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Interpol

Hurricane-Festival – Michael und Karina auf Klassenfahrt

Michaels Report:
Lange ist es her, seit ich das letzte Mal in Scheeßel war, groß war die Vorfreude, denn das Line-Up konnte sich sehen lassen, lediglich die Elektro-Fraktion hätte meiner Meinung nach etwas stärker besetzt sein dürfen. Die einzige Band aus dieser Ecke waren die Finnen von DATAROCK, die am frühen Freitagabend spielten und die ich dann auch prompt verpasste, weil unsere Nachhut erst kurz zuvor angekommen war. Einige Biere weiter dann die erste Besichtigung des Festival-Geländes und die erste leise Ahnung davon, was diesem Festival letzlich vielfach zum Verhängnis werden würde: Viel zu groß alles, das Gelände etwa auf das Anderthalbfache dessen angewachsen, wie ich es kannte, vorbei die Zeiten, als man noch mit dem rechten Ohr ins Zelt horchen konnte, während das linke Auge noch sah, was auf der Hauptbühne vor sich ging. Im weiteren Verlauf sollte sich zeigen, dass der Sound, sofern man nicht etwas näher an die Bühne heranging, sehr oft buchstäblich in alle Winde verweht wurde.
Die erste Band, die ich bewusst wahrnahm, waren die BEASTIE BOYS, die mit kompletter Band antraten und ihr Set interessanterweise mit drei Hardcore-Stücken begannen, bevor sie dann mit „Root down“ zu den bekannteren Stücken übergingen, denen in der Folge auch ihre Hits wie „Sure shot“ oder auch das alte „No sleep ‚til Brooklyn“ folgten. Ein interessanter Auftritt einer immer noch sehr frisch wirkenden Band. Zum krönenden Abschluss des Freitags schließlich die QUEENS OF THE STONEAGE, mit denen ich ein altbekanntes Problem hatte: ich mag ihre Hits, jedes Album hat davon etwa drei, doch haben diese Jungs meiner bescheidenen Meinung nach nicht eine einzige gute Platte gemacht, und mit diesem Auftritt verhielt es sich ähnlich. Die Stimmung wechselte zwischen Begeisterung und Langeweile.
Am Samstagmorgen gingen heftige Regenschauer nieder und erwischten mich mit Zahnpasta im Mund über die Rinne am Waschplatz gebeugt, waren aber relativ schnell vorüber und kamen den ganzen Tag, bis auf winzige Schäuerchen nicht wieder. Gern hätte ich mir MUMM-RA angeschaut, auch THE BRAVERY fand ich auf Platte gar nicht mal übel, doch fielen sie der allgemeinen Trägheit zum Opfer. Sorry. Unter gar keinen Umständen jedoch wollte ich mir MOGWAI entgehen lassen und tat das auch nicht, sondern stand pünktlich um halb fünf am Zaun und erwartete meine liebsten Schotten. Und die kamen und enttäuschten mich nicht, wenngleich die Tageszeit ihrer Musik sicherlich nicht entgegen kam. Im Anschluss dann ARCADE FIRE, von denen ich Großes erwartete und doch nie zu hoffen gewagt hätte, wie groß es werden würde. Rund ein Dutzend Musiker teilte sich da die Bühne, und jeder einzige von ihnen ging vollkommen in diesen wunderbaren Songs auf. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten sie das noch Stunden lang weiter machen können. Statt dessen hieß es nach dem Auftritt flugs zur anderen Bühne herüber gelaufen, um MODEST MOUSE noch kurz zu sehen. Denn es galt eine sehr schwere Entscheidung zu treffen, die in diesem Fall zu Gunsten von BLOC PARTY ausfiel. Also MODEST MOUSE nach etwa vier Stücken wieder verlassen und wieder ab zur Hauptbühne. BLOC PARTY waren klasse und lieferten ein solides Set ab, das unter anderem auch die Frage beantwortete, wie sie denn die neuen elektronischen Spielereien in ihr Set integrieren würden. Klare Antwort: Wunderbar.
