Es rasselt wie im Klapperschlangenterrarium, ein Piano torkelt durch das Gerüst aus polternden Drums, fettem Bass und kratzigem Riff, und Nathan Willet setzt mit exaltiertem Gesang die entscheidende Duftnote. “We used to vacation” ist moderner Blues mit abruptem Tempo- und Rhythmuswechsel und irgendwie auch Rock und ein wegweisender Einstieg in ein ungewöhnliches, seltsames Album.
Nennen wir es getrost “anders”. So anders, wie man damals auch BLOC PARTYS “Silent alarm” aufnahm.
Doch “Robbers & cowards” ist meilenweit entfernt von jedem stylischen Indie- oder sonstwie Hype. Hier spielen vier Typen aus Kalifornien eine wilde Melange aus Stilen, schön reduziert, keine Note zu viel und immer eine Spur verspult. In “Hang me up to dry”, dem heimlichen Hit des Albums, begegnen wir dem stoischen, fetten Bass von SECRET MACHINE, einem stur polternden Schlagzeug, einer fast autistisch anmutende Gitarre und besagten Herrn Willet, der im Refrain dem wahren, echten David Byrne ernste Konkurrenz macht. Grandios auch das immer wieder herrlich atonal abschmierende Piano und das knirschende Geräusch einer Streckbank . Das ist wirklich ganz großes Kino. “Tell me in the morning” steht dem kaum nach. “Hair down” bietet abwechselnd eine Primitivst-Bluesgitarre, Surfsound und ein Bo-Diddley-Gedächnisriff. Bis hierhin rockt das Album, obwohl das alles andere als Rock im herkömmlichen Sinn ist. “Passing the hat” schielt zum ersten Mal in die dunklen Spelunken, in die keiner von uns freiwillig gehen würde. Man sieht die kleine Hausmusikband förmlich auf der viel zu kleinen Bühne verzweifelt gegen die Ignoranz einer handvoll besoffener Verlierer anspielen. “Saint John” macht da weiter. Man glaubt, Prince und die VIOLENT FEMMES vergehen sich an einer POGUES-Nummer, und zum Ende schneit noch BLUR’s Gospelchor rein, der nach den Aufnahmen zu “Tender” ein paar Absacker zu sich nehmen will. In “Robbers”, einer schnöden Ballade mit hyperaktivem Besendrums, wird dem Country ins Knie gekickt, “Hospital beds” verzückt mit verspieltem Piano zu einem monotonen Beat, den VELVET UNDERGROUND auch nicht monotoner hinbekommen hätten. Und immer wieder diese Drei-Ton-Soli, als wenn sie’s nicht besser könnten. ”Pregnant” ist dann der erste Song, der einen endgültig am Verstand der Musiker zweifeln lässt. Da schunkelt man sich mit einem aberwitzig fetten Bassdrumsound, Wandergitarre, Sprachsamples und Falsett-Gesang durch eine Ballade, die schmieriger nicht sein könnte. Das kräftig stompende “ Red wine success” mit CCR-Gitarre und RAPTURE-Gesang reißt das Ruder nur scheinbar rum; der Song endet im Chaos. “God make up your mind” schmeißt dann endgültig jede Contenance über Bord. Da quengelt eine dünn quietschende Orgel zum fetten Bass, das Schlagzeug swingt verträumt vor sich hin, bis das schon bekannt verspulte Piano mit seinem brutalem Gitarrenkumpel auftaucht und den Laden mal kurz aufmischt. Zum Schluss gewährt man dem tapferen Durchhörer in “Rubidoux” noch einmal eine hübsche Melange aus all den vorher schon benutzen Zutaten. Als Hidden Track schrammelt die Band live eine Ballade im traditionellen Gospelgewand.
Wo kommen solche verdrehte Perlen her?
Eigentlich aus dem Internet. COLD WAR KIDS gingen als Mund-zu-Mund-Geheimtipp durch die Blogs. Drei EPs verkauften die Jungs in Eigenregie und tourten schon fleißig durch die Gegend, bis das US Label Downtown zuschlug und den Kaschemmen-Vierer unter Vertrag nahm. Das vorliegende Album beinhaltet einerseits neu aufgenommene Songs aus den EPs, sowie völlig neue. Dank V2 schlingern sie nun auch in unsere Wohnzimmer. Okay, das ist kein Kuschelrock, auch zum Chillen ist das einfach nicht geeignet. Wer aber Bock auf spannende, ungewöhnliche und immer zutiefst berührende Musik hat und sich dabei auch noch an kleinen, hintergründigen Geschichten, z.B. über ein Kind, genervt vom Gelaber der Mutter über die Schönheit des Grand Canyons, über einen saufenden Familienvater, einen Kollektendieb oder über einen, im Krankenhaus vor sich hin vegetierenden Alten ergötzen kann, sollte unbedingt mal reinhorchen.