Geht man regelmäßig auf Konzerte in bestimmte Clubs, weiß man auch, wie man „Einlass“ und „Beginn“ zu werten hat. In der Astrastube ist es beispielsweise üblich, dass man ab neun reinkommt und der Support eine Stunde später beginnt. Gibt es keine Supportband, kann sich der Beginn, in Abhängigkeit von der Zuschauerzahl, auch noch etwas nach hinten verschieben. Hauptsache, man ist um Mitternacht mit dem Programm durch.
Zwar gab es heute keine Vorband, aber da ich auch nur ungern etwas von KAM:AS – eine der ersten Bands, die auf Sinnbus veröffentlichten – verpassen wollte, stand ich um Punkt zehn auf der Matte. Doch was war das? Auf dem Barhocker, wo sonst die Kasse steht, ein Teller Erdbeeren. Und Nils, der Mann am Eintritt, bei Rita am Tresen. Sonst niemand da, nicht einmal die Band, nur ihre Instrumente, die bereits aufgebaut herumstanden und warteten.
Die Band gucke nebenan das UEFA-Cup-Halbfinale, das dritte Spiel der Hamburg-Bremen Tetralogie. Man hoffe, dass sich der Laden nach dem Fußball fülle. Aber als um halb elf noch immer nicht viel mehr los war, begannen die vier Berliner das Abschlusskonzert ihrer Tour vor zwei, drei Handvoll Zuschauern. Das schien die Band aber nicht weiter zu stören, zumindest merkte man es ihr nicht an. Was folgte, war eine gute Stunde wunderbarer Musik, die zwischen Postcore, Indie, Psychedelic und Klamauk hin- und herpendelte und von Anfang bis Ende das Publikum blendend unterhielt. Ich habe selten eine so perfekt eingespielte Band gesehen, musikalisch irgendwo zwischen BARRA HEAD, MOTORPSYCHO und TER HAAR zu verorten. Unterhaltsam war dies vor allem deshalb, weil sich KAM:AS in den ruhigen Momenten zurückzunehmen wissen, an den lauten Stellen umso mehr nach vorne preschen und sich dabei selbst nie allzu ernst nehmen. Der Anspruch ganz weit oben, aber so, dass man sich zu keiner Zeit überfordert fühlt und stattdessen in jedem Moment an der offensichtlichen Spielfreude der Band teilhaben kann. Sie sehen nicht nach irgendeiner Szene aus, und wissen zwischendurch immer wieder, etwaige musikalische Vorgaben durch völlig abstruse Ideen lässig zu umschiffen. Sprach ich zu Beginn des Konzertes noch mit dem Mischer, dass ich den Gesang stellenweise etwas „merkwürdig“ finde, wies er mich auf einen anderen Blickwinkel hin: endlich mal eine Band, die nicht nur schreit, sondern richtig singt. Recht hat er! Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Qualität der Band, die sich vor allem live auszeichnet, endlich herumspricht, damit nächstes Mal mehr Leute daran teilhaben dürfen.