BOARDS OF CANADA – Tomorrow’s harvest

Überdauerung.
Die Nicht-Kanadier scheint es schon zu geben, seitdem ich denken kann. Ihr Name ist für mich lange nur ein Wort gewesen. Dieses Wort fülle ich heute mit Inhalt: Ich kann denken, seitdem ich sie kenne? Als ich jünger war, habe ich geglaubt, dass es nichts gäbe, was mich älter macht. Jetzt weiß ich, es ist der Geschmack, der nicht verjüngt. Ich schaue, ob sich folgende These belegen lässt: Musik ist BOARDS OF CANADA und BOARDS OF CANADA ist Musik.

Nachdem ich nun versucht habe, den Respekt vor dem Namen und dem dahinter zu brechen, merke ich die ganze Zeit während der ersten Anhörung, dass ich mich eher mit der Frage beschäftige, was ich schreibe, als damit, was ich höre. Es fällt mir sichtlich schwer, etwas zu finden und ich muss einräumen, dass das Etwas einiger Umwege bedarf – durch z.B. geschichtlichen Abstand, wie ich ihn zu den ersten KRAFTWERK-Geschichten habe –, um es auch aus dem Werk BOARDS OF CANADAs herauszufiltern.
Darauf warte ich, bis ich „Palace posy“ begegne, das ich durch sein Auftreten aus organischem Beat, mehreren Schichten Harmonien in liegenden und gebrochenen Akkorden und fast groovendem Basslauf in Leerstellen bedeutend finde. Eine Stimme erhebt sich, ebenso in „Nothing is real“, gesangshaft, ihr Text bleibt allerdings nicht da, also ordne ich sie als Instrumenthaftes unter. Zu dem Bedeutsamen zähle ich auch andere Tracks wie „Uritual“, „Sundown“, „New seeds“ und „Come to dust“, die alle in der zweiten Hälfte der Trackanzahl angesiedelt sind. Ihnen gewinne ich berührende Momente dadurch ab, dass sie mich mitunter an so manche meiner Sommerabende erinnern, oder dass sie durch ihr Spaciges, Psychedelisches bestechen und zaghafte, kontrastive Momente einer Düsternis in einem hellen Raum unter freiem Himmel aufmachen. Hier höre ich eine Art musikalische Regie-Arbeit, die in mir Bilder aus David Lynchs Film „Mulholland Drive“ aufgreift. Den eindringlich reduzierten Sound der Synths hebe ich in „Come to dust“ besonders hervor. Mich ergreift die Harmonie der liegenden Akkorde des Angel Choirs, die durch ihren vorgezogenen Anschlag einerseits der Melodie viel Raum und ihr andererseits hinreichende Bezugsangebote darbieten.
Das Bedeutsame ist somit, dass diese Tracks kein Tralala aus purem Glitzern einer Abendsonne auf einem frisch gebügelten See sind, sondern durchaus ineinander und miteinander Leichtigkeit und Seriosität auszubalancieren wissen.
Das Unbedeutsame, weswegen ich den schottischen Sandisons-Halbbrüdern die anfangs aufgeführte Betitelung „Musik ist BOARDS OF CANADA” nicht zuschreiben kann, liegt in dem Starren, Technischen, also Unorganischem. Ich erwarte bzw. verlange von einer analog-basierten Arbeit Fülligeres, Lebendigeres. Für mich erklingt ein Flughafen aus dem maschinellen Gewand trotz der Wärme in zahlreichen Beats. Jedoch ergibt sich dieser Hafen nicht aus einer Besonderheit des Zusammenspiels aus Fläche und Drumsounds, sondern er driftet in ein Nebenbei ab und fällt auseinander. Das Besondere habe ich z.B. in den Drumsounds KRAFTWERKS erfahren, das ich hier in den an Trip- und HipHop angelehnten Beats eindeutig vermisse. Dieses Leck überdauert und überwiegt aus meiner Sicht größtenteils die Arbeiten von BOARDS OF CANADA. Es ist, was es ist, der Respekt reduziert sich und BOARDS OF CANADA ist Musik, nicht mehr.