YEARS – s/t

YEARS ist das Solo-Projekt von Ohad Benchetrit, der auch an DO MAKE SAY THINK und BROKEN SOCIAL SCENE beteiligt war; und dieses Album sein Debüt. Soweit die notwendigen Fakten. Interessanter ist, dass der letzte Roman von Virginia Woolf auch „The years“ heißt und dass darin so eine Art Familiensaga erzählt wird. Genauso ist dieses Instrumental-Album vom ersten bis zum letzten Ton wie eine Geschichte, am meisten wie ein Märchen. Das erste Stück erinnert auf verrückte Weise an die Suite „Morgenstimmung“ von EDVARD GRIEG, ein norwegischer Komponist der Romantik. Der Geist dieser Suite scheint darin eingefangen. Ich glaube, wenn EDVARD GRIEG jetzt leben würde, hätte er „Kids toy love affair“ geschrieben. Hört euch mal beide Stücke an, es ist unglaublich!! Und sehr schön. Unser Märchen beginnt also am Morgen und geht dann weiter wie eine Hommage an das Morgenrot – das zweite Stück klingt nach einer intensiven Auseinandersetzung mit JEFFERSON AIRPLANE, ohne die wir ja nie gelernt hätten, wie so psychedelisches Zeug eigentlich klingen muss. Dann verschlägt es uns weiter zurück in die Nacht und im Verlaufe der weiteren Klänge begegnen einem dann doch eher jüngere Sachen wie JOAN OF ARC, SIGUR RÓS, ALAMAAILMAN VASARAT, ROADSIDE MONUMENT, THE ALBUM LEAF und viele, viele andere. Das heißt aber keineswegs, dass die Musik von YEARS wie eine dieser Bands klingt, sondern nur, dass davon ab und zu was durchschimmert, aber immer auf eine Weise, wie man Bilder aus Zeitschriften zu einer ganz eigenständigen Collage verarbeitet. Vergleichbar sind damit vielleicht EXPLOSIONS IN THE SKY oder YNDI HALDA, das heißt, wer die beiden mag, wird YEARS auch sehr, sehr mögen, aber es ist trotzdem anders. Wichtig ist auch, dass das Album kein astreines Instrumental-Album ist, sondern, dass in einem Lied gesungen wird. Und das ist sehr schlau eingefädelt, weil dieser Gesang dadurch so herausragt aus dem Rest, dass er den Text für alle Lieder zu liefern scheint. Ich konnte nicht alles verstehen, aber es wird gesungen „don’t be sad“ und das ist so perfekt eingebettet in das Stück, das heißt „A thousand times a day (someone is flying)“. Und man glaubt es einfach, dass das so ist, dass man lieber nicht traurig sein sollte. Die Komposition des ganzen Albums scheint einem das kontinuierlich ins Ohr zu flüstern. Es ist überhaupt nicht schlimm, dass die Lieder sonst keine Texte haben. Dafür gibt es unglaublich neugierig machende Titel. Vielleicht ist das ungefähr so wie mit abstrakten Bildern und deren Titeln, man muss sie sich genau anschauen und recherchieren, um dahinter zu steigen. Ich habe in letzter Zeit aber vielleicht auch zuviel Die Drei ??? gehört. Jedenfalls heißt ein Lied „September 5. October 21. 2007.“ Da wüsste man ja schon gerne, was an diesen Tagen vorgefallen ist. Bei Wikipedia bin ich dann auf einen norwegischen Singer/Songwriter gestoßen, der am 5. September 2007, im Alter von 31 Jahren irgendwie an Medikamenten starb. Er war früher Postbote gewesen und fing an, Lieder zu schreiben, nachdem er ELLIOTT SMITH gehört hatte. Und ELLIOTT SMITH hat sich am 21. Oktober 2003 (angeblich) selbst erstochen. Nicht 2007 zwar, aber immerhin! Kann natürlich auch was ganz anderes gemeint sein mit den Daten…oder gar nichts. Man kann sich auch einfach ohne Theorie in diese Musik fallen lassen. Sich YEARS ins Ohr stöpseln und mitten aus der U-Bahn und aus der Menge verschwinden, irgendwohin, nach Nimmerland oder so oder sich in sich selber verlaufen Richtung Träume und mühsam wieder zurück wandern, wenn die Zaubertöne verschwunden sind. Sehr poetisch. Aber ehrlich, es ist doch jedes mal aufs Neue erstaunlich, wenn es jemand schafft, obwohl es schon so viel Musik gibt, und darunter auch einige großartige, neue großartige Musik zu komponieren.