Anschließend kurze Pause auf dem Zeltplatz, nach der ich die BRIGHT EYES leider nur noch kurz gesehen habe und das Gesehene zudem noch recht langweilig fand, ein Eindruck, der im Übrigen leider auch auf das aktuelle Album zutrifft. Schließlich INPERPOL, die ein weiteres Highlight dieses Tages hätten werden sollen, aber nicht wurden. Ich kann nicht einmal sagen, woran genau es lag, auch wenn ich großer Fan der Band bin, wollte doch der Funke nicht recht überspringen. Wie oben schon angedeutet, hätte mancher Band eine etwas intimere Atmosphäre, wie sie sicherlich im Zelt hätte aufkommen können, sehr gut getan.
Der dritte Tag. Frisch geduscht und bei strahlendem Wetter verpassten wir uns bei ISIS erstmal einen kurzen, aber heftigen Metal-Einlauf. Ich mag sie ja auf Platte nicht besonders, eben wegen dieser Metal-Passagen, die sich immer wieder mit mit sehr schönen, melodiösen Parts abwechseln, live jedoch gefielen sie mir sehr. Anschließend sehr lange Pause, denn die KINGS OF LEON spielten erst gegen halb fünf. Schwerpunktmäßig wurden Songs des aktuellen, leider nur durchschnittlichen Albums, sehr wenig leider von ihrem umwerfenden Debüt-Album gespielt. Anschließend kurz die EDITORS, die ihre Qualität als tolle Live-Band ein weiteres Mal bestätigen, bis es einen weiteren Haken zu machen gab in meiner Liste von Bands, die ich unbedingt mal live gesehen haben will: SONIC YOUTH. Unglaublich, wie präsent die Band immer noch ist, wie frisch Kim Gordon und Thurston Moore wirkten, die neben den Songs ihres aktuellen Albums auch ihre Hits nicht vergaßen und bewiesen, dass sie immer noch gehörig Krach machen können.
PLACEBO, die ja fast jährlich auf dem Hurricane spielen, waren anschließend ein weiterer Höhepunkt, den man schon fast nicht mehr auf der Rechnung hatte. Von ihnen bekam man sowas wie ein Greatest Hits-Programm, inklusive ihrer sehr gelungenen KATE BUSH-Coverversion von „Running up the hill“.
Zu guter Letzt gab es eine weitere Entscheidung zu treffen: DEICHKIND oder PEARL JAM. Wie glücklich war ich hinterher, denn „Wie heißt die Band, die die Party rockt?“ Es war unglaublich. Was DEICHKIND, die kurzerhand von der Zeltbühne auf die zweite Open-Air-Bühne verlegt worden waren, in einer Stunde ablieferten, war schlichtweg fulminant. Die drei waren durch nichts aufzuhalten, ihre Show hoch energetisch, mit Airtramps und allerhand anderem Fitnessgerät und nicht zuletzt ihrer Zitze, einem meterhohen Gerät mit allerhand Schläuchen, aus denen einige Leute im Publikum zu trinken bekamen. Ein Wahnsinn, von dem man nicht einmal eine Ahnung bekommt, wenn man ihre verhältnismäßig braven Tonträger hört. Und schließlich schaffte ich es am letzten Abend sogar noch ins Party-Zelt, wo ich mich allerdings nicht mehr allzu lange aufhielt.
