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D.U.C. – Zwischen Melancholie und Kohlestaub

Die Band DUC ist für mich ein kleines Phänomen: Die gibt es schon seit Ewigkeiten, allerdings scheint sie immer wieder in der Versenkung zu verschwinden, um plötzlich, wenn man überhaupt nicht mehr damit gerechnet hat, eine neue Platte zu veröffentlichen. Musikalisch sind sich die drei Ruhrpottler immer treu geblieben und spielen nach wie vor sehr emotionale, düstere Songs, deren Besonderheit es ist, dass sie in der Regel ohne Refrains auskommen. Im Gegensatz zu landesweit abgefeierten Kultbands wie EA80 oder den BOXHAMSTERS, die soundmäßig in eine ähnliche Kerbe schlagen, ist ihnen jedoch eine breite Aufmerksamkeit bis heute verwehrt geblieben. Als ich mir jüngst wieder einmal ihr letztes Album „Durch die Nacht“ zu Gemüte führte, reifte in mir der Entschluss, ein kleines Interview mit der Band zu führen. Was dabei herauskam könnt ihr im folgenden Frage-Antwort-Spielchen mit Sänger und Gitarrist Tom lesen.

[F] Euch gibt es nun auch schon seit ein paar Jährchen… Mir seid ihr das erste Mal auf einem Deutschpunk-Tape-Sampler mit dem hochtrabenden Namen „Recht aufs Kotzen“ im Jahre 1996 aufgefallen. Seitdem ist viel Zeit ins Land gestrichen. Erzähl doch bitte ein wenig über eure Bandgeschichte!
[A]Ach ja, der Tapesampler von Heiko aus Senftenberg. Dort haben wir einen unserer ersten Auftritte weit weg von zu Hause gehabt, sogar mit unserem jetzigen Schlagzeuger Timo, der damals aber noch mit seiner alten Band GAU dabei war. Angefangen haben wir 1990, direkt nach dem Abi. Also erst schön die Schule fertig gemacht, dann Gitarren gekauft… damals noch zu zweit. Dann kam Guddi, bis heute DUC-Bassist, dazu, später Bert als Schlagzeuger. Von da an kann man eigentlich erst richtig von einer Band sprechen, wie man sich denken kann. Vorher kamen halt Bass und/oder Schlagzeug aus der Dose. Wir nähern uns jetzt dem Zeitpunkt, ab dem die aktuelle DUC-Besetzung, bestehend aus mir, Guddi und Timo, die bisher langandauerndste DUC-Zusammensetzung ist.

[F] Ein scheinbar wohl gehütetes Geheimnis ist, wofür D.U.C. eigentlich steht. Magst du es uns verraten? Wir sagen es auch nicht weiter, Ehrenwort…
[A] Das ist eigentlich gar kein Geheimnis, sondern einfach die Abkürzung unseres alten Namens DOVES UNDER CHAIRWALK, der uns irgendwann aus zweierlei Gründen unpassend erschien. Zum einen, weil wir irgendwann nur noch deutsche Texte gemacht haben, vor allem aber weil sich irgendwann Anfang der Neunziger unser alter Gitarrist verabschiedet hatte. Von da an fiel dessen Einfluss weg, und wir entwickelten uns dahin, wo wir uns jetzt bewegen. Und das wollten wir auch vom Band-Namen her kenntlich machen, ohne dass es gleich ein anderer Name sein sollte, da es ja im Grunde immer noch die gleiche Band war.

[F] In all den Jahre hat sich euer Sound nie grundlegend verändert. Habt ihr niemals den Drang nach Veränderung verspürt oder Angst gehabt, euch irgendwann musikalisch zu wiederholen?
[A] Eigentlich nicht. Ich glaube, wir entwickeln uns musikalisch mit jeder Platte immer ein bisschen mehr in Richtung des Sounds, den wir eigentlich machen wollen. Aber es gibt wohl irgendwie sowas wie den DUC-Sound, dessen Existenz ich lange Zeit darauf geschoben habe, dass wir die Aufnahmen immer selbst gemacht haben. Nachdem wir dann die letzte CD erstmals im Studio aufgenommen haben und wieder dieser Sound herauskam, denken wir anders…
Und von wegen Wiederholung kann ich nur sagen, dass mir die xte Wiederholung eines Sounds von einer Band, die ich mag, lieber ist, als Experimente oder zweifelhafte Weiterentwicklungen. Und Angst habe ich nun wirklich vor anderen Sachen, als mich musikalisch zu wiederholen.

