Manche behaupten, Post-Rock hätte sich inzwischen abgenutzt, weil es dafür in der letzten Zeit zu viele Bands dieses Genres gab. Aber wie bei jeder anderen Schublade auch, gibt es am Ende doch noch ein paar Vertreter, die dafür sorgen, dass man eine Schublade zurecht nicht endgültig schließt. Für die es sich lohnt, dasselbe Fach immer und immer wieder zu öffnen, einfach weil diese Bands dadurch beeindrucken, dass sie großartige Musik machen – unabhängig von der Richtung. Dazu zählen ganz sicher auch GREGOR SAMSA, die vor drei Jahren eine EP, namens "27:36" veröffentlicht haben, die durch ein tolles Songwriting, zwei schöne Stimmen, männlich und weiblich, und filigrane Klänge an Geige und Klavier beeindruckten. Schon damals plante ich ein Interview, weil ich mich so sehr in ihre Musik verliebt hatte, aber vor der geplanten Europa-Tour segnete die Band aus Richmond, Virginia bereits das Zeitliche und das Interview somit auch. Doch wie sagte selbst Franz Kafka? "Lass doch die Zukunft noch schlafen, wie sie es verdient!" Und so waren GREGOR SAMSA irgendwann wieder vereint und mit dem ersten Full Length "55:12" auch erstmals hierzulande unterwegs. Ich nutze diesmal also die Gunst der Stunde und sprach mit dem Sänger und Gitarristen Champ, sowie Keyboarderin und Sängerin Nikki King über die Musik und was sie eigentlich so gut macht.
Euren Namen habt ihr ja der Hauptperson aus "Die Verwandlung" von Franz Kafka entliehen. Gibt es die Verwandlung auch in eurer Musik?
Champ: Nein, einen direkten Zusammenhang zwischen dem Titel, Franz Kafka und uns gibt es eigentlich nicht. Ich las das Buch in der High School als ich 18 war, und beschloss eine Band unter diesem Namen zu gründen, weil es mir so gut gefiel.
Eure erste EP nahmt ihr ja noch zu Hause auf. Hattet ihr dort ein richtiges Studio?
Champ: Die Drums haben wir im "Sound of Music"-Studio aufgenommen, aber den Rest haben wir tatsächlich zu Hause mit einem 16-Spur-Recorder festgehalten und selbst abgemischt. Die zweite EP nahmen wir im Studio auf und das letzte Album wieder zu Hause, im Studio unseres Bassisten. Das dauerte etwa zwei Monate, und im Anschluss daran haben wir es für viel Geld extern abmischen und produzieren lassen.
Und was gefällt euch besser?
Nikki: Es hat beides seine Vor- und Nachteile.
Champ: Zu Hause hat man natürlich den Vorteil, dass man genügend Zeit für die Aufnahmen hat. Und man hat zu Hause auch nicht so viel Stress, weil der Job und alle anderen Sachen direkt nebenan sind.
Hat sich die Formation nach dem Split verändert?
Champ: Der größte Teil der Band ist seit vier Jahren dabei. Aber es ist bei uns ein bisschen wie mit dem Rotationsprinzip. Insgesamt waren ca. 15 verschiedene Personen an der Band beteiligt, die kamen und gingen. Zumeist aus Richmond, aber inzwischen kommt unsere Violinistin aus Austin, und Billy und ich wohnen mittlerweile in New York.
Warum benennt ihr eure Alben immer nach der Spielzeit?
Champ: Unser erstes Label wollte "27:36" als Full Length auf den Markt bringen, aber uns schien es für ein richtiges Album zu kurz. Es wäre unfair, wenn man dann 13 oder 14 statt sieben oder acht Dollar bezahlen muss. Sie ließen sich aber von ihrem Vorhaben nicht abbringen, und so wollten wir es als das bezeichnen, was es eigentlich auch ist.
Cool. Eine Entscheidung zugunsten der Fans also?
Champ:Ja, wir machen alles für unsere Fans! (lacht)
Ich habe gelesen, dass ihr aus demselben Umfeld wie ENGINE DOWN und der Vorgänger-Band DENALI stammt.
Champ: Ja, Jason, der Bassist von ENGINE DOWN, hat für vier oder fünf Monate bei uns mitgespielt und uns auf Tour begleitet. Und zudem ist er auch ein Booker für unsere Shows.
Ein Grund, warum ich frage, ist, dass sich meiner Meinung nach sowohl ENGINE DOWN, als auch ihr dadurch auszeichnet, dass ihr ein wirklich ausgefeiltes Songwriting habt, wovon viele vergleichbare Bands nur träumen. Wie macht ihr das?
Champ: Ja, ich glaube auch, dass man vom so genannten "Post-Rock" im Stile von MOGWAI und GODSPEED YOU BLACK EMPEROR derzeit ein wenig erschlagen wird. Ich finde beide Bands wirklich klasse, aber ich denke, dass wir uns dadurch von ihnen unterscheiden, dass unsere Songs etwas strukturierter und somit auch etwas poppiger sind. Zwar haben wir die gleichen Passagen, aber bei uns findet man eben auch den klassischen Refrain und die Strophe wieder, während die anderen Bands oft nur Fragmente abliefern.
Damit triffst du den Nagel auf den Kopf. Schwebt euch denn der fertige Song von Beginn an vor, oder entwickelt er sich erst im Laufe des Probens?
Champ: Das ist immer unterschiedlich. Aber manchmal ist es tatsächlich so, dass ich denke: "Es wäre cool, wenn der Song so anfängt und dieser Part zur Mitte folgen würde…"
Manchmal werdet ihr mit MY BLOODY VALENTINE verglichen. Findest Du das zutreffend?
Champ: Nein, ich mag sie zwar wirklich gerne, aber abgesehen von dem Gitarrensound finde ich den Vergleich nicht so passend. SLOWDIVE werden ja auch gerne als Referenz genannt. Ich finde, das trifft es eher.
Findet ihr eure Musik traurig?
Champ: Nein.
Nikki: Zum Teil. (lacht)
Champ: Eigentlich habe ich da auch noch nie drüber nachgedacht.