Contra: (jg) Nach ein, zwei Songs meint man die Marschrichtung von BODI BILL, dem neuen Signing auf Sinnbus Records, durchschaut zu haben: eine zurückhaltende Stimme, die Musik ebenfalls eher in den Hintergrund gerückt und als Beats ein wenig elektronisches Geknister und Geknarze im NOTWIST-Stil. Beim Opener „Parking space“ kamen mir da sofort THE ONE AM RADIO in den Sinn, beim nachfolgenden „Traffic jam“ sogar ein wenig die ruhigeren Songs von RADIOHEAD. Mit dem anschließenden „Very small“ landet man auch gleich beim Hit des Albums, das neben schönen Gesangsmelodien auch perfekt passende Piano-Klänge zu bieten hat. Umso überraschter war ich, als sich BODI BILL bei „Nothing“ dazu entschlossen, die bis dahin dezent platzierte Elektronik in den Vordergrund zu rücken und mit dicken Beats lieber neonbeleuchtete Tunnelschächte als schummerige Indie-Clubs zu füllen. Aber warum nicht? Die Beats bestimmen auch die folgenden Songs, verleihen ihnen gleichzeitig stets eine gewisse Kühle und Distanz, die eigentlich im Widerspruch zu den anfänglichen warmen Folk-Einflüssen steht. Bei „Naegel“ wird schließlich auch der poppige Gesang vom Beginn gegen Gesang als rhythmisches Instrument eingetauscht, ganz wie man es von !!! kennt. Erst mit dem abschließenden „Willem“ kehrt man wieder zu den Indie-Electronics zurück, die das Album zu Beginn so charmant machen.
Auch wenn ich gegen laute Bässe und Clubsounds gar nichts einzuwenden habe: die Electronics klingen auf dem Debüt der zwei Berliner für meinen Geschmack einfach zu verquer und gleichzeitig zu kühl, erinnern mich mitunter fast ein wenig an EBM. Die im Info angesprochene Tanzflächendynamik und Clubspannungsbögen bleiben mir dabei weitestgehend verschlossen. Dem gegenüber stehen indiepoppige Elemente, die die zarte Seite des Albums hervorheben. Die Verschmelzung der beiden Stile scheint mir insgesamt jedoch nur bedingt geglückt. Das Artwork ist hingegen, wie bei Sinnbus Records bekannt, wieder erste Wahl. (6)
Pro: (mb) Selten war es mir eine größere Herzensangelegenheit zu widersprechen als in vorliegendem Fall. Über Geschmack lässt sich nun wahrlich streiten, nicht aber, und das sage ich in aller gebotenen Deutlichkeit, über die Qualität dieser CD, die, seitdem ich sie habe, mit bleibender Begeisterung rauf und runter gehört wird.
Wie gewohnt hat der gute Kollege Jens auch in diesem Fall eine treffende Beschreibung dessen geliefert, was auf diesem tollen Album zu hören ist, doch sollte man sich in diesem Fall von seinem Unverständnis (und das mir das hier bitte niemand als Angriff versteht, denn so ist es nicht gemeint!) dieser Musik gegenüber nicht verunsichern lassen. Die Mischung, die das Duo für sein Album wählt, das in der Tat akustische Lieder neben elektronische stellt oder beides miteinander verbindet, erweist sich als ein großer Pluspunkt dieser Platte, die aber zu keiner Sekunde den Eindruck zulässt, hier würde etwas zusammengeführt, das nicht zusammengehört. Denn bei aller Kälte, die BODI BILL ihre elektronischen Sounds zum Teil ausstrahlen lassen, (und ich denke, das ist das, was der Kollege mit EBM zu beschreiben versuchte) ist doch nicht zu übersehen, dass diese Herren nicht nur gute, feingliedrige Beats haben, sondern darüber hinaus über alle Maßen melodieverliebt sind. Dass diese Platte bewusst mit Gegensätzen spielt und es dennoch schafft, im Ergebnis ein durchweg homogenes, wohliges und warmes Gefühl zu vermitteln. Es ist Pop-Musik, die an manchen Stellen ähnlich funktioniert, wie es das grandiose letzte Album der JUNIOR BOYS im vergangenen Sommer getan hat, „No more wars“ hat nicht einen Ausfall unter den zehn Stücken und ist eine Platte, die, wenn man nach weiteren Adjektiven für sie sucht, sicherlich in erster Linie schön ist, traumhaft, filigran, rührend und durchweg gelungen.
An dieser Stelle sei noch gesagt, dass seit einiger Zeit der versprochene zweite Teil des Albums seinen Weg ins Netz gemacht hat, eine recht lose Zusammenstellung von einem Dutzend Songs, die es auf das Album nicht geschafft haben und nun zum kostenlosen Download bereitstehen. Das ist doch mal was. Man muss hier fairerweise sagen, dass diese nicht immer die Qualität erreichen, die die Songs auf dem Album auszeichnet, doch auch hier lassen sich in erster Linie in der zweiten Hälfte so einige Hits finden. Die neun Punkte, die ich allerdings für „No more war“ nachträglich hier vergeben will, die verdient es mindestens! (9)