„All that I want is always to push forwaaard…“, wenn ich das aktuelle KENZARIS-Album auflege. Das muss ich nun leider trotz ausgiebiger Eingewöhnungszeit konstatieren. Lange gehorcht, ob da doch noch jemand durch die Hintertür kommt, aber isn`t. Was nicht heißt, dass „Body vs. Function“ schlecht ist. Im Gegenteil. Es ist gewaltig, ein forderndes Werk, musikalischer Zynismus, eine Abrechnung. Weltuntergangsstimmung herrschte ja bereits auf den vorigen Alben der Post-Hardcore-Kanonen, aber nun scheint`s das tatsächlich gewesen zu sein. Gute Nacht! Schon der Opener „Bailed off“ wütet los wie Godzilla in Tokyo, scheint sich dann kurz zu beruhigen, wird aber wieder nervös, um anschließend permanent deinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, während er dich anschreit. Danach dokumentiert das düstere, atmosphärenartige Zwischenspiel „Cross you, nosferatu“ eine erschütternde Bestandsaufnahme, als würde man nach einem Atomkrieg zurück an die Erdoberfläche gekrochen kommen und spazieren gehen. Mit „Machinery is for the people“ wird es nicht angenehmer. Ein monoton treibender Beat und ein nicht enden wollendes nörgeliges Gitarrenriff stellen dich in eine laute Stahlbaufabrik direkt neben eine Maschine. Erst nach über zwei Minuten tut sich was und die KENZARIS erinnern endlich an etwas, das sie auf ihren ersten beiden famosen Alben getan haben – sie spielen ein Lied. Doch dieses Gefühl ist auf „Body vs. Function“ spärlich gesät und stets von nur kurzer Dauer. Über die weitesten Strecken sehe ich mich in diese monotone Fabrikhalle gestellt, aus der ich ausbrechen möchte, aber nur orientierungslos zwischen den Maschinen umher irre. Und vielleicht ist es auch genau das, was „Body vs. Function“ – ein Kampf zwischen Selbstbild und tatsächlicher Funktion – erzeugen möchte. Ein Umtreiben und ausbrechen wollen aus dem ganzen Wahnsinn. Das Album ist in dieser Hinsicht natürlich eine interpretatorische Spielwiese. Und das musikalische Spiel selbst, der Sprechgesang, das Geschrei, die Energie, die Tightness, die schrägen Harmonien sind natürlich nach wie vor Champions League (authentisch eingefangen von Guido Lucas ohne zu dick aufzublasen – so muss das sein). Aber sie machen irgendwie keine Songs draus. Ständig dieses BEATLES-Helter-Skelter-Achtel-Ding, das als rhythmisches Hauptthema durchs Album poltert wie ein Panzer. „Jahaaa, genug auf dem Ton rumgeschreddelt, jetzt macht mal weiter“, so ungefähr. Lied Nummer Sieben „Ghost camera“ kommt da wie eine Erlösung. Der einzige Song, bei dem die KENZARIS gnädigerweise kurz ihr großartiges Songschreibertum aufblühen lassen. Eine sehnsüchtige Melodie auf einem heimeligen Klavier, wie in einem Traum, dann urplötzlich ein Knall und das Ganze fällt in disharmonische Tiefe, als ob es aus dem Schlaf gerissen würde, um am Ende in einem derart orgasmischen Glücksbad zu landen, dass der ganze bisherige Wahnsinn vergessen scheint. Was natürlich nur von kurzer Dauer ist. In der anschließenden Abrechnung mit der gefestigten Vorstellung einer göttlichen Gerechtigkeit „Today´s theatres, tomorrow´s silence“ ist gleich wieder Helter Skelter-Action angesagt. Hmm, diesmal schockt´s aber ganz gut. Der kam soeben durch die Hintertür. Die letzte Nummer „The red queen analogy“ mutet dann eher wieder an wie eine dieser fiesen Atmosphären aus „Full Metal Jacket“. Aber soll ein Musikalbum klingen wie die Tonspur eines Kriegsdramas?
Fazit: Kein Album zum Anhören, ein Album zum Hinhören. Genug getippt. „I´ve got blisters on my fingers…Pamm pamm pamm….“
Anmerkung zur Bewertung: die KENZARIS spielen in einer anderen Liga. „Way beyond“ sozusagen. Bei den drunten leuchtenden Sternchen from outa space handelt es sich deshalb in diesem Fall um eine eigens angefertigte KENZARIS-Skala, die nichts über die unvergleichliche Qualität sondern lediglich über die Genießbarkeit des Albums auszusagen versucht.