[F] Auf eurer ersten EP „Schade.“ von 1996 gibt es einen Song namens „Wir sagen: nein!“, in dem es heißt „Punk ist, Punk war und Punk wird bleiben“. Auch in späteren Texten (vor allem auf der „Vor dem Sprung“-LP) sträubst du dich hartnäckig gegen die Angepasstheit deiner Umwelt. Was bedeutet für dich „Punk“? Hat sich deine Einstellung im Laufe der Jahre geändert?
[A] Punk bedeutet für mich vor allen Dingen etwas selbst zu machen, selbst zu denken, seine eigene Art zu leben, abseits gängiger Normen, oder eben auch nicht, zu finden. Für die Band heißt das, dass wir, wie schon erwähnt, unsere Aufnahmen lange Zeit selbst gemacht, Konzerte immer selbst gebucht haben, selbst hingefahren sind, Coverkram selbst gemacht haben und so weiter. Damit ist man dann automatisch unabhängig von anderen, was eine weitere Bedeutung von Punk für mich ist. Und irgendwie war Punk für mich immer die Vorstellung einer besseren Art des Umgangs von Menschen miteinander. Was für ein schöner Traum. Manchmal träume ich ihn noch…
Fast am wenigsten ist Punk für mich mit bestimmter Musik verbunden. Inzwischen, oder vielleicht auch schon immer, ist der Begriff Punk natürlich von besoffenen Bands und randalierendem Publikum besetzt. Dazu tragen wir auch bei.

[F] Heutzutage wird ja alles, was ein wenig melancholisch und nach Moll-Akkorden klingt, mit dem unbarmherzigen „Emo“-Stempel versehen. Demnach würdet ihr wohl zu den dienstältesten deutschen Emo-Bands gehören, hehe… Was haltet ihr von dem ganzen Emo-Hype, der seit einiger Zeit kursiert?
[A] Da kriege ich eigentlich nichts von mit, dachte der Emo-Hype wäre schon wieder vorbei… Ist ja auch ’ne komische Bezeichnung. Emo, wegen emotional? Also, wenn Musik nicht emotional ist, was dann? Abgesehen davon, gefallen mir tatsächlich viele Sachen, die man wohl als Emo bezeichnet. Wenn wir zu den dienstältesten deutschen Emo-Vertretern gehören sollten, schön! Aber ich weiß, dass es deutlich frühere gab…

[F] Zurück zu euren Texten: sowohl auf eurer ersten EP als auch auf eurem letzten Album gab es eine Stelle, an der ich etwas schmunzeln musste. Auf der besagten EP befindet sich mit der Textzeile „(…) und Markus sagte mehrmals schon: ,Es muss mehr als das hier geben!’“ eine Hommage an Markus Wiebusch in Verbindung mit einem Zitat von der ersten …BUT ALIVE-LP. Auf dem letzten Album heißt es in einem Stück „Dieses Bild verdient Applaus!“- ebenfalls ein Wiebusch-Zitat von seiner aktuellen Band KETTCAR. Erzähl mal was dazu! Gibt es in deinen Texten noch weitere Wiebusch-Zitate, die mir bislang entgangen sind? Oder habt ihr womöglich gar auf jeder Platte ein Markus-Quoten-Zitat, genau wie bei …BUT ALIVE, die ja ihrerseits wiederum auf jeder ihrer LPs einen Satz von Jochen Distelmeyer (BLUMFELD) versteckt haben?
[A] Das mit den BLUMFELD-Zitaten wusste ich nicht! Kenne auch nichts von BLUMFELD. Welche Zitate sind das denn? Also, Quoten-Zitate von Wiebusch gibt es bei uns nicht. Das alte …BUT ALIVE-Zitat passte einfach. KETTCAR sind für mich – vor allem wegen des …BUT ALIVE-Backgrounds – unerträglich! Das KETTCAR-Zitat ist ja auch eigentlich ein Widerwort, DIESES Bild verdient Applaus, mit Betonung auf „dieses“.

