You are currently viewing DIE NERVEN – s/t

DIE NERVEN – s/t

 
Im Interview mit der taz sprach Max Rieger, Sänger und Gitarrist der Band DIE NERVEN, davon, dass sie mit dem neuen Album ein Werk für zu Hause schaffen wollten. Eine Platte, die voller klingt und sich bewusst vom brachialen Live-Sound abhebt. Die eine Studio-Illusion schafft, die sich voller Absicht von dem Sound auf der Bühne unterscheidet. Insofern lässt sich nachvollziehen, warum auf dem unbetitelten fünften Album von DIE NERVEN erstmals mit Streichern hantiert wurde.
Moment mal… Streicher? Anderer Sound? Machen DIE NERVEN nun eine ähnliche Metamorphose durch wie TOCOTRONIC, die sich von einer schrammeligen Studentenband zu einer recht langweiligen Diskurspop-Institution verwandelt haben?
Tatsächlich macht ihr „schwarzes Album“, wie die aktuelle Platte auch betitelt wird, eine große Entwicklung durch. Diese fällt vor allem in den ruhigen Stücken auf, die nun viel akribischer ausgearbeitet wurden und dadurch stark an Substanz gewonnen haben. Als Mann für die Streicher engagierte man übrigens den Multiinstrumentalisten Friedrich Paravicini, der dem einen oder anderen vielleicht als Live-Musiker von DIGGER BARNES bekannt sein dürfte, der aber nebenbei auch alleine ein Italo-Western-Album mit 70er Jahre Flair aufgenommen hat. Paravicini wurde dabei nicht nur die Aufgabe zuteil, die Streicherparts einzuspielen, man gab ihm sogar freie Hand in Bezug auf Komposition und Arrangement, was sich merklich auszahlt und auf der Platte zum Teil wie ein ganzes Streicherensemble wirkt.
Waren die ruhigen Momente auf ihrem letzten Album „Fake“ noch eine Art Gegenpol zu den krachigen Parts, funktionieren sie hier auch alleine ausgesprochen gut. Das bedeutet aber keineswegs, dass DIE NERVEN 2.0 nur noch ruhige Songs schreiben. Ganz im Gegenteil. Stücke wie „Ich sterbe jeden Tag in Deutschland“ und „Der Erde gleich“ klingen wütender als TOCOTRONIC anno 1997 als sie sangen „Alles was ich will, ist nichts mit Euch zu tun haben“. „Ganz egal“ hätte auch aus der Feder von SURROGAT stammen können, während „Alles reguliert sich selbst“ mit groovigen Stonerrock-Parts aufwartet.
In der Summe also ein sehr ausgefeiltes Album, in dem weder die ruhigen noch die lauten Momente zu kurz kommen und zugleich sehr viele hitlastige Stellen versteckt sind. Vielleicht sogar ihr bestes Album bislang.