WUTTKE – Chronologisch war gestern

Stellt euch vor, Herr Lehmann aus dem gleichnamigen Sven Regener-Roman würde eine Band gründen. In dem Fall wäre es gut möglich, dass diese Musikformation so ähnlich klingt wie WUTTKE. Zwar liegt die Keimzelle des Berliner Trios in der Kneipenszene von Friedrichshain und nicht westlich der Oberbaumbrücke in Kreuzberg, doch abgesehen von diesem kleinen geographischen Detail sind gewisse Parallelen zwischen dem Roman und dem selbstgesponnenen Band-Mythos nicht von der Hand zu weisen. So stehen WUTTKE nach eigener Aussage für die „Schnittstelle zwischen Existentialphilosophie und Dadaismus“, oder auch – wie ich einfach mal unterstellen möchte – für persönliche Entschleunigung sowie die Verweigerung gegenüber der modernen Latte Macchiato-Gesellschaft. Demzufolge hält „Chronologisch war gestern“ auch angenehm unaufgeregte Klänge für den Hörer bereit, die irgendwo zwischen analogem Retro-Rock, rumpeligen Punk-Riffs und schroffen Indie-Sounds kreisen. Selbst der meist zum Einsatz kommende Sprechgesang wirkt dabei keineswegs wie ein missglücktes HipHop-Experiment, sondern ist lediglich ein weiterer Beweis dafür, dass WUTTKE nicht gewillt sind, sich in den musikalischen Einheitsbrei einzureihen. Gut so!

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.