Kürzlich stellten meine Freundin und ich erschrocken fest, dass sich die Freizeit mit zunehmendem Alter doch ein wenig anders gestaltet als früher. Rief damals ein Kumpel an und fragte, ob man spontan Zeit für ein Bierchen hätte, war man wenige Minuten später bereits verabredet.
Heutzutage ist unser Terminkalender in der Regel bereits zwei Monate im Voraus verplant, man trifft sich an Wochenenden zum Essen oder geht ab und an mit Freunden auf ein Konzert. Heute aber fiel eine Verabredung coronabedingt recht kurzfristig aus, und so erfreuten wir uns ob der überraschend freien Zeit. „Ach, schau mal! ALL THE LUCK IN THE WORLD spielen heute auf dem Kiez!“ „Na, los“, war ihre Antwort, und so standen wir auch schon eine Dreiviertelstunde später vor dem Clubhaus St. Pauli. Die Vorband war soeben vorbei, der Bahnhof Pauli gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Zudem war dies unser erster Kiezbesuch seit dem Reeperbahn-Festival im September 2022.
Aber den irischen Indie-Folkern ging es gar nicht allzu anders. Dass sie heute in St. Pauli auftraten, war ebenfalls Corona geschuldet, denn eigentlich hätte die Tour zu ihrem letzten Album „How the ash felt“ schon ein Jahr früher stattfinden sollen. So war dies heute erst ihr zweites Konzert seit viereinhalb Jahren, und zugleich fühlte sich das aktuelle Album mit dem Releasedate im November 2021 gar nicht mehr so neu an. Aber das änderte nichts an der guten Stimmung, und auch mich kriegten sie von Beginn an, denn wer sein Set mit einem 5/8-Takt eröffnet, muss eine von den guten Bands sein!
Doch keine Sorge – bei ALL THE LUCK IN THE WORLD geht es nicht um verkopfte Mucker-Musik. Eher im Gegenteil. Selten habe ich während eines Konzertes so viele zufriedene Gesichter und geschlossene Augen gesehen. Da störte es auch keineswegs, als Sänger und Gitarrist Neil Foot zum Ende des Sets eine Saite riss und er das Konzert ein wenig unvorbereitet mit fünf Saiten beendete. Anscheinend passte die zweite Gitarre nicht so gut zu den restlichen Songs. Insgesamt gab es gut anderthalb Stunden verträumten Indiefolk mit gefühlvoller Stimme und schönen Gitarrenpickings zu hören, darunter auch ein paar brandneue Stücke, die laut Aussage der Band „bisher nur Proberaum-Luft schnuppern durften“.
Ein schöner Abend mit der realistischen Hoffnung, dass die nächste Tour nicht wieder viereinhalb Jahre auf sich warten lässt.