Schön war es auf dem Hurricane, nette Tage waren es, zum Musik hören werde ich in Zukunft aber sicherlich eher auf kleinere Events ausweichen. Wie freue ich mich doch auf das Melt! (mb)

Karina war auch da:
Wir sind nicht abgesoffen! Somit war das Hurricane 2007 also schon mal ein voller Erfolg. Beginnen wir aber zunächst mit ein paar wohlgemeinten Ratschlägen für zukünftige Festivals jener Größenordnung. Es kann prinzipiell nicht schaden, im Schnitt zehn Jahre jünger zu sein. Und die Personen, mit denen man diese einzigartige Erfahrung teilen möchte, sollten entweder a) exakt den selben Musikgeschmack oder b) gar keine Ahnung von Musik oder c) zumindest kein Problem damit haben, wenn jeder seine Präferenzen auslebt und man sich gegebenenfalls im Zelt wiedertrifft. Denn, auch wenn ich mir jetzt Feinde mache, der Hauptsinn eines Festivals besteht für mich immer noch darin, möglichst viele Bands zu sehen und das Saufgelage aufs nächste Wochenende zu verschieben. Ganz nach dem Motto, schöner kotzen zu Hause. Womit wir auch beim größten Manko des Hurricane-Festivals angelangt wären: sechzig Bands in drei Tagen. Das muss zwangsläufig in einem Nervenzusammenbruch enden oder doch wenigstens in dem beunruhigenden und schuldigen Gefühl, zu viel zu verpassen. Findet man sich in Gesellschaft von Personen, die weder der Kategorie a, b oder c angehören, wird die Sache noch zusätzlich verkompliziert. Aber schließlich ist Hurricane nicht Haldern. Das wusste man auch vorher, daher also Klappe halten oder abreisen!
Stürzen wir uns ins Getümmel, dass am Freitag zunächst einmal auf den schönen Namen DATAROCK hört. Vor Urzeiten schafften sie es mal als Vorband zu kommen, zu sehen und zu siegen. Seitdem warte ich darauf, dass mich die Spacken in roten Trainingsanzügen aus Norwegen mit integriertem Fitnessprogramm wieder abholen. Dem Coca-Cola Soundwave Tent sei Dank, dass ich stehen gelassen wurde. Was’n das für ’ne scheiß Sound-Qualität bitte? Haben sie da den Prakti ans Pult gelassen, dem bisher nur die Funktion des Lautstärkereglers erklärt wurde? Hauptsache schön laut und der Rest ein übersteuerter Brei? Ja danke. Spätere Versuche, unter anderem bei den COLD WAR KIDS, blieben ebenfalls ein Fiasko. Mag es am ersten Tag gelegen haben oder doch schlichtweg am Programm, aber der Freitag sollte arm an Höhepunkten sein. Einer war jedoch sicherlich der Auftritt von THE GOOD THE BAD AND THE QUEEN. Was Damon Albarn auch anfasst, der Mann verwandelt Wasser in Wein. Mag das nun BLUR gewesen sein oder die GORILLAZ oder eben die neueste Ansammlung an Musikerprominenz. Ein in sepia-warmes Licht getauchtes Bühnenbild versetzte das Publikum ins viktorianische England, dazu passend Albarn im Zweireiher und Zylinder. Ein Zeremonienmeister, der gekonnt und gut aufgelegt durch das Set führt. Ein wahrlicher Augen- und Ohrenschmaus. Ein Urteil über die BEASTIE BOYS, Headliner dieses ersten Tages, möchte ich dagegen lieber Leuten überlassen, die Ahnung davon haben. Ich ahne nämlich, dass mir schlichtweg die Expertise fehlt, um hier ein qualifiziertes Statement abzugeben. Und dass ich die QUEENS OF THE STONE AGE nicht gesehen habe, wird auch lieber mal beschämt tot geschwiegen.
