Good night tonight, baby!
Der Blues hat sein Alter, und er kleidet sich in „The big dream“ in ein düsteres Gewand aus Falten und Narben. Aus diesem Alter drängen sich Eingeständnisse der Liebe und große, aber innige (Landschafts-)Bilder hervor.
Wie auch in LYNCHs vorherigem Album „Crazy clown time“, das mir auf seine Art jünger erscheint, erlebe ich hier Werke von einer Reife und einer Charakterart, die ich nur mit DAVID BOWIE verbinde. Dies argumentiere ich aufgrund von der fortwährenden Geschichte, die BOWIE und LYNCH in sich haben. Der Song mit LYKKE LI wird in dieser Rezension ausgeschlossen. Weiterhin entnehme ich dem aktuellen Album Vergleichsspuren mit Künstler-innen wie TOM WAITS, PORTISHEAD oder BRUCE SPRINGSTEEN. Ersterer könnte für den bluesigen Touch, wie in „Star dream girl“, mitgewirkt haben. Zweitere sorgte für die Trip-Hop-Atmosphäre in „Wishing well“, und letzterer machte mit der Stimmung von „Streets of Philadelphia in the line it curves“ mit.
Jedem Lied kann ich eine dunkle Note zuschreiben, die sich im Blues melancholisch niederschlägt oder frech durch gemäßigten Rock `n` Roll daherfliegt. In keinem Lied finde ich einen hymnischen Aufbau oder sonstigen Pathos. Wie das Album beginnt, so endet es auch, sich selbst und seiner Sache dienend.
Der Gesang will sich nicht mit Tonverläufen schmücken, sondern er verhält sich mit eher Gesprochenem bedeckt. Über ihm liegen Effekte, z.B. in „Last call“, die die Person anonymisieren und sich somit der Anschein einer un(an)greifbaren Figur breitmacht.
Lynch wählt eine bluesähnliche Combo aus Schlagzeug, Bass, Gitarre und Synthesizer. Diese Instrumentierung bleibt in ihrer Spielart stets im Rahmen des Ganzen, der eng umschließend wirkt und keine sich selbst darstellenden Ausbrüche billigt. Die Drums sind teils aus Roland TR-Sounds, teils scheinen sie organisch zu sein. Sie liefern in ihrer Gestalt zurückhaltende Beats zwischen HipHop und Trip-Hop überwiegend im 4/4- aber auch 6/8-Takt gerade oder geshuffelt ab. Alle Beats erscheinen träge und schwer, dadurch dass ab und zu durch eine kurze Öffnung der Hi-Hat der Snareschlag akzentuiert wird. Die Kicks machen sich sehr oft und sehr ausladend die tiefen Frequenzen zueigen. Der Bass taucht darin unter. Die Gitarre und ihre Harmonie liegen im Bereich des Blues´ und teils auch sphärischem Countrys. Sie läuft durch eine einsame, sandige Landschaft und verirrt sich nur sehr subtil in Soli. Markant hierbei sind Delay-Effekte und der Tremolo-Arm, die die Stimmung für Raum und Farbe überwiegend weit und düster gestalten. Die rhythmisch rollenden, dicht am Ohr platzierten Achtel laufen immer wieder tonarm und unvirtuos in einer Hinführung zur Eins auf den Grundton zurück.
Die Texte erscheinen mir alle sehr ähnlich und aus einer Feder bzw. aus einem Buch zu sein. Sie erzählen eine Geschichte über Wind, Gewehr, Berg, Baby und die Dunkelheit und Sehnsucht eines Spiels der Liebe. Einmal tritt der Gesang textlich hervor und übernimmt eine nett protzige, ironische Attitüde, indem er seinen eigenen Song ankündigt: „Allright, let`s do it.”
Ich weiß es nicht, aber wäre es nicht DAVID LYNCH, hätte ich vielleicht schon ab dem vierten Lied meine Aufmerksamkeit verringert. Einen Teil des Ganzen macht allein der Name und seine Person dahinter aus. Dies mag sich nun positiv und negativ auswirken. Analogien zu seiner filmischen Kunst höre ich kaum in diesem Album. Hierfür benenne ich lediglich die Düsternis und die zweimalig auftauchende Parallelverschiebung, die einen Mehrebenenzustand erzeugen. Im Beat des ersten Liedes sind Kick und Snare auf der Zählzeit zwei und vier leicht versetzt. Die andere Verschiebung ist anhand des auffallend großen Echoraums im Gesang auszumachen.
Alles flimmert oft dahin und ist durch Effektarbeit unkenntlich gemacht und somit seiner Fragilität überlassen. Es ist für mich ein Album, das gut durchlaufen kann. Wenn es einen Hit auszumachen gilt, dann „The line it curves“ an vorletzter Stelle des Albums. Dieser erinnert an Zeiten, als Ziggy Stardust die Galaxy verließ und mit einem Kometen zu uns herniederstieg.