Geht doch kaum noch was rein in meine vollgepfropfte Schublade mit dem Schriftzug „deutschsprachiger Befindlichkeitspunk in gerne mal zweiter Person Singular mit Hang zur See-/Wasser-Metaphorik“. Aber wenn die MATULESEN nachliefern, dann schichte ich da irgendwie was um. Die mag ich nämlich.
„Kuddel“s Nachfolger heißt „Blinker“, klingt ungefähr haargenau so wie sein charmanter Vorgänger – der nun auch schon wieder über drei Jahre alt ist, Grundgütiger! – hat sich jedoch zu meiner großen Freude in einem Punkt weiterentwickelt: der Typ singt endlich richtig. Die MATULONIER scheinen ihre Meldodiephobie überwunden und lassen sich vom bösen Wort „Pop“ nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Weniger verschroben und deutlich eingängiger kommen so die zehn Chartbreaker daher. Um es mit Brisko Schneider zu sagen: „Das find ich toll, das find ich toll, das find ich toll“. Denn der MATULANER kann Melodien. Ganz besonders zum Beispiel, wenn er in „Fridtjof Nansen“ traurigschönem Schlussteil weise abwinkt: „Frag nicht nach Sonne, frag nach einer Winterjacke!“. Eine kleine Überraschung auf dem ansonsten wieder sehr gleichförmigen Album ist auf jeden Fall der Quetschkommoden-Schunkelsong „Hammerbrook“. Eine Hymne auf resignierende Katerstimmung und Unzufriedenheit mit sich selbst. Warum aber gerade Hammerbrook als Metapher? Ist es eine Hassliebeserklärung an diesen grauen Hamburger Stadtteil, in dem der Texter wohnt? Vielleicht ist es aber auch das böse Haltestellenschild, das man in der Früh erspäht, nachdem einem dämmert, dass man wohl mal wieder in der Bahn eingenickt ist. Bei mir hieße der Song dann Großlohe oder Pinneberg oder Ahrensburg-Ost. Dann auch noch in äußerst fragwürdigem Stolz die neuen Rekorde an erfahrene Mitstreiter smsen oder gar in Platten-Reviews einbauen. Spitzen-Lied jedenfalls zum rührseligen Mitschwofen. Den Rest des Albums prägt das altbekannte Schraddelschraddel und Tiedeldiedel der Gitarren zu einem nachvollziehbaren Stirnrunzeln über das Leben.
Parallel zu „Kuddel“ gibt es auf „Blinker“ wieder eine kleine Hymne mit Crew-Chor zum Ausklang. „Karaoke“ heißt diese, und sie kommt, wie schon „der Planet, der sich ohne Sinn um die Sonne drehte“, eher süß daher. „Wir sind unzerstörbar“ shouten sie diesmal und klingen dabei trotzdem irgendwie lieb. Eine Wut, die auf artverwandten Platten prägend ist, sucht man auf „Blinker“ überhaupt vergebens. Hier geht es vergleichsweise besonnen zu und es dominiert eher Melancholie und ein Anflug von Humor zur Überwindung ebendieser. (Gewagte These – Heinz Strunk hat so mal die Tragikomik seiner Werke erklärt.) Und deshalb neige ich auf „Blinker“ auch nicht dazu, obwohl es stets frisch nach vorne geht, euphorisiert den Finger in die Luft zu werfen. Darf man das eigentlich überhaupt noch mit 29? Auf Konzerten euphorisiert den Finger in die Luft werfen? Oder ist das bereits peinlich? Ab 30 darf man ja bei festlichen Anlässen auch keine schwarzen Chucks mehr zum Anzug anziehen, hab ich neulich gelernt. Da brächest du dir ja wohl „keinen Zacken aus der Krone“. Ich brech DIR gleich `nen Zacken aus der Krone, Alder! Wie dem auch sei, MATULA legen mit „Blinker“ sausympathisch nach. Sie verbrüdern sich einfach mit dir. Kumpelmusik.
Kleine Fußnote noch: MATULA hieß ja nicht nur der anarchisch ermittelnde Haudrauf aus „Ein Fall für zwei“, es steht gleichwohl für ein historisches Uringlas für die Harnschau. 100% punk-kompatibler Bandname.