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JONG’R (DVD + CD) – Ein Film von und mit NoRMAhL

Über das musikalische Gesamtwerk von NoRMAhL lässt sich sicherlich streiten. Tatsache ist jedoch, dass die 1978 gegründete Deutschpunkband vor allem in Süddeutschland einen ähnlich hohen Status besaß wie SLIME in Hamburg oder die VORKRIEGSJUGEND in Berlin und ganze Generationen von Punks mitgeprägt hat. Vor allem die frühen Werke der Band wie etwa die „Verarschung total“-LP oder deren Nachfolger „Ein Volk steht hinter uns“ gelten noch heute in weiten Teilen der Punkszene als existentielles Kulturgut, auch wenn die Band danach immer weiter in Fun-Punk-Gefilde abgedriftet ist und zuletzt nach ihrer Reunion eher wie eine in die Jahre gekommene Deutschrock-Band wirkte, die in nostalgischen Erinnerungen an ihre wilde Jugend schwelgte. Aber so ist das Leben nun mal: Menschen verändern sich, setzten neue Prioritäten und es wäre auch sehr verwunderlich, wenn die letzten 30 Jahre absolut spurlos an NoRMAhL vorbei gegangen wären. Und letztendlich zeigt das Weiterleben der Band, dass Punk für sie nicht nur eine Jugendsünde war, sondern dass die Musik und das Umfeld auch heute noch einen gewissen Stellenwert in ihrem Leben einnehmen.

Im dieser Tage erscheinenden Film „Jong´r“ vermitteln NoRMAhL nun einen Eindruck darüber, wie es um das Leben eines jungen Punks Ende der Siebzigerjahre in ihrer baden-württembergischen Heimatstadt Winnenden bestellt war. Inwieweit die Geschichte des Protagonisten Fred (gespielt von Aaron Frederik Defant) tatsächlich autobiographische Züge trägt, kann der Zuschauer zwar nur erahnen, doch die Probleme, mit denen er sich in seinem tristen Teenageralltag herumschlagen muss, sind symptomatisch: Keine Vorstellung bezüglich der eigenen Zukunft, ständiger Ärger mit einem körperlich überlegenen Kleinstadt-Proll, eine unerwiderte Liebe, und das Kreiswehrersatzamt bittet zu allem Überfluss auch noch zur Musterung. Während sich Fred und seine Freunde daher mit Alkohol und Joints bei Laune halten, besaufen sich sein Vater (gespielt von NoRMAhL-Sänger Lars Besa) und dessen Spießerfreunde (verkörpert durch die übrigen Bandmitglieder) abends in ihrer Stammkneipe, regen sich über ihre missratenen Taugenichts-Kinder auf und sind sich letztendlich darin einig, dass es so etwas wie Punks „früher unter Hitler nicht gegeben hätte“. Die Situation eskaliert, als Fred Besuch von seinem Kumpel Rosenkranz (Julian Trostorf) aus Berlin bekommt. Auf einen Streit zwischen Rosenkranz und Freds Vater folgt der Rausschmiss, und der bereits erwähnte Ärger mit dem Kleinstadt-Proll gerät darüber hinaus endgültig außer Kontrolle. Als Ausweg bleibt nur noch die Flucht mit Rosenkranz nach Berlin, wo er mit seinem Kumpel in einem besetzten Haus unterkommt. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass das harte Großstadt-Punkleben bei weitem nicht so romantisch und sorgenfrei ist, wie Fred es sich vorgestellt hat: Das besetzte Haus wird geräumt, er landet auf der Straße und wird von Nazi-Skinheads verprügelt. Resigniert kehrt er in seine Heimat zurück, wo die alten Probleme bereits auf ihn warten.

Wer hinter dem gut einstündigen Film einen professionellen Blockbuster erwartet, der wird enttäuscht. „Jong´r“ wurde nicht für die große Leinwand oder das Fernsehen gemacht, sondern ist eine semi-professionelle Low-Budget-Produktion, in der auch kollagenartige Sequenzen zum Einsatz kommen. Im Gegenzug versprüht der Film trotz seiner zugegebenermaßen etwas unspektakulären und überraschungsarmen Handlung einen gewissen Charme, der „Jong´r“ für überzeugte NoRMAhL-Fans und Freunde von trashigen deutschen Underground-Filmen dennoch sehenswert macht.

Neben einem halbstündigen Band-Feature bietet die DVD zudem noch eine Bonus-CD, auf der der Soundtrack zum Film enthalten ist. Neben neu eingespielten Liedern aus der NoRMAhL-Historie finden sich hier auch einige komplett neue Lieder, die die Band extra für den Film geschrieben hat. Erwähnenswert ist hierbei neben den Coverversionen von „Holidays in the sun“ (SEX PISTOLS) und „Suspicious minds“ (ELVIS PRESLEY) vor allem der NoRMAhL-Gassenhauer „Durst“, der für den Soundtrack vom örtlichen Musikverein als krachlederne Blasmusikversion eingespielt wurde. Ob das nun tatsächlich lustig ist, muss jeder für sich selbst bestimmen. Im Endeffekt werden sich die Geister sowohl am Film als auch am Soundtrack mit Sicherheit scheiden. Typisch NoRMAhL, irgendwie.

Fakten zum Film:
Drehbuch: Emanuel Brüssau & Sandro Lang
Regie: Sandro Lang
Spieldauer: 60 Minuten (+ 30 Minuten Band-Feature)
Format: DVD + CD
Release: 12. November 2010
Label: 7 Hard

Surftipps:
http://www.7hard.de
http://www.normahl.de

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.