Vor gar nicht allzu langer Zeit gab es Fanzines fast wie Sand am mehr. Die Zahl der Printzines scheint sich jedoch mit der Zeit auf ein gesundes Level zusammengeschrumpft zu haben, während Online-Zines nach wie vor wie Unkraut aus dem Boden sprießen. Allerdings hat sich bei den Printzines einiges getan. Früher zeichneten sich die DIY-Magazine häufig durch ein schlechtes Layout aus, getackert und kopiert wurde noch von Hand, und der Inhalt befasste sich mehr oder weniger ausschließlich mit Punkrock, Fußball und Politik.
Heute arbeitet man jedoch gerne ein ganzes Stück professioneller und ein Hochglanz-Umschlag gehört schon zur Grundausstattung. Die Texte fallen häufig ein wenig nachdenklicher, um nicht zu sagen: persönlicher, aus, während die Musik teilweise gar in den Hintergrund tritt. Hier wollen wir zu diesem Anlass drei aktuelle Fanzines besprechen, die uns gut gefallen und im richtigen Moment in die Hände fielen:
1) DRACHENMÄDCHEN – Nummer neun
Das dünnste der drei Zines, das es aber immerhin auf 60 Seiten bringt und neben einigen Interviews, u. a. mit den DONNAS und THE GIRLS, viele andere unterhaltsame Geschichten beinhaltet. Dabei ist vom lyrischen Gedicht, über eine merkwürdige Gebrauchsanweisung für Gartenhandschuhe, von Böllas Gag Explosion bis hin zur tragischen Kurzgeschichte „Manege frei“ oder einem Erlebnisbericht von einem missglückten, koksvernebelten VIP-Abend, so ziemlich alles vertreten, was unter den Begriff Literatur fällt. Ein paar schöne Gedanken allemal!
Auch sehr lesenswert fallen die Top 5-Listen diverser Musiker aus. Da bewerten zum Beispiel der Herr MONEYBROTHER und Eric Axelson von MARITIME ihre fünf Lieblingsfußballer, während Nagel von MUFF POTTER anlässlich der Deutsch-Rock-Quote wahre Worte in den Mund nimmt, was die fünf schlimmsten deutschsprachigen Acts angeht. Schade, dass TOMTE’s Thees wegen Vielbeschäftigung nur drei seiner „fünf Lieblingsplatten, als er 18 war“ beschreibt. Natürlich wieder in bester Uhlmann-Manier! Zum Schluss folgen auf neun Seiten Plattenreviews, die zum Teil noch kürzer ausfallen als in der TV Spielfilm und meiner Meinung nach nicht immer ganz trefflich formuliert sind. Aber Schwamm drüber, das „Drachenmädchen“ weiß dennoch sehr zu gefallen und kostet mit seinen zwei Euronen ja fast gar nix. Allerdings: Ziege spielt seit 97 nicht mehr bei den Bazis!
Mehr Infos unter: http://www.myruin.de/magazin.html
2) OLIVENFEE #01
Ein neues Mag am Fanzine-Himmel ist die Olivenfee, und was soll man dazu sagen? Sie ist professionell, als ob die beiden Macher Andreas uns Jasmin seit Jahren über nichts anderes nachgedacht hätten. Fein, wenn ein Paar auch auf ideeller Ebene so gut miteinander harmonisiert und gemeinsam so etwas auf die Beine stellt. Natürlich nicht ganz alleine, denn an den verschiedensten Beiträgen sind insgesamt fast zwanzig Schreiber beteiligt. Die leisten ihren Beitrag zum Thema „Begegnungen vermeiden“ mit Post aus Aravanadi, Ecuador, Harburg, Silmido, und Plön – um nur einige Orte zu nennen. Dabei wurden den Autoren keinerlei Einschränkungen mit auf den Weg gegeben, und so macht sich die Schreiberin aus Berlin Gedanken über vollgeramschte Trödelläden, während der Hamburger über einen Workshop für Singles und die Lüneburgerin von einer WG mit einem Senioren als Mitbewohner berichtet. Was da Wahrheit und was Fiktion ist, bleibt dem Schreiber überlassen. Oder dem Leser.
Die Musik steht in diesem Heft insgesamt eher im Hintergrund, und so gibt es statt Rezensionen nur eine kurze Retrospektive über Platten, die die Autoren in der letzten Zeit besonders berührt haben. Überhaupt sind Impressionen hier von besonderer Bedeutung. Da erscheint die Konzert-Review über GEOFF FARINA auch eher wie ein Ausdruck der persönlichen Befindlichkeit. Ansonsten bietet die erste Olivenfee noch Interviews mit Christian Harder, den Betreibern des Berliner Clubs (oder war’s nun doch eher eine WG?) Bruce-Lee-sein-Grab, BARRA HEAD, Bud Spencer (!), Rick Astley (!!), dem Blurr-Fanzine und und und.
Nicht ganz so amüsant wie das Drachenmädchen, dafür aber etwas „erwachsener“, nachdenklicher und auch dem kulturellen Aspekt nicht abgeneigt. Mit fünf Euro zwar etwas teurer, aber dafür gibt´s auf 126 Seiten auch null Werbung. Start auf jeden Fall geglückt!
Mehr Infos unter: http://www.olivenfee.de/
3) PERSONA NON GRATA 63
Der Oldie unter den Zines. Oder der Mercedes? Der Quelle-Katalog? Mit sechs Euro zwar das teuerste der hier vorgestellten Fanzines, aber dafür auch mit 260 Seiten eher ein Buch als ein Heft und mit der beiliegenden CD auch schon eine andere Liga. Die Musik steht hier vergleichsweise wieder mehr im Vordergrund. Geboten werden u. a. Stories/Interview von und mit SOULWAX, INTERPOL, PINBACK, KLEZ.E, DURAN DURAN, DEATH CAB FOR CUTIE und den DRESDEN DOLLS, ein umfassendes Labelspecial über Grand Hotel van Cleef und an die 300 Plattenbesprechungen. Das Ganze wie immer in einem super Schreibstil, der informiert und gleichzeitig unterhält. Das schafft so keins der großen käuflich oder für umsonst zu erwerbenden „offiziellen“ Musikmagazine! Highlight der Ausgabe: das 58seitige Special zum Thema Pathos. Viele wirklich lesenswerte Artikel, mit Begriffsklärungen, kritischen Selbstreflexionen, und Überlegungen, wo man überall auf Pathos trifft. Hättet Ihr beispielsweise auf Anhieb dran gedacht, dass man den Pathos auf einer Nazi-Demo nicht nur auf der verschimpften Seite, sondern auch auf der Gegenseite wieder findet? Dass viele Aktionen auch dort einfach nur tumbe Rituale sind? Oder dass man sich durch Pathos teilweise bewusst von der Realität entfernt – und das auch nur zu gerne in der Politik? Natürlich darf auch in diesem Bericht die Musik mit Bands wie MARILYN MANSON, RAMMSTEIN, BRUCE SPRINGSTEEN, den BRIGHT EYES oder den SMASHING PUMPKINS nicht außen vor bleiben.
Man könnte noch tausend andere Dinge aus der aktuellen Ausgabe hervorheben, aber ich denke, das ein Einblick genügen sollte. Und schlussendlich muss es natürlich einen Grund haben, dass das Magazin schon bei seiner Nr. 63 angekommen ist. Weiter so!
Mehr Infos unter: http://www.png-online.de/