Der Samstag war da schon weniger arm an Höhepunkten, um nicht zu sagen, der für mich beste Tag des Festivals, angefangen mit MOGWAI. Auch wenn ich sagen muss, der frühe Nachmittag ist für MOGWAI nicht angemessen. Da hätte das stickige Zelt tatsächlich besser gepasst, mal angenommen der Sound wäre nicht so grottig gewesen. Nun gut, dann müssen es eben geschlossene Augen machen und die Fähigkeit, einfach mal alles um einen herum auszublenden, um sich von der Musik verschlucken zu lassen. Spätestens bei ARCADE FIRE sollte man die Augen aber wieder aufmachen, um endlich nachzuholen, was man auf der leider wegen Krankheit ausgefallenen Tour versäumt hat. Meines Erachtens neben BROKEN SOCIAL SCENE die momentan aufregendste Band, in Genialität und Mitgliederzahl den Landsleuten in nichts nachstehend. Ein bisschen bunter, kirmesmäßiger vielleicht. Viel zu kurz der Auftritt. Am liebsten hätte man das komplette „Funeral“ gehört, wenigstens jedoch noch „Laika“, dieser großartige Song, mit dem bei mir alles begann. Es wird definitiv nicht das letzte Mal gewesen sein, soviel ist sicher. Euphorie pur. Danach ging’s weiter zu MODEST MOUSE. Irgendwie gibt es für mich immer noch zwei MODEST MOUSE. Die mit „The moon and antarctica“ und jene, die mit „Good news for people who love bad news“ und erst recht mit “We were dead before the ship even sank” plötzlich zu einem massenkompatiblen Indiedarling wurden. Merkwürdigerweise besitzen diese beiden MODEST MOUSE auch völlig anderes Personal. Denn zu „The moon and antarctica“ wusste ich nicht mal, wie die Typen überhaupt aussehen. Das kam erst mit dem Video zu „Float on“. Und die Gesichter passten nicht richtig zu meiner Vorstellung. Also gab es fortan die alten und die neuen MODEST MOUSE, wobei mir die alten so viel mehr am Herzen liegen. Insofern mochte ich gar nicht so richtig hinschauen. Wenn sie nun etwas von meinem innig geliebten „The moon and antarctica“ spielen würden, würden dann die beiden MODEST MOUSE in meinem Kopf doch letztendlich zu einer Band verschmelzen? Und würde das nicht meine Liebe zu den alten MODEST MOUSE entzaubern? Wie auch immer, der voyeuristische Aspekt hat gesiegt, schon alleine weil man Johnny Marr mal anstarren wollte. Und natürlich Isaac Brock, der doch irgendwie ein bisschen angsteinflössend ist, wie er da so bestimmt und mit komischen Matschauge auf der Bühne stand. Wiedersprechen möchte man dem jedenfalls nicht. Ob sie etwas von „The moon and antarctica“ gespielt haben, kann ich zu meiner Schande nicht mal sagen, wahrscheinlich weil ich es vorsichtshalber gleich wieder verdrängt habe. Kurze Zeit später sollte etwas passieren, mit dem ich so auch nicht mehr gerechnet hatte. Die MANIC STREET PREACHERS. Eine noch ältere und verflossene Liebe. Dabei hatte alles so aufregend angefangen. Damals Anfang der Neunziger, als ich in meiner musikalisch noch orientierungslosen Jugend einen Lichtblick hatte und das Video zu „Motorcycle emptiness“ auf dem seinerzeit noch coolen MTV sah. Nichtsdestotrotz sollte es mehrere Jahre dauern bis wir uns wiedertrafen und heftig verliebten. Aber wie so oft holte uns der Alltag ein, und wir lebten uns auseinander. Ganz ohne Streit und Missverständnisse. Einfach so. Und wenn man sich nun plötzlich über den Weg läuft, ist man schon neugierig, was aus dem anderen denn geworden ist. Hey, und all die schönen Erinnerungen waren plötzlich wieder da. Sogar „Motorcycle emptiness“. Sie haben es mir aber auch leicht gemacht, haben all die alten Hits gespielt und kaum von ihrer Neuen, “Send away the tigers”, erzählt. Sehr rücksichtsvoll. Irgendwie aber auch sehr auf der sicheren Seite. Es war schön, euch zu sehen. Ich wünsche euch alles Gute.
