sich musikalisch in einer völlig eigenen Welt“, sagt das „Music Eagle“. Was für ein schöner und vor allem zutreffender Satz. Nach den ersten Takten dieses Albums war ich hin und weg. Was ist das hier bitte für ein Juwel aus Stuttgart mit einer Stimme, die zwischen JAY-JAY JOHANSON und OTHER LIVES schwankt? Dazu melancholischer Folk, schön arrangiert, mit dem richtigen Gespür für Melodien und der nötigen Ruhe, um Gefühle auszudrücken. Mit dem folgenden „December“ ist ROMAN WREDEN zudem ein wahrer Ohrwurm im Refrain gelungen, der mich seit Tagen im Kopf begleitet. Doch leider fällt das Album nach dem tollen Beginn songwriterisch stark ab und kann sich vom Mittelmaß der Folkpop-Alben leider nicht mehr abheben. Schade. (6)
http://www.facebook.com/romanwredenband
SCHMUTZKI – „Spackos forever“ (Label: Four Music, VÖ 05.08.2016)
(bc) SCHMUTZKI geben weiter Gas: Nachdem sie erst im vergangenen Jahr ihr Debütalbum „Bäm“ rausgeschossen und in der Folgezeit unermüdlich Konzerte abgerissen haben, kommen sie nun bereits mit dem Nachfolger um die Ecke. Die Rezeptur aus Indie-Rock, Alternative und einem kleinen bisschen NDW-Feeling ist auf „Spackos forever“ unverändert geblieben, auch die Texte kommen nach wie vor ironisch und partyfreudig rüber. Stimmungs-Mucke für den Teil der Generation Facebook, die zwar einerseits noch Lust auf handgemachte Gitarrenmusik hat, die zu Punkrock im eigentlichen Sinne aber wiederum keinen Zugang finden kann. (6)
http://de-de.facebook.com/schmutzki
SHELL-I – „My inner smeye“ (Label: Motor, VÖ: 16.09.2016)
(so) Eine mysteriöse Entdeckung nennt die Presseinfo SHELL-I. Ich nenne das eher poppige Singer/Songwriter-Musik für die breite Masse, die einen Hang zu ausschweifenden, teils metallischen Gitarren hat. Das Mysteriöse kann ich dabei nicht entdecken, leider. Irgendwie ist die Zeit des Crossover ja auch doch schon seit etwas längerer derselben vorbei und es gab so einige Bands, die das besser beherrschten als SHELL-I. Auch stimmlich passt hier die Musik nicht zum Gesang, es wirkt auf eine Art aufgesetzt, die nicht besonders ansprechend ist. Selbst, wenn es dann ruhiger wird, klingelt es eher im Gehör, als dass es klingt („There where the light is“). Aber wenn man, um mich kurz zu wiederholen, durchaus den einfach gestrickten, aber hart klingenden Gitarren zugeneigt ist, sollte man eventuell „My inner smeye“ doch mal ein Ohr schenken. Meines benötigt jetzt erstmal Ruhe. (2,5)
http://www.facebook.com/musicofshelli
SPARKLING – “This is not the paradise they told us we would live in”-EP (Label: SPARKLING/popup-records, VÖ: 16.09.2017)
(jg) Ein Spiegel-Coverartwork hatten zuletzt doch THE ROBOCOP KRAUS auf ihrem Album „Living with other people“. Habt Ihr mitbekommen, dass THE ROBOCOP KRAUS sich wieder zusammengetan haben, zumindest wieder Konzerte spielen? Oh, ich schweife ab. Aber SPARKLING aus Köln erinnern auf dieser EP auch musikalisch ein wenig an die Band aus Nürnberg. Und an THE STREETS. Und BONAPARTE. Sehr international jedenfalls. Könnte was werden, mit der Karriere. (6,5)
http://www.facebook.com/Sparklingofficial
SUMMER CROWD STEREO – „Parallels and meridians“ (Label: couch’n’candle, VÖ: 26.08.2016)
(so) Nach einem Hamburger Songwriter klingt dieses Album aufs erste Hören definitiv nicht. Nach einem sehr begabten dagegen ohne jede Frage schon. Sehr reduziert, nur mit Gitarre und der eigenen Stimme bewaffnet, tritt Sven Weiss an, die Welt mit handgemachtem Pop zu beglücken. Und man kann sagen: Das gelingt ihm durchaus. Natürlich klingen sie durch, die großen dieser Zunft, ob sie nun ELLIOTT SMITH oder DAMIEN RICE heißen. Aber SUMMER CROWD STEREO, dieser Hamburger Junge, hat so viele eigene Ecken und Kanten zu bieten, dass man ihn nicht vergleichen, sondern hören sollte. Ein gelungenes Album aus dem Pawlowschen Genre… (7,5)
http://www.facebook.com/summercrowdstereo
THOSE BLACK MARKS – „Darwinian“ (Label: Oligarch, VÖ 03.06.2016)
(bc) Na bitte! Genau so sollte Alternative-Rock klingen: Druckvoll, melodisch und hymnenhaft! THOSE BLACK MARKS aus Dublin haben auf „Darwinian“ ein paar richtig gute Songs versammelt und schicken sich an, den Geheimtipp-Status in Kürze hinter sich zu lassen. Schwer zu glauben, dass es sich hierbei um das Debütalbum der Band handelt. Lassen wir uns überraschen, wo es die Jungs noch hin führt. (7)
http://www.facebook.com/thoseblackmarks
VALKYRIANS – „Double barralled“ (Label: Pork Pie, VÖ 20.05.2016)
(bc) Zum Thema Wiederveröffentlichungen dürften die Pro- und Contra-Argumente hinlänglich bekannt sein, daher beschränke ich mich in diesem Fall einfach mal auf die Fakten: Mit ihrem Debüt „High & mighty“ (2006) und dem darauffolgenden „The beat of our street“ (2009) haben THE VALKYRIANS einst zwei großartige Ska-/Rocksteady-Alben veröffentlicht, die seit einigen Jahren nicht mehr erhältlich waren. Dank „Double barrelled“ gibt es nun wieder die Möglichkeit, diese beiden Werke für schmales Geld zu erwerben und man erhält zudem auch noch diverse Bonustracks, von denen alleine das im jamaikanischem Gewand daherkommende DEAD KENNEDYS-Cover „Too drunk to fuck“ die Investition rechtfertigt. (7)
http://www.facebook.com/thevalkyrians/
VEDERKAST – „Northern Gothic“ (Label: Noisolution, VÖ: 09.2016)
(so) Ich weiß ja auch nicht… aber diese Art von Musik wird wohl (trotz des schönen Wortes „Gothic“ im Titel des Albums) nie auf meine Gegenliebe stoßen. Zu selbstverliebt und instrumentenverliebt klingt sie mir, zu viel Rückkopplung, zu hoher Männergesang, zu wenig Melodie, zu lange Songs, zu viele Soli, zu wenig Zeit für die ruhigen Momente. Leider ist es bei VEDERKAST ganz genauso. Tut mir sehr leid für die Band, aber mich bekommt ihr nicht. Ihr seid aber auch nicht die ersten, die es versucht haben. (3)
http://www.facebook.com/vederkast