Die Followill-Brüder plus Cousin spielen sich frei und präsentieren mit „Because of the times“ ihr drittes und bisher vielfältigstes Album. Soweit erst mal ein abgestandener Standardsatz zu Beginn. Von einigen selbstauferlegten Gesetzen hätten sie sich befreit und im Gegensatz zum letzen Album mehr gewagt, sagen sie selbst. Kann man durchaus zustimmen, aber einen völlig neuen Ansatz muss man deswegen auch nicht befürchten.
Vor vier Jahren sorgten die Söhne eines Wanderpredigers mit ihrem Debüt „Youth and young manhood“ ja allerorts für große Augen. Teilweise noch nicht einmal volljährig, aber schon dermaßen abgeklärt (und mit Vollbart) den No-Style-New-York-Hipstern gezeigt, was eine furztrockene Harke ist. Zwischenzeitlich haben sie mit „Aha shake heartbreak“ einen knarzigen Nachfolger hingelegt und die ganz großen Stadien zum Beispiel im Vorprogramm von U2 gespielt. Und wüsste ich das nicht, wäre es mir wohl gar nicht in den Sinn gekommen, aber es gibt tatsächlich Parallelen zwischen „Because of the times“ und U2 zur Zeit von „Joshua Tree“ und „Rattle and hum“. Also damals, lange bevor sie ein Massenphänomen im Konsenspop wurden, als sie gerade in ihrer Amerika-Phase steckten und ihre Musik noch von einer tiefen Spiritualität durchtränkt war. Aber das lenkt jetzt womöglich in die falsche Richtung. Wie auch immer, dass Spiritualität und Gott bei den KINGS OF LEON eine große Rolle spielen – der Albumtitel bezieht sich übrigens auf eine jährlich stattfindende Priester-Versammlung – , braucht man nun wirklich niemanden mehr zu erzählen, aber noch nie vorher war sie so fühlbar präsent wie auf dem neuen Album. Das wird auch gleich erst mal zu Beginn mit dem ungewöhnlich dunklem „Knocked up“ in knapp über sieben Minuten klar gestellt. Als ob sie dem Hörer sagen wollen: „Wenn du eine Zweitauflage von ‚Aha shake heartbreak‘ oder gar dem Südstaaten-geschwängerten ‚Youth and young manhood‘ erwartest, dann nimm die CD lieber wieder aus dem Player!“ In „Charmer“ bollert erst der Bass, dann hackt sich die Gitarre in ein fieses Riff rein und wird von Caleb Followills verzerrten Gekreisch abgewürgt. Dann die göttliche Single „On call“, für die alleine sich die Anschaffung des kompletten Albums schon lohnt. „McFearless“ mit diesem großspurig ausgebreiteten gefälligen Refrain, wie man ihn von den KINGS OF LEON so vielleicht nicht erwartet hätte, ist mindestens der nächste Single-Kandidat. Das rhythmuslastige „My party“ mit „Ooh“- Backgroundchören zeigt die Nashville-Brüder mal wieder von ihrer immer wieder überraschenden tanzbaren Seite, während „The runner“ sogar einen Walzertakt aufblitzen lässt, ansonsten aber das Tempo ausnahmsweise mal rausnimmt. Wunderschön. Genauso „Trunk“ mit dieser eigenartigen Schwere. Und immer wieder mal verstreut über die ganze Platte so SPRINGSTEEN-artige Momente. Verunsichert erst einmal, muss man sich dran gewöhnen. Aber ansonsten bin ich mal fast ausnahmslos begeistert!