Und dann BRIGHT EYES… Ein definitiver Höhepunkt! Conor Oberst ganz in weiß und schick und mit strähnigen langen schwarzen Haaren. Und mit einem ganzen kleinen Orchester. Auch ganz in weiß. Von der ersten Minute an konnte man nicht anders, als diesem Mann an den Lippen zu hängen. Jede Sekunde bis zum Ende. Gnadenlos verfallen. Die ausschweifende Instrumentierung steht ihm dabei außerordentlich gut oder besser gesagt ihr, der Band. Er ist ja jetzt nicht mehr alleine. Atemlos erstickte Begeisterung. Wie gerne hätte ich das auch von AEREOGRAMME behauptet, aber es gab kein Hineinkommen ins (eigentlich verachtete) Zelt. Das wäre somit für mich die wohl letzte Chance gewesen, diese Band noch einmal zu sehen, denn traurigerweise werden sie demnächst getrennte Wege gehen. Allen, denen es ähnlich wie mir erging, kann ich somit nur noch das Omas Teich Festival Ende Juli wärmstens ans Herz legen! Währenddessen kasperte sich MARILYN MANSON auf der Hauptbühne durch sein Programm. Mehr als ein müdes Gähnen konnte das bei mir nicht hervorrufen. Dann lieber warten auf INTERPOL. Auch so eine Liebesgeschichte, obwohl vielleicht eher eine Affäre. Ich weiß noch, wie ich fassungslos enttäuscht war, als ich INTERPOL damals auf der AStA-Party der Frankfurter Uni (!) zum ersten Mal sah und aus Paul Banks nicht diese volle tiefe Stimme, sondern lediglich ein dünnes schiefes Stimmchen rauskam. Das mit dem Singen kriegt er jedenfalls inzwischen hin. Wie auch sonst schafften sie es, diese Mischung aus kühler Distanz und wohligem Kribbeln hinzukriegen. Sehr souverän. Sehr perfekt. Sehr INTERPOL. Sehr gut.
Sonntag. Letzter Tag. Die Müdigkeit groß, die Knochen schwer, Körper und Klamotten von entzückendem Duft. Mehr unfreiwillig sind SUGARPLUM FAIRY meine erste Band des Tages. Ich kann mir nicht helfen, aber Hühnerbrüste, auf denen noch kein Haar sprießt, mögen vielleicht Fünfzehnjährige beeindrucken. Ich kann damit eher weniger anfangen. Das wirkt alles doch arg abgeguckt beim großen Bruder, die Gesten und das Gehabe, nicht die Musik. Ne, das ist mir zu aufgesetzt. Das kaufe ich denen nicht ab. Auch JULIETTE AND THE LICKS können mich gar nicht von Hocker reißen. Mag an meinem Problem mit singenden Schauspielern liegen. Alle anderen, und die sind für diese Uhrzeit erstaunlich zahlreich vorhanden, scheinen damit kein Problem zu haben. Mir scheint eher, dass der Schauspielerinnenbonus zu diesem Andrang erheblich beigetragen hat. Wie gesagt, nicht meine Kelle Bier, womit ich allerdings ziemlich allein auf weiter Flur respektive Matschwiese zu stehen scheine. Dann lieber die KINGS OF LEON. Die haben eine merkwürdige Anziehungskraft. Man muss die ganze Zeit fasziniert hinstarren, wenn Caleb Followill mit seiner komischen Nerd-Frisur todernst die trockenen Songs ins Mikro knarzt. Anschließend passiert wieder das, was es unmöglich macht, einen Auftritt einer Band unbeschwert in kompletter Länge genießen zu können. Das Hurricane zwingt mich in all seiner sadistischen Größe, mal wieder zwischen zwei Bands wählen zu müssen. Da wären auf der einen Seite die jungen Hüpfer von den EDITORS und auf der anderen Seite die mächtigen SONIC YOUTH. Die EDITORS gewinnen. Schuld ist ihr Debütalbum „The back room“. Ein bisschen mit den Zähnen knirschen muss man trotzdem, wenn man weiß, dass die EDITORS auf dem Southside zur besten Prime Time spielen dürfen, während wir uns hier mit dem späten Nachmittag begnügen müssen. Trotzdem ein umwerfender Auftritt. Findet auch Pudelkopf Tom Smith. Oder warum wirft er die ganze Zeit seine Arme so ungelenk um sich? Drolliges Kerlchen. Aber singen kann er. Puh. Sowie der letzte Akkord verklungen ist, doch noch schnell zu SONIC YOUTH rübergehechtet. Nun gibt es Leute, die das folgendermaßen sehen: Warum lässt man eine alte Frau, die nicht singen kann und im rosa Kleidchen hippiemäßig über die Bühne tänzelt, überhaupt auftreten? Wer will so was sehen? Ich verstehe den Punkt. Nun sehe ich es aber so: SONIC YOUTH sind eine Institution. Nichts und niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Vielleicht nicht immer nachvollziehbar in ihrem Schaffen. Aber geliebt für „Dirty“ oder „Daydream nation“. Insofern auch daran gewöhnt, dass Kim Gordon mehr raunt als singt. Daher gebührt ihnen mein Respekt. Und eigentlich hätte ich nicht gedacht, dass ich sie tatsächlich mal live sehen würde. Auch wenn es umständehalber nur zur zweiten Hälfte des Sets gereicht hat. PLACEBO schenke ich mir danach. Stichwort verflossene Liebe, diesmal aber keine Lust auf ein Wiedersehen.