[F]Ebenfalls auf eurem letzten Album gibt es einen Text, den ich in der Form nicht von euch erwartet hätte: In „Eine andere Welt ist möglich“ geht es in sehr direkter Art um Kapitalismuskritik. Normalerweise verpackst du gerne Sozialkritik und politische Missstände subtil in emotionale, bildliche Texte, indem du z.B. Schicksale von Menschen oder befremdliche Situationen beschreibst. Weshalb bist du in besagtem Stück von dieser Linie abgewichen und hast einen so direkten Text gemacht?
[A] Weil mir das Thema so wichtig war. Das ist aber aus heutiger Sicht eher schiefgelaufen. Ich hätte besser bei der von dir gut beschriebenen Art der Texte bleiben sollen. Die Ausnahmestellung des Textes ist dir ja zumindest auch sofort aufgefallen. Außerdem war das vom Tempo her so ein auf „wir alten Säcke können noch schnell spielen“ gemachtes Stück. Der Song ist also in gewisser Weise doppelt schief gegangen, dabei ist er ja im Resultat gar nicht schlecht. Aber solche Selbstbeweise oder -täuschungen wird es auf der nächsten Platte nicht mehr geben.

[F] Die meisten eurer Lieder haben keinen Refrain. Diese Vorgehensweise beim Songwriting ist ja relativ ungewöhnlich. Weshalb verzichtest du so gerne auf den klassischen Chorus?
[A] Ist das so? Ist mir noch gar nicht so aufgefallen. Naja, Refrains stellen eben meist eine Botschaft mehr oder weniger klar heraus, während unsere Lieder oft kleine Geschichten sind. Die haben eben keinen Refrain. Wir machen gerade wieder neue Stücke, da gibt es überall Strophen und Refrains. Allerdings bleiben die Refrain-Teile dann tatsächlich oft wieder ohne Text, das ist wohl so…

[F] Eure drei EPs und die „Vor dem Sprung“-LP sind nur auf Vinyl erschienen, das aktuelle Album „Durch die Nacht“ gibt es dagegen nur auf CD. Ohne der Antwort vorweg greifen zu wollen nehme ich mal an, dass die Gründe hierfür in der Veröffentlichungspolitik der jeweiligen Labels liegen. Wie steht ihr selber zum Thema CD vs. Vinyl?
[A] Nee, das ist nicht (oder zumindest weniger) Label-Politik, als vielmehr Absatz-Kalkül der DUC-Buchhaltung. Allerdings sind die unsere Sachen veröffentlichenden Labels in der Tat meist nicht in der Lage, beides zu finanzieren. CD ist halt der bessere, aktuelle Tonträger. Ich selbst habe aber lieber die große Schallplatte in der Hand. Und bei den Sachen, die ich so kaufe, ist die LP auch eigentlich immer noch billiger zu haben.

[F] Es gibt eine EP von euch, auf der ihr ausschließlich Coversongs von einer Band namens MOK spielt. Wer zum Teufel ist MOK, und warum habt ihr euch entschieden, diese EP aufzunehmen?
[A] MOK bzw. MY OWN KIND waren die einzige Band in Gelsenkirchen, mit denen wir uns verbunden fühlten und auch waren. Punk mit sehr guten deutschen Texten – Weichcore, wie sie selbst ihre Musik nannten. Das war definitiv Emo vor uns! Leider haben sie irgendwann hingeschmissen. Dann kam vor ein paar Jahren unser damals neuer Schlagzeuger Timo zu uns, der mit seiner alten Band GAU schon einmal ein MOK-Stück gecovert hatte („Vergeltung“ auf der „Und wer immer noch denkt…“-CD). Da lag es nahe, während des Einstudierens des DUC-Repertoires auch die gemeinsamen Lieblingsstücke von MOK zu spielen und diese schließlich bei Black Tapes On Vinyl zu veröffentlichen. Marc von BTOV wollte nach der „Ernie“-EP noch eine Single mit uns machen und ist selbst MOK-Fan, so dass die erste Veröffentlichung mit der aktuellen DUC-Besetzung also diese EP wurde.

