Ach komm. Raus damit: Mein nach außen hin schillernder, vor Selbstüberschätzung strotzender Geist ist innen drin ganz schwarz und oll und besteht zu 60 Prozent aus Vorurteilen. Wurde mir wieder mal bewusst, als ich „New grids“, das Debüt der franko-amerikanischen Newcomer COMING SOON zum ersten Mal in Händen halte. Was soll das denn sein, fragt sich mein engstirniges Spießerseelchen. Musikalische Früherziehung für Indiespielkinder? Das Cover zeigt fünf Nerd-Jungs und zwei verheißungsvoll aus der Wäsche schauende Granatenmädchen, die gelangweilt auf einer Waldlichtung posieren. Hübsch. Belustigtes Kopfschütteln, als ich die CD in den Player schiebe. Na gut, jeder muss ja irgendwann mal anfangen, denke ich noch und erwarte etwas in Richtung DÚNÉ, vielleicht sogar etwas Hardcore-Poppiges á la ALPHABEAT. Als der erste Ton erklingt, fällt mir beinahe die Fanta Zero aus der Hand. Zur Hölle mit den Vorurteilen. Das ist kein Pop, kein Indie, kein angesagtes Elektronik-Tüdelü mit Trash-Schleifchen drumrum. Das ist Folk. Einfach nur Folk. Altmodisch und traditionell. Mit Gitarren, Banjo, Ukulele und mehrstimmigem, hypnotisierendem Gesang. Und während die kindliche Stimme des erst 15-jährigen Sängers Leo Bear Creek leichtfüßig über die brillanten Melodien hüpft, bringt Bandleader Howard Hughes Bariton die nötige Tiefe mit. Dass Hughes klingt wie ein Mix aus LEONARD COHEN und ADAM GREEN ist ein charmanter Bonus. Der Opener gibt die Richtung vor, in die die Reise geht: Schleppend, simpel, surreal klingt „Memento mori“, das ich definitiv als Introersatz auf mein nächstes Mixtape spielen werde, weil es so schön und vielsagend ist. Es folgen 13 Songs, die sich wie träge, vollgefressene Schlangen ins Gedächtnis fressen und sich da breitmachen. Ein großes Debüt. Und ich… hab wieder was gelernt.