ANTITAINMENT – Ich kannte die, da waren die noch real!

Typisch ANTITAINMENT – noch bevor ihre Kritiker das Wort „Ausverkauf!“ über die Lippen bringen, nimmt ihnen die Band bereits den Wind aus den Segeln: „Mach dich nicht ein und erzähl mir nix von Sellout, wenn du scheinbar gar nicht genau weißt, wie das geht. Wir schon. Sellout! Sellout! – allein schon um hier manche zu enttäuschen!“ heißt es in dem Stück mit dem denkwürdigen Titel „Eigentlich wollte ich ja nicht mehr über Musik reden, sondern verkaufen“ und zeigt den notorischen Szenenörglern gleich schon mal eine lange Nase.
Das Konzept der Band funktioniert augenscheinlich auch auf ihrer dritten Veröffentlichung vortrefflich. Mit ihrem schrägen Nintendocore-Punk kritisiert sie die Starrsinnigkeit der Punk- und Hardcore-Szene, entlarvt immer wieder die schöngefärbte Selbstdarstellung ihrer credibilitygeilen Pseudo-Protagonisten und ist dabei konsequent genug, um sich auch noch nach Strich und Faden selber zu verarschen. Augenzwinkern deluxe trifft auf Punk-Diskurs 2.0. Oder so ähnlich.
Wie dem auch sei – bei Titeln wie „Neulich im Seminar für Existenzgründung“ oder „Und was hast du so gemacht?“ gilt das Jeder-Schuss-ein-Treffer-Prinzip: So ziemlich jeder szenekundige Hörer findet sich in mindestens einem der Texte irgendwo wieder. Der eine kann herzhaft drüber lachen, so manch anderer fühlt sich mit Sicherheit aber auch gehörig auf den Schlips getreten. Der Band wird´s letztendlich egal sein. Und während die Szene-Polizei noch eifrig rumdiskutiert, ob „Ich kannte die, da waren die noch real!“ mit seinen spärlichen 23 Minuten Spielzeit tatsächlich schon als Album durchgeht oder doch eher als EP bezeichnet werden muss, hecken ANTITAINMENT garantiert schon den nächsten spitzfindigen Seitenhieb aus.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.