[F] In anderen Städten des Ruhrgebiets wie Oberhausen, Duisburg oder Bochum gibt es jede Menge Bands, von denen man immer mal wieder etwas mitbekommt. Aus Gelsenkirchen dagegen fällt mir außer euch spontan keine ein, selbst die Vorzeige-Schalke-Assis von den LOKALMATADOREN kommen in Wirklichkeit aus Mülheim… Wie ist es denn generell um die Punk-/ Alternativ-Szene in Gelsenkirchen bestellt?
[A] Das kannst Du absolut vergessen. Da war auch, bis auf die SALINOS, fast nie etwas, was die Stadtgrenzen verlassen hat. Abgesehen eben von MOK und deren Nachfolger FLAKE, haben wir mit anderen Bands aus Gelsenkirchen auch eigentlich nie was zu tun gehabt.
Wenn man das Ruhrgebiet als Ruhrstadt betrachtet, sind wir natürlich in bester Gesellschaft. Beim Einkaufen läuft mir regelmäßig Wölfi, der große Philosoph der KASSIERER, über den Weg.

[F] Meinen Recherchen zufolge sieht es so aus, als wenn ihr nicht gerade die aktivste Band in Sachen Konzerte spielen und touren seid. Woran liegt’s?
[A] Das hast Du richtig recherchiert, uns will eben niemand sehen. Von Ausnahmen abgesehen, ist es jedenfalls nicht so, dass wir Auftritte angeboten bekommen. Das ist für den Gig-Beschaffer in der Band mühsame Arbeit. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass man Termine findet, an denen alle drei Bandmitglieder, die auch nicht alle immer einem reinen 5-Tage-Woche-Job nachgehen, Zeit haben. Ich habe mich schon früher, als wir als Studenten noch richtig viel Zeit hatten, immer gefragt, wie zehnköpfige Ska-Bands sich auf Auftrittstermine einigen können. Und dann ist so ein Auftritt für uns alte Männer natürlich schon anstrengend. Wir haben jedenfalls keinen Bock mehr, für einen Einzeltermin z.B. bis nach Dresden zu fahren. Da müsste schon auf dem Weg noch was anderes an dem Wochenende sein. Entsprechend öfter spielen wir eben im Ruhrgebiet, wo man im Idealfall noch mit der Bahn nach Hause fahren kann. Wir sind nämlich auch mehrheitlich Lieber-zu-Hause-Schläfer. Aber das soll jetzt alles gar nicht so reiseunlustig klingen!
Früher hatten wir uns auch mal vorgenommen, so eine kleine Eine-Woche-Tour zu machen. Das, was man sich halt so als richtige Band vorstellt, machen zu müssen. Das wäre für mich heute auf jeden Fall eine Horrorvorstellung, abgesehen davon, dass das mit Familie auch kaum sozialverträglich möglich wäre.

[F] Wie geht es mit euch weiter? Ist ein neues Album geplant?
[A] Ja, wir basteln seit Anfang des Jahres wieder intensiv an neuen Liedern und werden im nächsten Jahr eine neue (leider wohl wieder nur) CD machen. Als einziger Vinyl-Fan in der Band habe ich, wie gesagt, nicht genug Gewicht, um auf einer reinen Vinyl-Veröffentlichung zu bestehen. Und die kaufmännische Seite der Band verweist dann immer auf die bessere Absetzbarkeit einer CD-Veröffentlichung, was ich natürlich zugeben muss, mir persönlich aber ziemlich egal wäre.

[F] Vielen Dank für das Interview, und geht weiter so konsequent euren Weg!
[A] Vielen Dank für das Interview – müssen wir ja wohl eher sagen. Und vielen Dank für die große Geduld, dass es so lange gedauert hat mit den Antworten. Höre gerade die neue SCHNELLER AUTOS ORGANISATION – was für eine großartige Band! Und lese gerade auf der neuen TURBOSTAAT-LP das Copyright der Warner Music Group! Ach, scheiße…

Diskographie:
Tape „Lärm heißt Leben“ (Culture Tapes, 1996)
EP „Schade“ (Bad Taste Rec.)
EP „Ernie“ (Blacktapes On Vinyl)
LP „Vor dem Sprung“ (Bad Taste Rec.)
EP „MOK – ihre eigene Art“ (Blacktapes On Vinyl)
CD „Durch die Nacht“ (Elfenart, 2004)

Surftipps:
http://www.duc-online.de

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.