Wären wir schlussendlich also bei dem Headliner schlechthin angelangt. Auf den Plakaten ganz oben angekündigt, auf den Merch-T-Shirts komischerweise gar nicht erwähnt. Die wurden wohl gedruckt, bevor PEARL JAM zusagten. Und wir lernen, PEARL JAM sind Eddie Vedder. Könnte man zunächst meinen, wenn man als Von-Hinten-Gucker nur die Leinwände links und rechts der Bühne hat. Die zeigen in der ersten Hälfte des Sets nämlich ausschließlich Eddie Vedder in Großaufnahme. Eine unwesentliche Rolle scheint noch Jeff Ament zu spielen. Dass da links und rechts auch noch Mike McCready und Stone Gossard stehen, kriegt man erst später mit. Da sind sie nun also. Die eine Band, mit der ich meine gesamte Abi-Zeit und, ja, auch meine erste zarte Liebe assoziiere. (Diesmal die zu einer realen Person, nicht meine zahlreichen Lieben zur Musik.) Dabei war ich eigentlich nie der Die-Hard-Fan, sondern immer nur Mitläufer. Dafür haben sich PEARL JAM aber verdammt hartnäckig in meinem Leben festgebissen. Ich bin fast geneigt, eine nostalgische Träne zu vergießen. Ok, genug Gefühlsduseligkeit, zurück zu den Fakten. Es gibt schön viel alten Kram zu hören, ein NEIL YOUNG-Cover und „Teenage wasteland“ von THE WHO. Eddie Vedder ist grundsympathisch. Man möchte ihn glatt umarmen. Er möchte das auch und schwingt sich am Ende tatsächlich noch in den Security-Graben hinab, um über die gesamte Front Hände zu klatschen. Dass auch er älter geworden ist, muss er schmerzhaft erfahren. Mit Vierzig schwingt es sich nicht mal eben locker wieder auf die Bühne hinauf. Auch das so sympathisch. Nach gut einer Stunde und vierzig Minuten in Erinnerungen schwelgen ist nicht nur der Auftritt von PEARL JAM, sondern eigentlich auch das komplette Hurricane 2007 vorbei.
Gerne hätte man sich auch die eine (ISIS) oder andere (MUMM-RA) Band zur undankbaren Mittagszeit angeschaut, nur sind die ganz banal der Lauffaulheit und, nun ja, eben dem Dosenravioli-Mittagsmenü zum Opfer gefallen. Apropos Essen. Dem Döner-Stand auf dem Festivalgelände sollte man ernsthaft das Döner im Namen aberkennen. Das war mit beachtlichem Abstand der lächerlichste, miserabelste und überteuerste Döner, der mir je untergekommen ist. Beim China-Mann kann man dagegen nichts falsch machen. Daumen hoch.
Bleibt festzuhalten, dass Haldern oder Immergut für mich doch die reizvolleren Festival-Alternativen sind und mein Ausflug zum Hurricane wohl eine einmalige Angelegenheit bleiben wird. In dem Sinne wünsche ich allen noch eine gute Rekonvaleszenz!