Streamingplattformen wie Spotify haben den Zugang zu Musik revolutioniert – aber den Überblick kaum verbessert. Früher stöberte man in Plattenläden, bestellte auf Verdacht und vertraute auf die Urteilsfähigkeit unbekannter Rezensenten. Heute klickt man sich durch algorithmische Playlists und landet oft bei austauschbaren Singles, während ganze Alben aus dem Fokus geraten. So kann es leicht passieren, dass man eine Band aus den Augen verliert – selbst, wenn sie nie aufgehört hat zu existieren.
Genau so ging es mir mit ASH. Als ich „Ad astra“ in die Finger bekam, hielt ich es zunächst für ein Comeback nach langer Funkstille. Doch die Nordiren haben sich nie aufgelöst – im Gegenteil: Schon 2007 kündigten sie mit „Twilight of the Innocents“ ihr „letztes offizielles Album“ an und wollten fortan nur noch Singles veröffentlichen. Eine Entscheidung, die dem heutigen Streaming-Zeitalter erstaunlich voraus war.
Nun also „Ad astra“ – kein Compilation-Werk, kein Comeback, sondern schlicht ein neues Kapitel. Und was für eins: Nach dem pompösen, augenzwinkernden „Zarathustra“-Intro mit Strauss-Reminiszenz legt die Band mit „Which one do you want?“ los, als hätte es die Jahre dazwischen nie gegeben. Der Song knüpft nahtlos an das Erfolgsalbum „Free all angels“ an, und spätestens beim folgenden „Fun people“ – mit Graham Coxon von BLUR als Gastsänger – hat man das Gefühl, in den frühen 2000ern zu landen. Auch „Give me back my world“ und „Hallion“ atmen diesen Geist: melodiös, wild und zugleich eingängig.
Zur Albummitte verliert sich die Euphorie etwas. Zwischen balladesken Momenten und RAMONES-Verweisen wie in „Jump in the line“ (inklusive überflüssigem Gitarrensolo) schleicht sich Routine ein. Die letzten Songs wirken stellenweise zu glatt, zu bemüht und zu sehr auf Hit-komm-raus! Während ich mich frage, ob Tim Wheller das mit den Gitarrensoli vielleicht doch ernst meint. Ganz am Ende darf Graham Coxon noch einmal ran, aber da bin ich längst schon wieder bei der ersten Hälfte des Albums.
Fazit: „Ad astra“ zeigt eine Band, die auch nach fast 30 Jahren noch weiß, woher sie kommt – und manchmal fast zu genau. Der Himmel ist vielleicht nicht das Ziel, aber der Start fühlt sich trotzdem schon ganz gut an.
