Es gibt ihn also doch noch, den Winter, so richtig mit Schnee und Eis. Zumindest an diesem eisigen Januarabend, als zahlreiche junge Leute vor Kälte zitternd mit vorsichtigen Schritten Richtung Grünspan tapsten, um in den Genuss eines ALKALINE TRIO-Konzertes zu kommen. Angesichts solcher Witterungsverhältnisse ist es schon erstaunlich, dass einige Leute scheinbar dennoch nicht auf ihre heißgeliebten Chucks verzichten wollen und die luftigen Baumwollturnschuhe auch bei knöcheltiefem Schneematsch selbstbewusst zur Schau tragen, während sie Erfrierungen vierten Grades scheinbar leichtfertig in Kauf nehmen. Etwas besser verpackt waren dagegen die Füße eines jungen Fans, der sichtlich Stolz seine ALKALINE TRIO-Sneakers durch die Gegend trug, welche ein bekannter Sportartikelhersteller im vergangenen Jahr auf den Markt gebracht hat. Für markenbewusste Schuhfetischisten hatte der Abend also schon mal allerhand zu bieten – aber hier soll es ja nicht um Schuhe, sondern um Musik gehen.
Zum Anfang betraten aber erst einmal BROADWAY CALLS die Bühne von Hamburgs dienstältestem Rock-Club und stimmten das Publikum auf den weiteren Verlauf des Abends ein. Die Band stammt aus einem verschlafenen Nest im Bundesstaat Oregon und ist hierzulande noch weitestgehend unbekannt, was sich jedoch in Kürze hoffentlich ändert, da das kommende Album auf dem renommierten Label SideOneDummy Records erscheinen wird. Und die Kostprobe, die die Jungs an diesem Abend gaben, lässt einiges erwarten: Ihr melancholischer Pop-Punk mit unglaublichen Gesangsmelodien und mitreißenden Singalongs setzte sich sofort im Ohr fest und dürfte bei dem einen oder anderen Konzertbesucher einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.
Nach einer kurzen Pause war dann Showtime für ALKALINE TRIO. Zunächst wurde das Bühnenbanner gehisst, welches mit seiner gewagten Kombination aus Herzen, Totenschädeln, einem Eisernem Kreuz sowie dem in altdeutscher Frakturschrift verfassten „Agony & Irony“-Schriftzug sowohl modebewusste H&M-Emo-Kids als auch gestandene Wehrmachtsveteranen gleichermaßen verzückt haben dürfte. Meinereiner ergötzte sich dagegen eher an dem folgenden Hit-Feuerwerk, bei dem für meinen Geschmack jedoch gerne noch mehr Stücke aus dem phänomenalen „Crimson“-Album enthalten sein dürften. Aber wenn man ehrlich ist, haben die drei Chicagoer Emo-Punks bisher noch kein einziges mittelmäßiges oder gar schlechtes Album veröffentlicht, und so wurden sämtliche Stücke vom Publikum begeistert aufgesogen und hundertfach mitgesungen.
Noch war der Abend aber nicht zuende, denn nach einem kleinen Zugabenblock ging es für mich noch weiter in die Kiez-Kneipe Lehmitz. Dort stand ein Konzert der Kieler Pop-Punk-Formation DOG EARED PAGES auf dem Programm, doch diese wirkten nach den zuvor gesehen Bands lediglich wie ein musizierendes Kasperle-Theater. Und ich fürchte, auch auf die Einführung von DOG EARED PAGES-Sneakers werden Turnschuh-Fetischisten vergeblich warten.